Musiklexikon: J wie Jamsession
Über Ursprung und Bedeutung des Wortes „jammen“ gibt es etwa 27 Theorien. Sie reichen von „in die Klemme geraten“ (so der Jazzhasser und Musikphilosoph Theodor W. Adorno) bis „im Keller bei den Marmeladegläsern spielen“ (so der Jazzklarinettist und Marihuana-Dealer Mezz Mezzrow). Eigentlich ist die Jamsession im Jazz so etwas wie das Sparring im Kampfsport: Man trainiert für den Ernstfall. Doch oft genug haben sich Jamsessions selbst schon zum Ernstfall entwickelt, weil sich die Teilnehmer wie blutende Kampfhähne aufeinander stürzten und nicht locker ließen, bis der Gegner k.o. ging. Viele Jazz-Anekdoten erzählen von Trompetern und Tenorsaxofonisten, die aus männlichem Stolz und Ehrgeiz den musikalischen Showdown mit Konkurrenten suchten oder dazu aufgehetzt wurden. Die Stadt Kansas City war sogar berühmt dafür, dass dort Tag und Nacht gejammt wurde und durchreisende Gastmusiker mit einem heißen Empfang rechnen mussten. In Robert Altmans Film Kansas City wird eine solche Jamsession – Coleman Hawkins 1934 im Cherry Blossom – im Hintergrund miterzählt.
Der Musikproduzent Norman Granz empfand dieses kämpferische Element sogar als das Beste am Jazz und erhob die Jamsession deshalb zur Kunstform. Von 1944 bis 1957 jagte er unterm Signet „Jazz at the Philharmonic“ die besten Musiker der Szene regelmäßig in den Kampf gegeneinander – und das auf den größten Bühnen rund um den Erdball. Heutzutage werden offizielle Jamsessions gewöhnlich nur noch angesetzt, um am ohnehin schwach besuchten Montagabend wenigstens ein paar Musiker in den Club zu locken. Da dürfen dann Lokalgrößen und Musikstudenten vor den Ohren der Jazzpolizei beweisen, dass sie das „Real Book“ – die Standards des Jazz – fleißig gelernt haben. Die „Jam Bands“ der Rockmusik fassen das Jammen dagegen wesentlich lockerer auf: Hauptsache, es wird ausgiebig improvisiert.