Aqua und die “Ladder to heaven”
Haben Bits Gefühle? Hört man Musik aus dem Top-Wandler von Aqua (Acoustic Quality), möchte man glatt darauf schwören.
Fotografie: Hersteller
Das Jahr 2010 war nicht nur für Aqua der perfekte Moment, um eine Manufaktur für aufwendige D/A-Wandler in Multibit-Technik zu gründen. Oder etwa nicht? Vier Jahre zuvor wurde Spotify gegründet. Vier Jahre später legte Tidal die Qualitäts-Messlatte in auch für Audiophile ernstzunehmende Höhen. Multibit-Wandler, ebenfalls bekannt unter den Begriffen R2R- oder Ladder-DAC, machten zunehmend Furore, das Verfahren galt vielen als dem Delta-Sigma- bzw. 1-Bit-Prinzip klanglich überlegen. Cristian Anelli hatte also genau den richtigen Riecher, als er in Mailand das Unternehmen Acoustic Quality, kurz Aqua, startete.
Neun Jahre später listet die Aqua-Homepage vier Produkte auf: ein CD-Laufwerk und drei DACs. Die technischen Merkmale aller Geräte sind eindrucksvoll, als Erstes fallen aber zwei Dinge auf: der zurückhaltende optische Auftritt und die dem Werterhalt verpflichtete Update-Politik. DACs haben die Obsoleszenz quasi eingebaut, weshalb Aquas Update-Optionen für Software und Hardware großen Applaus verdienen. Gleichzeitig versprechen die schlichten nextelgrauen Alublechgehäuse mit keinen Millimeter zu dicken Aluminiumfronten maximale Konzentration aller Entwicklungsmittel auf den klangrelevanten Inhalt.
Ein R, zwei R … R2R und Ladder
Multibit also. Beziehungsweise R2R oder Ladder. Alle diese Begriffe beschreiben dasselbe Grundprinzip. Das Digitalsignal wird in ein Netzwerk von Widerständen eingespeist, dessen Topologie, mit etwas gutem Willen betrachtet, einer Leiter (englisch: ladder) ähnelt. Jedes Bit steuert über die individuelle Ansprache zweier Widerstandswerte – ein einfacher („R“) und ein doppelter („2R“) – seinen Teil zur Bildung einer analogen Signalspannung bei.
Die Eleganz eines solchen Wandlers besteht im prinzipiell simplen Aufbau und der einfachen Skalierbarkeit. Ein R2R-Netzwerk kann zwar in einem Chip stecken, es lässt sich aber genauso gut aus Einzelwiderständen zusammenlöten. Durch schlichte Anpassung der „Leiterlänge“ sind 24 oder sogar 32 Bit Auflösung kein Problem. R2R-DACs ohne Oversampling und nachgeschaltete Digitalfilter wird außerdem eine besondere Musikalität nachgesagt, da dort, anders als bei Delta-Sigma-DACs, keine Filteralgorithmen ihre unvermeidbaren akustischen Spuren hinterlassen. Heißt es. Ein meiner Meinung nach allzu pauschales Urteil, da es den Anteil der komplexen digital-analogen Peripherie am Gesamtergebnis unterschlägt.
Der derzeitige Top-DAC von Aqua hört auf den Namen „Formula xHD“. Dass die hauseigene Aufrüst-Politik funktioniert, beweist das Kürzel „xHD“, das ein 2017 erfolgtes Update des Wandlers signalisiert. Es ermöglicht nun das Abspielen von PCM-Dateien bis 768 kHz Samplingfrequenz und des DSD-Formats DSD256 (Quad DSD). Neben dem dafür nötigen Platinentausch umfasst das Update auch neue Firmware für den Steuerchip des R2R-Widerstandsnetzwerks, die eine Klangverbesserung mit sich bringen soll.
Geheimzutat “Optologic”
Der Formula xHD trägt einen weiteren Beinamen: „Optologic DAC“. Das schöne Kunstwort „Optologic“ bezeichnet eine hauseigene Interpretation der Ladder-DAC-Technik, die mit dem Topmodell Formula eingeführt wurde und mittlerweile auch als Upgrade für den darunter positionierten Wandler La Scala zur Verfügung steht. Im Formula stecken vier Bänke mit Widerständen für 24 Bit Auflösung (pro Bank).
Die Steuerung erfolgt durch eigens programmierte Software, die in einem FPGA-Chip abgelegt ist. Aquas Kniff bei der Realisierung des Ganzen liegt in der galvanischen Trennung von FPGA mitsamt der ganzen digitalen Peripherie, inklusive taktgebendem Quartz, und den als schon der analogen Welt zugehörig verstandenen Widerständen. Auf die Weise soll die elektrische Masse frei von jeglichen Störungen gehalten und eine perfekte Symmetrie der Wandlersektion erreicht werden. Das Ziel lautet: bestmögliche Klangfarbentreue und Natürlichkeit. Selbstverständlich sind die Netzteile für den digitalen und den analogen Part getrennt und wurde bei der Wahl der Bauteile auf klangliche Qualität ebenso geachtet wie auf langfristige Stabilität und Zuverlässigkeit. Der Signalweg ist direktgekoppelt und frei von Kondensatoren.
