Chord Ultima Integrated
Feine Minikomponenten bestimmen seit Jahren das Bild der englischen Manufaktur Chord Electronics. Baut man dort denn überhaupt noch klassische High-End-Verstärker? Oh ja – und wie!
In aller Kürze:
Ein charakterstarker Vollverstärker von kompakter Physis und starker Präsenz. Dank ausgereifter Schaltnetzteiltechnik agiert der Chord Ultima Integrated in jeder Situation kraftvoll, dabei hochmusikalisch und mitreißend.
Ultima: Das klingt ehrfurchtgebietend. Fast im Widerspruch dazu entpuppt sich der Verstärker namens Chord Ultima Integrated als ein kompakter, originell designter Integrierter. Als Teil einer Anlage ist er der Star, der mit seinem futuristischen Design aus Stäben, Zylindern und durchbrochenen Platten alle Blicke auf sich zieht. Technisch betrachtet verkörpert er geradezu mustergültig die Firmenphilosophie der englischen Manufaktur: analoger Verstärkerpurismus mit einer auf Verzerrungsarmut und Bandbreite ausgelegten Class-A/B-Schaltung auf MOSFET-Basis, angetrieben von einem effizienten, felsenfest stabilen Schaltnetzteil.
Die Geschichte von Chord geht so: In den 1980er Jahren erkannte der in der Luftfahrtindustrie tätige Elektronikingenieur John Franks, dass seine für kritische Anwendungen entwickelten Schaltnetzteile, gepaart mit weiteren eigenen technischen Ideen, überzeugende Audioverstärker ergeben könnten. 1989 machte er sich mit Chord selbständig und brachte als erstes Produkt die Stereoendstufe SPM 900 auf den Markt. Nur ein Jahr später bekam die BBC Wind von Franks’ Arbeit. Der Rest ist Geschichte. Chord-Verstärker zogen erst in britische Rundfunkstudios, dann in Aufnahme- und Mastering-Locations auf der ganzen Welt ein. Den Volltreffer landete Franks dann mit seinen Komponenten im Westentaschen- und Desktop-Format. Deren Vielfalt und Cleverness haben den klassischen Chord-Verstärkern in den letzten Jahren glatt die Show gestohlen. Höchste Zeit für ein Spotlight dahin, wo die Wurzeln liegen.

Die Baureihe Ultima ist Chords zweitgrößte Produktfamilie. Sie umfasst ausschließlich Verstärker. In allen kommt die jüngste, inzwischen schon fünfte Generation der Chord’schen Verstärkerschaltung namens, genau, Ultima zum Einsatz. Das technische Highlight ist eine Dual-Feed-Forward-Schaltung zur Reduzierung von Verzerrungen. Prinzipiell handelt es sich dabei um eine Variante der Mitkopplung, von John Franks in jahrelanger Entwicklungsarbeit verfeinert.
Das Design des Ultima Integrated unverwechselbar zu nennen, ist eine grobe Untertreibung. Hinter seiner 42 Zentimeter breiten Frontplatte steckt eine nur 30 Zentimeter schmale Technikbehausung. Der 28 Millimeter dicken Front nehmen breite Fasen, strategisch platzierte Kerben und eine plastische Ausarbeitung mit tief versenkten, organisch geformten Drehknöpfen gekonnt die Wucht. Die acht Millimeter dicke Topplatte ist großzügig durchbrochen, die Öffnungen sind mit Lochblechen verschlossen. So ergeben sich betriebssichere Einblicke in den Maschinenraum. Vier 55 Millimeter durchmessende freistehende Aluminiumzylinder bilden die Füße des Integrierten. Diese sogenannten Integra Legs sind mit dicken Streben verbunden, die das Gerät zweifellos zum handlichsten High-End-Amp aller Zeiten machen. Man kann sich den Verstärker auch mit schnöden kastenförmigen Seitenteilen bestellen, aber welcher Banause würde so etwas bitteschön tun?

Der Ultima Integrated ist ein puristischer Hochpegelverstärker mit zwei praktischen Anschlussoptionen. Am XLR-symmetrischen Pre-Out kann eine Endstufe etwa für Bi-Amping andocken. Über den ebenfalls symmetrischen „A/V-Bypass“-Eingang lässt sich die potente eigene Leistungssektion von einer externen (Heimkino-)Vorstufe dirigieren. Ansonsten gibt es vier Anschlüsse für Quellgeräte und einen Satz Lautsprecherklemmen. Fertig!
