Auditorio Nacional de Música Madrid
Der Profi-Musiker Stefan Gawlick ist weltweit unterwegs und kennt fast jeden großen Konzertsaal. In dieser Serie berichtet er über Akustik und andere Eigenarten berühmter Häuser – im Auditorium und auf der Bühne.
Kultur kann – wie Berlin gerade beweist – kaputtgespart werden. Da rennt ein visionsloser Kultursenator den Sparplänen der Landesregierung hinterher und entwickelt keine wirklichen Konzepte, mit denen er sowohl dem angespannten Haushalt als auch den Bürgern einen Dienst erweisen könnte. Oder Kultur kann – wie einige Parteien es wünschen – ihrer Seele beraubt werden, indem sie ideologisch an der kurzen Leine geführt werden soll, was das Gegenteil von Kreativität und Schöpfungskraft darstellt.
Oder man kann der Musik eine finanzielle und räumliche Basis geben, auf dass sie erblühe und wundervolle Früchte trage. So ist es in Spanien geschehen, als in einem nationalen Plan festgelegt wurde, dass in dem großen Land flächendeckend die dringend benötigten Säle gebaut werden, damit die alltägliche musikalische Grundversorgung sichergestellt werden kann. Und tatsächlich ging die Rechnung auf: Seit geraumer Zeit kommen immer mehr erstklassig ausgebildete, junge spanische Musiker nach Deutschland, die Probespiele in Orchestern für sich entscheiden können. Die nationalen und regionalen Jugendorchester verblüffen mit einer bestechenden Qualität, und bei der Konzertreise, die mich jüngst quer durch Spanien führte, sah ich in den ausverkauften Sälen deutlich weniger graue Haare als hierzulande.
Der Madrider Saal dieses Plans ist das 1988 eröffnete Auditorio Nacional de Música, ein Komplex, der drei Säle unterschiedlicher Größe beherbergt. Der Große Saal ist wie so viele moderne Konzerträume dem Weinbergprinzip der Berliner Philharmonie nachempfunden, ohne indes so verspielt zu wirken.
2324 Zuschauer finden in der imposanten Halle Platz und hören fast überall erstaunlich gut. Das Geschehen wirkt immer halbwegs „nah“, obwohl die Distanzen in einem solchen Saal zwangsläufig beträchtlich ausfallen. Klanglich bewegt sich das Auditorio auf einer wunderbaren Linie zwischen Durchhörbarkeit und Wärme, zwischen Elbphilharmonie und Concertgebouw Amsterdam.
Für uns Musiker ist dieser Saal erst einmal deutlich weniger schillernd. Duch eine kleine Tür auf der Rückseite findet man nach einer Sicherheitskontrolle und über einige lange Gänge die fensterlosen Garderoben, die genauso auch in jedem Stadion oder jeder Turnhalle aussehen könnten. Natürlich brauchen wir keinen Luxus, allerdings benötigt ein Frack oder ein Abendkleid mehr Platz und Ablagemöglichkeiten als eine Sporthose. Nun denn, wenn das Anlegen der Konzert- und das Verstauen der Alltagskleidung geschafft ist, geht es zur Bühne, und schon kurz davor werden wir versöhnt: Direkt hinter der Bühne (genau genommen unter den Chorplätzen) können wir uns in einer fabelhaften Kantine, die eigentlich eher eine Tapas-Bar ist, pflegen lassen. Wow, daran könnte ich mich gewöhnen!
Über kurze Treppen geht es dann auf besagtes Podium, auf dem man sich sehr schnell sehr wohl fühlt. Sowohl die Kollegen als auch das eigene Instrument sind mühelos hörbar, das Austarieren einer sauberen Balance ist daher eine Kleinigkeit. Zudem gibt der Saal ein erstklassiges Echo zurück, dem man die Klangmischung entnehmen kann.
Und nach dem Konzert? Nun, das Auditorio befindet sich nicht in der besten Gegend Madrids, allerdings hatten wir keine Mühe, mehrere erstklassige Tapas-Bars zu finden.



