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Burmester 216 Stereo-Endstufe

Burmester 216

Alles ist Musik

Burmester 216

Ingenieurskunst, Mathematik und Werkstoffkunde sind für die meisten Zeitgenossen wenig vergnüglich. Der Burmester 216 zeigt jedoch, wie man mit Naturwissenschaft Musik zum Schweben bringt.

Burmester 216 Stereo-Endstufe

In aller Kürze:
Besser wird’s nicht: Der Burmester 216 musiziert raumgreifend und luftig – er ist eher ein Musikprojektor als ein bloßer Stereo-Endverstärker.

Burmester 216 Stereo-Endstufe


Es fällt mir nicht leicht, es zuzugeben, doch traute ich mich eine Weile lang kaum ins eigene Wohnzimmer. Plötzlich war da diese glänzende Skulptur, die ein wenig so aussah, als hätte jemand die BND-Zentrale im Klötzchen-Game „Minecraft“ nachgebaut und sich dabei von dorischer Säulenarchitektur inspirieren lassen. Was sich hinter der noblen Fassade befindet? Das kann nur vermutet werden, aber es müssen unendlich rohe Gewalten sein.

Nach einer Weile legte sich das mulmige Gefühl. Es verschwand schneller als der Muskelkater vom Auspacken und Platzieren von Burmesters Stereo-Kraftwerk 216. Man zieht die beiliegenden Handschuhe aus, verstaut die ebenfalls beiliegende Politur zur späteren Verwendung, bestaunt das Netzkabel (das kein Kabel ist, sondern ein veritabler Schlauch mit einer kleinen Markierung für Phase und Nullleiter der Steckdose) – und nimmt den Koloss in Augenschein: Das Chrom blendet ein wenig, aber viel zu sehen gibt es an der Vorderseite ohnehin nicht. Ein kleiner Taster, eine rote beziehungsweise grüne LED, ein gut versteckter Infrarotsensor für eine optionale Fernbedienung. Der Rest ist eine schraubenlose Immobilie mit 35 Kilogramm Gewicht. Und dabei stammt der 216 „nur“ aus der Top Line für den mittelgroßen Bedarf und Anspruch. Mit dem 218 bietet die Berliner High-End-Manufaktur noch einen zweiten von Grund auf neu entwickelten Stereo-Endverstärker an, der in der größer dimensionierten Reference Line positioniert ist. Der wiegt noch etwas mehr und hat noch mehr Power – womit sich dann vermutlich der Ballsaal im Westflügel eines Schlosses hochqualitativ beschallen ließe. Was Schallwandler anbetrifft, so ist aber auch der 216 nicht wählerisch: Er nimmt es mit beliebigen Impedanzen und Lasten auf.

Burmester 216 Stereo-Endstufe
Noch beim Aufstellen im Hörraum hielten wir die Fläche an der Front für ein Display. Aber keine Sorge: Es gibt weder Menüs noch verborgene Schalter, Taster oder Funktionen. Hinein geht’s in die 216 via symmetrischen XLR, hinaus über ein Paar robuster LS-Klemmen. That’s it, gentlemen!

Pate für die Neuentwicklung beider im Aufbau ähnlicher Verstärker stand das legendäre Modell 159 – vor allem, was das markante Design und die bis ins Detail vollendete Verarbeitung betrifft. Doch im direkten Vergleich zur 159 wirkt der 216 geradezu kompakt. Rückseitig gibt es wenig Auffälligkeiten. Was braucht ein Endverstärker schon mehr als eine Netzbuchse nebst Schalter (in diesem Fall ein rechteckiger C20), symmetrische Eingänge für links und rechts sowie Anschlüsse für ein paar Schallwandler? Für die Besitzer einer Burmester-Kette ist der „BurLink“-Anschluss zur externen Steuerung sinnvoll, wer den Betriebszustand anderweitig ändern möchte, kann dies über die Remote-Buchsen vornehmen. Der 216 erlaubt den Monobetrieb und Bi-Amping – wofür man sich logischerweise gleich zwei dieser Komponenten anschaffen müsste.