Lautstärke und Balance werden mittels klassischer Drehpotis geregelt. Die edel gefertigte Fernbedienung aus Aluminium vermittelt ebenso klassischen Luxus. Wir legen sie bereit, stecken das Netzkabel ein – und es wird bunt. Der Einschaltknopf, eine transluzente Kugel mittig in der Front, zeigt mit sanftem rotem Glühen Standby an. Auf Druck wechselt die Farbe erst zu Grün (Statuskontrolle), dann zu Cyan (betriebsbereit). Der Balanceknopf reagiert auf längeren Druck mit einem Farbwechsel zu Violett: A/V-Modus aktiviert. Der Lichtring am Lautstärkeregler kann eine von vier Farben annehmen, je nachdem welcher Eingang mittels Drücken ausgewählt wurde. Unter dem Deckel ist LED-Disco: Eine Heerschar grüner und blauer Leuchtdioden illuminiert das Innenleben. Sie lassen sich dimmen, aber nicht abschalten.
So kompakt er dasteht, ist der Chord doch ein kräftiger Geselle.

Der Hersteller gibt die Ausgangsleistung des Ultima Integrated mit 125 Watt an einer Acht-Ohm-Last an. Das klingt wenig spektakulär, aber dank „hartem“ Netzteil vermag der so zivil dastehende Amp die Wattzahl mit jeder Halbierung der Impedanz fast zu verdoppeln. An 1 Ohm erreicht er so knapp die 700-Watt-Grenze. Dabei läuft er erfreulich kühl. In meiner Hörumgebung war jedenfalls auch nach langen Musiksessions nur mittig aus dem Gerät Wärme zu spüren.
Apropos lange Musiksessions: Die inzwischen 36 Jahre Verfeinerung einer guten Idee sind nicht zu überhören. Der Chord zieht ein in jeder Hinsicht ausgewogenes Klangbild auf. Das Schöne ist nun: Auf dieser Ausgewogenheit – der natürlichen tonalen Balance, der Dreidimensionalität ohne Effekte, der über das gesamte Spektrum verteilten dynamischen Spannkraft – ruht er sich nicht aus. Er setzt in jedem Aspekt noch eins drauf. Sozusagen das Krönchen, das, seien wir ehrlich, bei dem Preisschild auch da sein muss. Der Chord liefert ab. Und das aber auch wieder: ausgewogen.
Was als Erstes beeindruckt: seine Tieftonkompetenz. Hier platziert er in meinem Hörraum ein erstes Statement, denn so mühelos, fast tänzelnd steigt meine zweifellos edle, inzwischen aber doch mehr als ein Vierteljahrhundert alte Rowland-Endstufe nicht in den Frequenzkeller. Der Chord scheint gar noch das ein oder andere Hertz tiefer zu reichen – oder rührt dieser Eindruck von der durchtrainierten Konturiertheit, mit der er zu Werke geht? So oder so, für gute Laune ist damit gesorgt.
Und es wird noch besser. Der Ultima Integrated bleibt bis in niedrigste Hörpegel tonal vollwertig. Sprich: Auch im Flüstermodus sind Bass und Details präsent. Ein echter Grund zur Freude für mich als Hörer in einem Raum, der auf drei Seiten von Nachbarn umgeben ist. Ich kann mit dem Engländer genussvoll bis spät in die Nacht durch Playlisten surfen. Zumal er leise auch dynamisch nicht schwächelt, nie flach oder schlapp klingt, was man sich ja durchaus angewöhnt hat zu akzeptieren. Nein, wieso sollte man? Wo der Chord doch zeigt, dass Verstärker mit „Pegel-Sweetspot“ möglicherweise einfach irgendetwas falsch machen.
Überhaupt ist der Chord in Sachen involvierendes Musizieren ein echtes Ass. Ich muss an meine audiophile Jugend denken, als Linn und Naim meine Religion waren und PRAT der Schlachtruf: Pace, rhythm and timing! Der kleine Ultima groovt, swingt, spielt selbst mit Klassik herrlich flüssig nach vorn. Auch da muss meine eher auf der distinguiert-feinen Seite agierende Verstärkerkombi den Hut ziehen.
