Lotoo Mjölnir
Er trägt den Namen von Thors Hammer, und tatsächlich ist Lotoos Mjölnir aus Beijing unter den digitalen Audioplayern ein wahrer Drachenkrieger, der keinen Gegner fürchten muss.
In aller Kürze:
Der Lotoo Mjölnir ist ein beeindruckender (Fast-)Alleskönner, der in jeder seiner Teildisziplinen mit seinem edlen, unglaublich transparenten Klang brilliert. Die „schöne Verpackung“ gibt’s als Bonus obendrauf.
Lotoo ist die Audiomarke des chinesischen Elektronikspezialisten Beijing Infomedia Electronic Technology und sorgte in den letzten drei Jahren mit seinen kompromisslos auf Höchstleistung optimierten DAPs (Digital Audio Player) für szeneweites Aufhorchen. Denn die haben schon manchen Platzhirsch das Fürchten lehren können – in puncto Klangmacht, aber auch beim Preis. Denn wo Lotoo draufsteht, da steckt exklusive Technik drin. Das gilt definitiv für das neueste Rassepferd im Stall, den Mjölnir. Der ist für knapp 7800 Euro zu haben und ebenfalls ein DAP. Allerdings ist er gleichfalls als DAC, USB-Audiointerface und potenter Vorverstärker im Verbund mit Aktivlautsprechern dienstbar zu machen. Ein breit aufgestelltes Gerät, das, um beim einleitenden Bild zu bleiben, mit hammerstarken Argumenten von sich überzeugen will.
Komplett auf eigene Karten gesetzt
Die Lotoo-Entwickler setzen bei ihren Zöglingen konsequent auf Eigenschöpfungen, zugekauft werden in der Regel Komponenten, keine Lösungen. Folgerichtig werkelt unter der ausgesprochen schmucken Aluminiumhaube des Mjölnir das proprietäre, auf die Verwaltung und Audiowiedergabe optimierte, besonders schlanke Betriebssystem LTOS. Das wird bereits seit über 20 Jahren vom Mutterunternehmen weiterentwickelt und ist für die hohen Anforderungen der Broadcast-Industrie konzipiert worden.

In der Tat hat Lotoo ein festes Standbein im Pro-Audio-Bereich: So stellen die Chinesen auch die digitale Nagra LB her – und dieser Mobile Recorder gehört zu den weltbesten. Tatsächlich erinnert auch der Mjölnir, obschon er keine Tonaufnahmen gestattet, an die Recorder der Schweizer Kultmarke. Das edle Aluminiumgehäuse mit seinem feinen Silberglanz fühlt sich unter sensiblen Fingerkuppen absolut hochwertig an. Gleichzeitig besitzt es die Robustheit eines Profigeräts. Ein Taschenspieler ist der Mjölnir allerdings ganz und gar nicht sowie mit fast drei Kilogramm Kampfgewicht auch gut beieinander. Folgerichtig gehört eine hochwertige Ledertragetasche zum Lieferumfang. Ob der Bolide unter den DAPs allzu oft den Weg seines Eigentümers begleitet? Eher nicht, denn er ist fast so groß und schwer wie eine mittelgroße gut gepackte Umhängetasche. Im Herzen ist das Gerät trotzdem ein Mobilist, denn die Stromversorgung erfolgt über den integrierten wiederaufladbaren Akku. Der hält einige Stunden aus, wenngleich das Gerät – je nach Einstellung – ein fleißiger Energieesser ist. Gut, über USB C lässt sich der Akku auffrischen und … halt, ganz so einfach ist es nicht. Ich konnte den Mjölnir im Laufe meines Praxistests lediglich über das kräftige 90-Watt-Netzteil meines MacBook Pro 16 laden.
Die gängigen USB-Netzadapter (um 65 W) verschmäht er.
Der deutsche Vertrieb reagiert darauf angemessen kundenfreundlich und legt jedem Mjölnir ein hochwertiges Netzteil bei – aufpreislos, versteht sich.