Gute Konnektivität
Der Aqua Formula xHD bietet Ein- und Ausgänge nach sämtlichen gängigen Standards. Eine Besonderheit ist ein digitaler Eingang ausschließlich für den Anschluss des hauseigenen CD-Laufwerks La Diva. Diese „AQlink PRO“ getaufte Schnittstelle kommuniziert per I2S-Protokoll, unbestritten der direkteste und am wenigsten mit Jitter belastete Weg für das digitale Musiksignal. Daneben kann einer der sechs vorhandenen Digitaleingänge nach Kundenwunsch bestückt werden, etwa mit einer optischen Schnittstelle, die unter den serienmäßig vorhandenen Inputs nicht zu finden ist.
In Sachen Ausstattung und Bedienung bietet der italienische Nobel-DAC – nun ja, mehr als nichts. Der Phasenumschalter ist definitiv nützlich, der Mute-Knopf nett, sofern keiner am Verstärker vorhanden ist (was eigentlich sein sollte). Acht dezent glimmende LEDs signalisieren die empfangbaren PCM-Samplefrequenzen von 44,1 bis 384 kH, was bei Eintreffen von 768 kHz passiert, konnte ich nicht prüfen. Die Eingänge werden mit hochwertigen Kippschaltern angewählt und könnten gerne mit Klartext beschriftet sein – die vorhandenen römischen Ziffern sehen vor allem schick aus. Eine Fernbedienung ist optional erhältlich.
Analoger Charakter
Was kann man von einem D/A-Wandlers dieses Kalibers erwarten? Was muss er liefern, um seinen beträchtlichen Preis zu rechtfertigen? Aqua verfolgt die Vision eines „analogen Klangs“. Konkreter: Eine Klangqualität ohne Kompressionseffekte ist das Ziel, vergleichbar mit der von Studio-Tonbandgeräten.
Der Moment, an dem mich der Formula xHD dann „hatte“, war tatsächlich ein sehr analoger, sprich: den Emotionen während eines Livekonzerts ähnelnder.
Ich hörte die aus Livemitschnitten zusammengestellte CD Eine Nacht in Berlin von Max Raabe und dem Palastorchester. Sänger und Ensemble sind hier eins, sie atmen gemeinsam und schütteln die Pointen lässig aus den Frackärmeln. Ich liebe diese Platte selbst über das Tivoli-Tischradio. Aber der Formula-DAC macht hier eine neue Dimension zugänglich: das kaum wahrnehmbare, aber eben wegen dieser Subtilität ungeheuer packende Crescendo der Musiker hin zu einem wichtigen Wort, einer die Stimmung verändernden Harmonie. Man kann es kaum beschreiben, aber da ist plötzlich eine nie geahnte Spannung in der Luft, eine Sehnsucht in Max Raabes Stimme, die direkt ans Herz geht. Und der Aqua-Wandler hat’s aus den 16 CD-Bit herausdestilliert. Umwerfend.
Ganzheitlicher Charakter
Der Formula xHD geht ungemein ganzheitlich zu Werke. Die Frequenzbänder abzuklappern, um für jedes einzeln ein Gütesiegel auszustellen, erscheint da regelrecht respektlos. Das technische Pflichtenheft für Dynamik, Bassgewalt und Detailflut hakt er mit einem Schulterzucken ab. Lieber lenkt er immer wieder die Aufmerksamkeit auf Dinge wie die Plastizität und Präsenz einer Gesangsstimme oder die vollkommenste akustische Nachbildung der Szene „eine Spur zu hart intonierter Konzertflügel im nicht vollkommen von der Außenwelt isolierten Aufnahmeraum“, die man sich vorstellen kann – IMAX 3D für die Ohren.
Die betörende Natürlichkeit ist sicher das, was am nachhaltigsten in meinem akustischen Langzeitgedächtnis resonieren wird, lange nachdem das Testgerät meinen Hörraum verlassen hat. So hat mich der Aqua Formula xHD viel gelehrt. Und diese Erfahrung wird Folgen haben. Im Hause Acoustic Quality gibt es ja auch erschwinglichere Erzeugnisse. Ich will das Masterbandgefühl zurück!
Info
Aqua Acoustic Quality Formula xHD DAC
Funktionsprinzip: vollsymmetrischer, modular aufgebauter D/A-Wandler nach R2R-Prinzip
Eingänge digital: RJ45 AQlink (I2S), BNC (S/PDIF) 75 Ω, RCA (S/PDIF) 75 Ω, AES/EBU symmetrisch 110 Ω, USB
Eingänge digital optional: RCA coax (S/PDIF) 75 Ω, AES/EBU symmetrisch 110 Ω, ST optisch, Toslink optisch
Ausgänge analog: 1 x Line-Out (XLR), 1 x Line-Out (Cinch)
Digitalformate: PCM 44,1 kHz bis 768 kHz, max. 24 bit, DSD64, DSD256
Besonderheiten: modularer Aufbau für Update-Fähigkeit, ein Digitaleingang frei bestückbar, optionale IR-Fernbedienung
Ausführung: Aluminium silber gebürstet, Gehäuse Nextel grau
Abmessungen (B/H/T): 45/10/37 cm
Gewicht: 9 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: 13 670 €
Kontakt
Audio Offensive
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