Das Innenleben folgt den für Burmester typischen Maximen. So ist der 216 vollständig symmetrisch aufgebaut und DC-gekoppelt. Die Schutzschaltung befindet sich außerhalb des Signalwegs und wurde weiter verfeinert. Die Eingangsstufen folgen der bewährten „X-Amp“-Technik. Sie verfügen über einen hohen Dämpfungsfaktor über den gesamten Frequenzbereich und haben einen sehr weiten, verzerrungsfreien Class-A-Bereich. Von übermäßiger Wärmeentwicklung kann jedoch keine Rede sein, die Wärme wird unmerklich über die zahlreichen Kühlrippen abgeleitet. Die Signalverarbeitung erreicht das Eingangssignal unverfälscht über Silberkabel, auch wird das Signal unbeeinflusst wieder herausgeleitet – denn so soll es bei einem Verstärker ja schließlich sein.

Burmester 216 Stereo-Endstufe
Gutaussehend von oben, unten, vorn und hinten. Auch die Seiten können sich sehen lassen. In puncto Design macht Burmester keiner was vor. Und trotz aller Noblesse bewahrt sich die 216 mit ihren vielen vorstehenden Kühlrippen zugleich einen Hauch von Aggression, der hervorragend zu ihrer Kraft passt.

Bei Burmester kann man sich allerdings darauf verlassen, dass das auch wirklich so ist: Bauteile und Verkabelung sind von extrem hoher Qualität, die Toleranzen, die bei Burmester erlaubt sind, extrem niedrig. Jedes Gerät wird mit unendlicher Sorgfalt hergestellt – und zwar von Leuten, die ihr Handwerk verstehen. Sollte man das Privileg erhalten, die Manufaktur in Berlin-Schönefeld besuchen zu dürfen, kann man beobachten, wie dort nach „alter Väter Sitte“ geforscht und getüftelt wird. Bei Burmester gibt es keine industriellen Fertigungslinien, sondern einzelne Arbeitsstationen, an denen Menschen in mühevoller Detailarbeit gegen die Grenzen der Physik kämpfen. Und eben jene Akribie bekam ich auch vor der Leihstellung unseres Testgeräts mit: Vor der Anlieferung des Boliden meldete sich der Service telefonisch, um mir mitzuteilen, wie weit man mit dem Durchmessen und der weiteren Qualitätskontrolle „unseres“ 216ers fortgeschritten ist.

Burmester 216 Stereo-Endstufe
An, aus, rein, raus – wie gesagt: Burmesters 216 ist ein reinrassiger Purist, vollständig handmade in Berlin, wie uns die Bedruckung verrät. Darüber ein weiteres schönes Detail: Die Sicherungen liegen hinter einer gut zugänglichen Serviceklappe, die man mit einem flachen Gegenstand öffnen kann.

Derartige Fertigung und Betreuung hat natürlich ihren Preis. Allerdings bekommt man auch etwas, was man mit Geld im Grunde nicht bezahlen kann: Das Gefühl von Sorglosigkeit. Von der Verarbeitungsqualität kann man sich beim Ertasten der massiven Lautsprecherklemmen überzeugen, die Gabelschuhe und Bananenstecker unerbittlich fest im Griff halten. Auch muss man keine tiefere Expertise in der Metallverarbeitung haben, um zu spüren, dass wirklich jedes Spaltmaß perfekt ausgeführt wurde und die Gravur des Burmester-Logos exquisit perfekt sitzt. Die Messwerte? Werden schon sehr, sehr ordentlich sein. Man selbst muss im Grunde nur noch Musik hören. Und das ist nichts weniger als spektakulär. Schon nach wenigen Auslenkungen der Membranen kommt mir der Gedanke in den Sinn, dass mich das auffällige Design des 216 daran erinnern soll, dass mir die Musik nach wie vor elektrisch vermittelt wird. Ohne diesen optischen Stupser hätte ich das sofort vergessen. Sehr oft wird ja gelobt, dass sich die Musik von den Schallwandlern „ablöst“. Beim 216 sollte man eher sagen: Die ganze Welt um einen herum wird zu Musik.

Burmester 216 Stereo-Endstufe
Dieses Bild offenbart einen Blick ins Innere der 216. Ziemlich intelligent ist die (bei HiFi merkwürdigerweise sehr seltene) Verwendung von Heatpipes. Umlaufende Kupferrohre verteilen die Wärme gleichmäßig über die Aluminiumprofile der Kühlkörper. Unter der ausladenden Hauptplatine lassen sich die riesigen Siebelkos erahnen.

