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Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300

Blue Amp model blue MK III mit Netzteil model ps 300

Die lustvolle Erkundung der Langsamkeit

Blue Amp model blue MK III mit Netzteil model ps 300 – Die lustvolle Erkundung der Langsamkeit

Für meine analoge Zukunft sehe ich seit kurzem blau. Weil das „model blue“ MK III der deutschen Manufaktur Blue Amp einer der besten Phonoverstärker ist, die jemals den Weg in meine heimische Anlage gefunden haben. Und weil sich damit der Genussfaktor beim Schallplattenhören für mich deutlich erhöht hat.

Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300

In aller Kürze

Der Blue Amp model blue MK III ist eine Innovation in einer Kategorie, in der man keine Innovationen mehr erwartet: Symmetrischer Aufbau und Anschlüsse sorgen für grandiosen Klang.

Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300 Navigator


An sich hatte man geglaubt, dass das Thema „stereofone Schallplattenwiedergabe“ auserzählt ist. Nach rund 70 Jahren – Anfang der 1950er Jahre wurden die ersten Stereo-LPs veröffentlicht, obwohl schon lange vor dem zweiten Weltkrieg die ersten Stereoaufnahmen entstanden waren – gibt es zwar ab und an noch eher kleine Fortschritte bei Tonabnehmern und Tonarmen, auch die Laufwerke selbst wurden über die Jahre unter anderem mit modernen Lagertechnologien behutsam verbessert. Aber der große Durchbruch, er blieb aus.

Und jetzt kommt Rolf Becker mit seiner Verstärkerschmiede „Blue Amp“ ums Eck, bezeichnet sich selbst als „Enfant terrible“ der High-End-Szene und sorgt dafür, dass selbst bei gestandenen Profis die Kinnladen herunterklappen.

„Gesoundete“ Geräte tauchen im Testalltag einer HiFi-Zeitschrift immer mal wieder auf. Kisten, nach allen Regeln der Kunst auf „spektakulären“ Klang getrimmt, mit einem meistens überaus kurzlebigen „Wow-Effekt“. Nach einiger Zeit erkennt der Hörsinn die Lüge, die überbetonten Bereiche des Frequenzgangs, und signalisiert dem Großhirn, genervt zu sein.

Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300
Wie Sie sehen, sehen Sie nix. Bedienelemente sind – abgesehen vom Powerschalter des Netzteils PS 300 – keine vorhanden. Die wählbaren Verstärkungsfaktoren (44/64 dB) und Abschlusswiderstände (100/500 Ω, 1/47 kΩ) werden im Gehäuseinneren eingestellt.

Solche Nebenwirkungen sind dem model blue MK III völlig fremd. Stattdessen ertappt man sich dabei, dass man Plattenseiten ganz ohne Testanspruch durchhört, die Scheibe mit seligem Lächeln umdreht und nach Seite zwei auf die Suche nach der nächsten zur aktuellen Stimmung passenden Vinylscheibe geht. Bei dem supersolide gefertigten kleinen Phonoverstärker mit handschmeichlerisch abgerundeten Gehäuseecken, Aufstellflächen schonenden Filzfüßen und hochwertigen Buchsen finden sich auch nach intensiver Suche keine klanglichen Pferdefüße.

Einen Hinweis auf das Warum gibt das Anschlussfeld auf der Rückwand: Denn hier dominieren ganz eindeutig symmetrische Verbinder. Dass Stereo-Tonabnehmer per se symmetrisch aufgebaut sind, aber asymmetrische (Cinch-)Verbindungen in der Phonowelt immer noch die Regel und nicht die Ausnahme darstellen, zählt zu den Mysterien der High-End-Geschichte. Die Diskrepanz aufzulösen zählt zu Rolf Beckers Primärzielen.

Einen Etappensieg hat der sympathische Entwickler inzwischen errungen: Heinz Lichtenegger, niederösterreichischer Chef des Plattenspieler- und Elektronikproduzenten Pro-Ject Audio und mit seinen Erzeugnissen wie Rolf Becker im Vertrieb bei Audio Trade (ATR), hat symmetrische Anschlüsse bei Plattenspielern zum neuen (Industrie-)Standard erklärt, erste derartige Geräte sind schon im Handel.

