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Kyoto Concert Hall

Kyoto Concert Hall

Hörsäle der Welt

Kyoto Concert Hall

Der Profi-Musiker Stefan Gawlick ist weltweit unterwegs und kennt fast jeden großen Konzertsaal. In dieser Serie berichtet er über Akustik und andere Eigenarten berühmter Häuser – im Auditorium und auf der Bühne.

Kyoto ist eine Stadt, die man erwandern kann und sollte. Verlässt man die großen, lauten und wuseligen Hauptstraßen und überlässt sich stattdessen eher dem wunderbar charmant gewachsenen Geflecht aus alten Gassen dazwischen, kann man Dinge erleben. Stille Tempel, die den Lärm der Großstadt auf magische Weise ausschließen, aus der Zeit gefallene Handwerksbetriebe, beste und tatsächlich unglaublich günstige Restaurants (wer sich zum Essen dennoch in den Nishikin Market stürzt, ist selbst schuld) und auch einige kleine Bars und Cafés, in denen eine ziemlich gute Musikauswahl immer wieder auch analog abgespielt wird. Wenn man also die ausgetretenen Pfade ignoriert, touristische Terminpläne in den Müll wirft und sich der Stadt einmal überlässt, ist Kyoto schlicht großartig.

Wenn man dann immer weiter, vorzugsweise nach Norden wandert, gelangt man mitten in einer ruhigen Wohngegend am nördlichen Stadtrand zur Kyoto Concert Hall, dem 1995 gebauten und dennoch verblüffend frisch aussehenden Kulturcenter mit zwei Sälen, nebenbei Sitz des Kyoto Symphony Orchestra. Der große Saal ist ein klassischer Schuhkarton, in dem immerhin 1833 Zuschauer auf äußerst bequemen Fauteuils Platz finden.

Kyoto Concert Hall

Für uns Musiker zeigt sich der Saal von einer erfreulichen Seite – auf einer langen Tournee dankt man für jede kleine Annehmlichkeit. Und derer gibt es hier viele: Vom Künstlereingang sind es nur wenige Schritte zur Hinterbühne, die Garderoben sind nah und geräumig, die Teeauswahl ist erstklassig. Derart positiv eingestimmt könnte auch eine schlechte Bühne erträglich werden, hier allerdings geht die Freude weiter. Ein großes Plus dieses Saales ist das helle und blendfreie Licht. Sie ahnen nicht, wie oft man die Noten aufgrund mangelhafter Beleuchtung nur schwer lesen oder den Dirigenten wegen eines blendenden Scheinwerfers nicht erkennen kann. Hier aber ist alles fein. Genauso präsentiert sich die schwere Technik der fahrbaren Bühnenelemente. Sämtliche Segmente lassen sich leise und zügig in jede gewünschte Höhe fahren, dort angekommen stehen sie wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Auch das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Ich habe schon große Bühnen erlebt, auf denen die neben mir sitzenden Blechbläser die Mundstücke kaum in Position halten konnten, wenn ich bei einer Brucknersinfonie zu bewegungsintensiv wirbeln musste.

Die Akustik ist wie in vielen Sälen in Japan erstklassig, wunderbar durchhörbar bis in die letzte Reihe und gleichzeitig ohne die letzte Skalpellpräzision, die einem oft genug das Vergnügen trüben kann. Auf der Bühne indes gibt es deutlich mehr Direktheit, man hört sich selbst vielleicht etwas zu laut, allerdings immer noch in guter Mischung mit den Kollegen. Das Feedback aus dem Saal ist wie immer bei solchen Designs spät und gründlich.

Und wie schon beim Weg zum Saal: Der Orchesterbus darf gerne die Kollegen transportieren. Ich habe da auf dem Weg noch einen Okonomiyaki-Laden und eine Bar mit erstklassiger Burgunderauswahl gesehen. Der Weg ist das Ziel.

www.kyotoconcerthall.org

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.