Und die ganze Welt ist für mich zunächst Music von Madonna. Natürlich klingt eine solche Produktion nicht wie im Konzertsaal. Sie klingt allerdings auch nicht dicht und kompakt wie im Studio, sondern tönt derart lebhaft und spritzig, dass sie mich geradezu anspringt. Jeder Impuls ist sofort da, die Stimmwiedergabe wirkt natürlich und unmittelbar, links, rechts, oben, unten – die Abbildung ist luftig und vollständig dreidimensional. Es erlischt umgehend das Bedürfnis, anspruchsvolle Aufnahmen mit komplexen sonischen Sachverhalten aus der Musiksammlung zu fischen, nur um den 216 mit irgendwelchen Aufgaben zu konfrontieren oder an mögliche Grenzen zu bringen. Stattdessen stellt sich bei mir die gesunde Lust ein, bei einem Glas Rotwein ordentlich Gas zu geben.

Aber ehe Sie nun denken, ich möchte Ihnen den 216 als grenzenlose Spaßmaschine auftischen: Bisweilen habe ich mich beim Musikhören auch geärgert. Beim Streamen via Qobuz oder Tidal macht man beispielsweise regelmäßig Bekanntschaft mit Remasterings, die sich vielleicht dreieinhalb Minuten eindrucksvoll anhören, dann aber schnell ermüden und einen mit dem schalen Gefühl einer nicht gerade authentischen Wiedergabe zurücklassen. Musik von 1969 sollte einfach nicht klingen wie die Foo Fighters. Dem Burmester gelingt hier aber ein interessanter Spagat: Es wurde ein enormer Aufwand getrieben, damit er unendlich neutral mit dem ihm anvertrauten Strom und pfleglich mit dem eingehenden Signal umgeht. Und das ist in Perfektion gelungen. Er reproduziert genau das, was in der Herstellungs- und Wiedergabekette vor ihm geschehen sein mag. Er gibt genaueste Auskunft darüber, wie die Aufnahme zu beurteilen ist, und zeigt die Quellen erbarmungslos in ihren Stärken und Schwächen. Und dennoch: Als ich Abbey Road von den Beatles streame, kann ich nicht aufhören, ehe der Schlusstrack „Her Majesty“ sein abruptes Ende genommen hat. Die Musikalität des herausragenden Kraftwerks zieht mich derart in die Aufnahme hinein, dass mich die plötzliche Stille nach dem 25-Sekunden-Song trifft, als hätte es gedonnert!

Burmester 216 Stereo-Endstufe

Es ist zweifellos ein emotionales Erlebnis, seine gute Stube mit dem Burmester 216 zu teilen. Ein Erlebnis, das in manchen Fällen vielleicht auch teurer ist als das gesamte Wohnzimmer: 24 000 Euro für einen Endverstärker, das muss man sich leisten können. Das „Sich-Leisten-Wollen“ hingegen kommt von ganz allein, wenn man den Boliden einmal erleben konnte. Dafür bekommt man aber nicht nur eine Komponente, die zu den besten ihrer Art gehört, sondern Musikerlebnisse, die man so schnell nicht wieder vergisst. Wohlgemerkt: Ich spreche dabei nicht von feinsten Nuancen, die der Burmester vielleicht besser herausarbeitet als andere. So etwas macht er gewissermaßen nebenbei. Entscheidender ist die gesamte Projektion, die Unmittelbarkeit, kurz: die Musik.

Burmester 216 Stereo-Endstufe

Info

Endverstärker Burmester 216

Konzept: Zweikanal-Endverstärker
Eingänge: XLR (symmetrisch), asymmetrisch über Adapter (optional)
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecher (Gabelklemmschuhe, Bananenstecker)
Leistung (8/4/2 Ω): 2 x 100/165/245 W
Besonderheiten: mono-brückbar, Bi-Amping-fähig
Ausführung: Chrom, silber
Maße (B/H/T): 50/19/48 cm
Gewicht: 35 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (5 Jahre nach Registrierung)
Preis: um 24 000 €

Kontakt

Burmester Audiosysteme

Wilhelm-Kabus-Straße 47
10829 Berlin
Telefon +49 307879 68 0
mail@burmester.de

www.burmester.de

Mitspieler

Quellen: Creek Evo 2, Lumin X1, Soulnote Z-3, Audio Note CD3.1x/II
Verstärker: Aavik I-880, TEAC AP-701
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW, Neat Momentum 4i, Bryston Mini A, Focal Alpha 80

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.