Ganz DAP ist der Lotoo insoweit, dass SD-Karten als Hauptspeichermedien vorgesehen sind. Die dürfen eine Größe von bis zu zwei Terabyte haben, kompatibel sind alle aktuellen Ausführungen. Das Abspielen selbst gelingt völlig problemlos: Der Einfachheit halber habe ich den Mjölnir mit Karten aus meinem Pioneer XDP-300R bestückt – und sehe (Cover) beziehungsweise höre (Auflösung), was ich kenne. Das oberseitige, hochauflösende und berührungsempfindliche LC-Display dient der opulenten Anzeige und fungiert als Steuerzentrum, das kleinere Display auf der Front informiert verlässlich über Format, Auflösung und essenzielle Einstellungen. Hinzu kommen die kleinen Kippschalter sowie der schmucke Pegelsteller und der Schalter für den gewünschten Ausgang. Das können unsymmetrische oder symmetrische Kopfhörerausgänge sein, analoge Line-Outs oder Digitalausgänge. So viele? Genau – und damit ist klar, dass der Mjölnir eben doch mehr als ein DAP ist.

Tatsächlich ist er auch gewinnbringend als DAC, Preamp und sogar als USB-C-Audiointerface einsetzbar. Letzteres machte mir allerdings einiges Kopfzerbrechen. Mit dem mitgelieferten USB-C-Kabel blieb die Küche kalt. Erst mit einem Kabel aus meinen Beständen ist die Verbindung zu den MacBooks und die Nutzung als Audiointerface möglich. Schließlich lässt sich der Mjölnir auch als Streamer nutzen, lässt sich via WLAN ins Netzwerk integrieren. „Roon ready“ ist der germanisierte Chinese ebenfalls, zudem beherrscht er AirPlay und damit mehr, als ich erwartet habe – denn Streaming ist laut Herstellerangabe eigentlich nicht seine Domäne.
In puncto Auflösung lässt der Mjölnir rein gar nichts anbrennen: PCM mit maximal 32 Bit/768 kHz und DSD512 sind Spitzenwerte. Wandlerseits ist das Beste gerade mal gut genug: AKMs bewährter 4499 EQ fungiert als Diplomübersetzer. Der Chip sitzt in einem ausgesprochen penibel gefertigten Board, das die Expertise des Herstellers in Sachen Hochfrequenztechnik unterstreicht. Neben dem Hauptprozessor übernimmt ein DSP die Steuerung des deaktivierbaren Equalizers, der unerlässlichen Digitalfilter sowie des Abtastratenwandlers. Letzterer hat es in sich: Bei Lotoo heißt er „XRC“ und konvertiert nicht nur die Abtastrate, sondern beherrscht auch die Wandlung von PCM in DSD und arbeitet zudem bidirektional. Was technisch dahintersteckt, bleibt Entwicklergeheimnis, klangmächtig ist der XRC fraglos: Die Klangoptimierung ist so ohrenfällig gerade bei der Räumlichkeit, dass ich die Funktion permanent aktiviert lasse.

Drahtlos neu definiert
Die Drahtlosübertragung via Bluetooth in der Basisversion beherrscht der Mjölnir selbstredend. Mehr als den Mobil-Standard bietet das Gerät nicht, denn für die Lotoo-Mutter Beijing Infomedia ist BT eine gestrige Technologie. Nach Willen seiner findigen Entwickler ist Audio ausschließlich über das eigene „Lotoo Teleportation Protocol“, kurz LTTP, zu übertragen. LTTP beherrscht auch die verlustfreie Übertragung mit einer Maximalauflösung von anständigen 32 Bit/96 kHz. Dafür bedarf es allerdings eines speziellen LTTP-Senders, den Lotoo nebst passenden Steckern optional für mobile Endgeräte sowie Rechner anbietet. Der Sender funktioniert ohne Treiberinstallation mit allen gängigen Betriebssystemen. Allein die Zusammenarbeit mit unserem Test-Mjölnir erforderte einige Geduld und ein mangels brauchbarer Anleitung umständliches Firmware-Update sowie mehrfaches Ein- und Ausstöpseln des Senders. Als der Mjölnir am Ende „connected“ anzeigt, ist meine Freude groß, und ich kann erstmals übers MacBook mit dem Audirvana drahtlos hochauflösende Musik hören. Für Qualitätsfanatiker, die sich einen Mjölnir gegönnt haben und Mut zum Drahtlosmusikgenuss aufbringen, führt kein Weg an LTTP vorbei.