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Auch anschlussseitig ist das Blue Amp-Duo puristisch bestückt. Hinein geht’s symmetrisch, hinaus gelangen Signale über vergoldete Cinch-Klemmen. Die Verbindung zum Doppel-Netzteil (das versorgt beide Kanäle getrennt) wird über ein Fünfpol-Kabel hergestellt.

Der symmetrische Aufbau, sorgsam angelegt, eliminiert unter anderem das Brummen als eines der zentralen Probleme der Schallplattenwiedergabe. In Rolf Beckers Augen ist die Rolle des Phonoverstärkers hinsichtlich der Klangqualität deutlich stärker als Einflussfaktor einzubeziehen als Laufwerk oder Tonarm. Deshalb führt Becker seine Verstärkerkreationen bewusst mit Laufwerken vor, die gut, aber eigentlich nicht wirklich highendig sind, beispielsweise mit dem Thorens TD 147 oder dem Dual 1218.

Auch das Zusammenspiel zwischen Tonabnehmer und Phonoverstärker werde überschätzt, meint Rolf Becker bewusst provokant. Im Test spielte das model blue MK III tatsächlich absolut problemlos mit völlig unterschiedlich konzipierten MC-Konstruktionen zusammen, vom Denon DL-103 bis zum Clearaudio Jubilee, und gefiel ungeachtet des „Frontends“ mit Stabilität, fein detaillierter Durchzeichnung, einer soliden Körperlichkeit und einem sehr stimmig gestaffelten Raumeindruck.

Dabei fällt auf, dass das kleine Gerät auch in den Randbereichen des Frequenzgangs keine Buckel, keine bewussten Überbetonungen aufweist, wie sie manchmal eingesetzt werden, um den Klang einer Komponente „anspringender“ oder einfach präsenter zu gestalten. Der Blue Amp model blue MK III punktet durch unbedingte, fast Tonstudio-gemäße Neutralität, ohne langweilig zu wirken. Was möglicherweise an der Klarheit der Wiedergabe liegen könnte, verbunden mit Leuchtkraft, sofern die „Software“, also die Aufnahme, dies hergibt.

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Für den Anschluss normaler Tonarmstrippen liegen Adapter in der Verpackung. Der Hersteller weist allerdings darauf hin, dass man die aufgrund ihrer speziellen Beschaltung nicht für andere symmetrische Eingänge verwenden sollte.

Rolf Becker legt viel Wert darauf, Störeinflüsse jeglicher Art zu minimieren: „Das Abtastgeräusch konnte mit unserem model blue MK III um 30 bis 40 Prozent gesenkt werden“, erklärt der Entwickler die Auswirkungen seines Ansatzes. Zu Beckers „Zaubertricks“ zählt, dass er – die Symmetrie des Aufbaus macht es möglich – die Verkabelung verdrillt und so deren Kapazität senkt. Die Abschirmung wird an dieser Stelle überflüssig. „Dann sind auch zehn Meter Distanz zwischen Quelle und Verstärker kein Problem mehr“, meint Becker, der diese These erfolgreich schon in der Praxis erprobte.

Ein symmetrischer Aufbau ermöglicht eine praktisch masselose Signalführung. Zumindest in der Theorie. In der Praxis gibt es Tonabnehmer, bei denen Becker eine kleine Massebrücke „killen“ musste, ehe sie so frei und störgeräuscharm wie gewünscht spielten. Primär sind Blue-Amp-Phonoverstärker für MC-Systeme designt, wie Becker betont. Man könne sie aber eben auch mit Moving-Magnet-Systemen nutzen. Besagte Massebrücke ist bei MMs Teil der Abschirmung – und wird bei symmetrischem Betrieb ungewollt zur Antenne, „mit der man sich eine Menge Schmutz einfangen kann“, so Becker. „Aber Vorsicht: Damit verspielt man natürlich die Werksgarantie“, ergänzt er.

Wohl wissend, dass „die analoge Welt da draußen“ aktuell noch überwiegend von Asymmetrie geprägt ist, legt Rolf Becker seinen Phonoverstärkern sauber und hochwertig gemachte Adapterstecker bei, die den Übergang von XLR auf Cinch mit möglichst geringen Übergangsverlusten ermöglichen. Auch ein Kabel mit SME- und XLR-Steckern lag dem Testgerät bei. Solche eigens abgestimmten Verbinder seien Kabeln „von der Stange“ grundsätzlich vorzuziehen, weil man gerade bei Phono die elektrischen Verhältnisse stets im Blick behalten müsse, betont Becker.

Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300
… und natürlich kann der Blue Amp auch ohne das optionale Netzteil ps 300 mit einem einfacheren Netzteil betrieben werden.

In dem Zusatz-Netzteil, das Becker dem Blue-Amp-Päckchen beigelegt hat, ruht ein kleiner Ringkerntrafo – nach Beckers Worten einer Trafo-Konstruktion mit Schnittbandkern „immer vorzuziehen“. Das Netzteil namens „model ps 300“ verdoppelt den Preis des Phonoverstärkers auf 6400 Euro, bringt ihn klanglich aber klar nach vorne: „Um den Unterschied wahrzunehmen, muss man nur auf die Raumabbildung achten, die noch einmal deutlich größer und freier gerät“, sagt Becker.

Keine blumigen Werbeaussagen, sondern banale Feststellung von Tatsachen, die das FIDELITY-Team nach ausgedehnten Hörtests bestätigen kann. Der Blue Amp model blue MK III lässt sich auch von dem hochfrequenten HF-Schmutz, der in Großstädten zur täglichen Qual des Genusshörers zählt, erfreulich wenig beeinflussen. Gegen Trittschall und andere Mikrofonie sind die kleinen Aluminiumschachteln ebenfalls völlig unempfindlich. Angeschlossen wird das Netzteil model ps 300 übrigens per Vielpol-DIN-Verbindung, gesichert mit einer Überwurf-Schraubmutter, damit der saubere Kontakt immer gewährleistet ist. Prädikat: bombenfest.

Bildergalerie
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Wie sich der Blue Amp model blue MK III im Alltag schlägt? So gut, dass mir der Abschied nach beendetem Test schwerfallen wird. So manche schwarze Scheibe, etwa den Soundtrack zu Mistral’s Daughter von Vladimir Cosma oder Dimitri Sokolovs Salzburg Recital (Deutsche Grammophon), hört man, als läge sie zum ersten Mal auf dem Plattenteller: mit zuvor nicht so gekannter Durchhörbarkeit, Plastizität, Farbigkeit und Feuer. Und das alles mit so viel Selbstverständlichkeit und locker-entspannter Souveränität, dass das Plattenhören niemals nervig wird – weil es keine Schwächen, keine Abbildungsfehler, keine Frequenzgang-Schmutzeleien gibt.

Blue Amp model Blue MK III mit Netzteil model ps 300
Einfach schlicht und einfach schön.

Nur den von Rolf Becker apostrophierten Langzeiteffekt werde ich wohl in einem normalen Testzyklus nicht nachvollziehen können: Beeinflusst doch das Musikhören laut Becker in erster Linie die rechte Gehirnhälfte. Und um die mit dem Blue Amp model blue MK III gleichsam zu „formatieren“, braucht es nach den Erfahrungen des innovativen HiFi-Ingenieurs vom Niederrhein drei bis vier Monate. Zum Vergnügen gehört auch die lustvolle Erkundung der Langsamkeit.

Info

Phonovorverstärker Blue Amp model blue MK III mit Netzteil model ps 300
Konzept: symmetrischer Phonovorverstärker für MC-, Moving Iron- und MM-Systeme; Verstärkung, Abschlusswiderstand und Abschlusskapazität einstellbar
Eingang: symmetrisch
Ausgang: unsymmetrisch (RCA-/Cinch-Buchsen)
Stromversorgung: extern, quasi Doppel-Mono-Stromversorgung
Besonderheit: vollsymmetrische Schaltung, die ohne Massebezug auskommt
Verstärkung: 44 und 64 dB
Abschlusswiderstände: 100, 500, 1000 Ω und 47 kΩ
Ausführung: Aluminium
Maße (B/H/T): 15/6/22 cm (model blue MK III und ps 300 haben identische Gehäuse)
Gewicht: 1,8 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: je 3200 €

Kontakt

Audio Trade Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
Telefon +49 208 882660

info@audiotra.de

www.audiotra.de

www.blueamp.de

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.