Wem Räumlichkeit wichtig ist, der kommt voll auf seine Kosten. Mit einem Ausnahme-Amp wie dem zweieinhalbmal so teuren und fast viermal so schweren Gryphon Diablo 333, der Schallereignisse quasi magisch im Raum levitieren lässt, muss man den handlichen Briten natürlich nicht vergleichen. Aber da ist schon sehr viel von der Souveränität im dreidimensionalen Platzieren, wie es die Oberklasse des High End beherrscht.
Ich höre eine nagelneue Produktion des klanglich immer an vorderster Front agierenden Klassiklabels Genuin: UKAI, ein Statement in zeitgenössischem Blockflötenspiel. Die Musikerin heißt Susanne Fröhlich, ihre Kunst verschiebt Maßstäbe, und wer diese CD nicht gehört hat, der ist zu bedauern. Man sollte die Stücke über die beste Anlage hören, die nur irgendwie greifbar ist, denn die dynamische Bandbreite ist rekordverdächtig. Bei den von klassischem japanischem Flötenspiel ausgehenden Stücken sorgt der Chord für warme, emotionsgeladene Klangfarben und nie abreißende Spannung. Der Kracher ist Track 6: ein Duo von Blockflöte mit einem elektronisch bespielten Lautsprecher. Die dynamischen Spitzen bringen die Anlage an ihre Grenzen, Subbass trifft Ultraschall, mittendrin eine synthetische Klangfigur, die sich horizontal im Kreis zu drehen scheint. Spektakulär. Und über den Chord der reine Genuss. Ja, er gefällt mir. Immer mehr, je länger er dasteht. Ich habe mich auf die ästhetische Herausforderung eingelassen – und wurde nicht enttäuscht. Mit seinem wunderbar reduzierten, analog-puristischen Auftritt und audiophilen Qualitäten, die schlicht Weltklasse sind, sollten ihn alle ernsthaft in Betracht ziehen, die von raumgreifenden getrennten Verstärkerkombis downsizen wollen, ebenso wie jene, die wissen wollen, was mit Integrierten möglich ist, ohne Schwerlastpodeste aufzubauen. Ein sehr feines Maschinchen, und in dem Format vielleicht tatsächlich: ultimativ.
Info
Vollverstärker Chord Ultima Integrated
Konzept: Class-AB-Vollverstärker mit Schaltnetzteil
Eingänge: 3 x Line-In unsymmetrisch (Cinch), 1 x Line-In symmetrisch (XLR), 1 x A/V Bypass (XLR)
Ausgänge analog: 1 x Pre Out (XLR), 1 x Lautsprecher
Leistung (8 Ω): 125 W
Frequenzgang (±3 dB): 10 Hz bis 200 kHz
Klirr (20 Hz–20 kHz): 0,01 %
Kanaltrennung: 100 dB
Verstärkung: 21 dB
Besonderheiten: IR-Fernbedienung aus Aluminium, 1 x Triggeranschluss
Optionen: Acryl-Seitenteile anstelle der Integra-Füße
Ausführung: Aluminium schwarz, Aluminium silber
Maße (B/H/T): 48/13/38 cm (mit Integra-Füßen)
Gewicht: 12,7 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 11 490 €
Kontakt
DREI H
Kedenburgstraße 44/Haus D
22041 Hamburg
Telefon +49 40 37507515
Mitspieler
Plattenspieler: bauer audio dps 3
Tonarm: bauer audio Tonarm
Tonabnehmer: Lyra Kleos
Phonovorverstärker: Hagerman Trumpet Wood
MC-Übertrager: Consolidated Audio Silver/Nano
CD-Player: Electrocompaniet EMC 1 UP
Musikserver: Innuos Zenith Mk III
D/A-Wandler: Aqua La Voce S3
Switch: LHY SW-8
Vorverstärker: Silvercore linestage two
Endverstärker: Rowland Model 2, Model 12
Netzaufbereitung: AudioQuest Niagara 3000
Lautsprecher: Ayon Seagull/c, Dynaudio Special One
Kabel: Fadel Art, AudioQuest, Solidcore, HMS
Zubehör: Rack Creaktiv Trend