Klangmacht aus Valaskjalf
Wenn schon nach Thors Hammer benannt, dann wollen wir uns doch den Mjölnir als Aufspieler im Götterpalast Valaskjalf vorstellen – und davon ausgehen, dass die Götter Michael Jacksons Thriller auch lieben. Ich jedenfalls lade die liederliche „Billy Jean“ in 24 Bit/176 kHz, schließe meinen Fostex T50RP Mk4 sowie den Dan Clark Stealth – eine freundliche Leihgabe von audioNEXT – an und folge mit wachen Ohren der legendären Basslinie und Jackos Vocal-Moves.
Egal über welchen der beiden Hörer: Die Musik klingt so opulent und groß, dabei ausgesprochen detailverliebt, dass ich ernsthaft an der Güte meiner Referenzkombi, bestehend aus Mutec MC3+USB, Mytek Stereo192-DSD DAC und Violectric HPA V281, zweifle. Mein Pioneer XDP-300R ist schon in der Vorrunde ausgeschieden. Der macht gegen den klangmächtigen Chinesen, der tatsächlich wie versprochen mit den unterschiedlichsten Kopfhörern klarkommt, keinen Stich. Ich will es noch genauer wissen und höre mir das Opus „Tanz und Tod“ der deutschen Prog-Legende Anyone’s Daughter an. Einmal ist meine Referenz via AES/EBU mit dem Mjölnir verbunden, zum Zweiten spielt er autark als Audiointerface auf.
Nach langem Vergleichshören ziehe ich das Fazit: Der Mjölnir hat Anyone’s Daughters drauf. Das lange Klaviersolo klingt in meinem Hörraum, als stünde Mathias Ulmers Flügel mittendrin. Das hat beinahe monumentale Größe, ist vielleicht nicht völlig neutral, klingt gleichwohl wie eine akustische Göttergabe. Weswegen ich mich für den Rest der Woche mit dem Mjölnir in den Valaskjalf versetze und seinen überirdischen Hammerschlägen lausche.
Info
All-In-One Portable Audio System Lotoo Mjölnir
Konzept: tragbarer Digital Audio Player/DAC/Vorverstärker
Eingänge: 1 x AES/EBU ,1 x koaxial S/PDIF, 1 x optisch S/PDIF, 1 x USB Audio, 1 x USB Storage
Ausgänge Kopfhörer: 2 x unsymmetrisch Klinke (3,3/6,3 mm), 2 x symmetrisch (4,4-mm-Pentaconn/XLR 4-Pin)
Ausgänge analog: symmetrisch XLR, unsymmetrisch RCA
Ausgänge digital: 1 x AES/EBU, 1 x koaxial S/PDIF, 1 x optisch S/PDIF
Drahtlos: Bluetooth, LTTP (Lotoo Tele-Transportprotokoll)
Maximale Auflösung: 32 Bit/768 kHz (PCM), DSD256
Formate: alle gängigen, einschließlich DSD512, MQA-Decoder
Streaming: AirPlay, Bluetooth, Roon, DLNA/UPnP, USB-Medien
Hauptspeichermedium: wechselbare SD-Karten (bis 2 TB)
Stromversorgung: eingebaute 94-Wh-Li-Ionen-Batterie, Netzbetrieb via USB-C-Netzteil
Besonderheiten: proprietäres Betriebssystem, extrem hochauflösendes eigenes LTTP-Drahtlos-Übertragungsprotokoll mit optionalem TTP-Sender (verschiedene Anschlussstecker)
Lieferumfang: Ledertragetasche, Kurzanleitung, USB-C-Kabel, USB-C-Netzteil vom Vertrieb audioNEXT
Ausführung: Aluminium
Maße(B/H/T): 18/18/6 mm
Gewicht: 2,7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 7800 €
Kontakt
audioNEXT
Isenbergstraße 20
45130 Essen
Telefon +49 201 5073950
info@audiodomain.de
Mitspieler
USB-Interface und D/A-Wandler: Mutec MC3+USB, Mytek Digital Stereo192-DSD DAC, Violectric V800
DAP: Pioneer XDP-300R
Kopfhörerverstärker und Kopfhörer: Violectric V280, Fostex T50RP, Dan Clark Audio Stealth
Musikserver: Audiodata MusikServer II
Rechner: MacBook Pro 16 und MacBook Pro 13 mit M1, jeweils mit Audirvana-Softwareplayer
Aktivlautsprecher: Geithain RL 906
Kabel: Vovox, AudioQuest, Klotz





