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Tech Talk: Flächenstrahler

FIDELITY Wissen: Flächenstrahler

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FIDELITY Wissen: Flächenstrahler

Dynamische Treiber dominieren, doch Flächenstrahler haben starke Argumente auf ihrer Seite. Flächenstrahler ist allerding nicht gleich Flächenstrahler. Was genau ist ein Bändchen? Was unterscheidet Magnetostaten von Elektrostaten? Und was können Flächenstrahler, was dynamische Treiber nicht können – und umgekehrt?

Tech Talk: Flächenstrahler

Genialität liegt bekanntlich oft in der Einfachheit. Bei einem dynamischen Lautsprecher versetzt ein Magnetsystem eine Schwingspule in Bewegung, die wiederum eine an sie angekoppelte Membran antreibt, wodurch die Luftdruckänderungen entstehen, die wir als Schall hören. Da kann man sich natürlich fragen, ob sich dasselbe nicht auch mit weniger Dominosteinen erreichen ließe – und in der Tat geht das, indem man etwa Schwingspule, Membran und mitunter auch die Aufhängung zu einer Einheit zusammenfasst.

Eine Form, drei Konzepte

Das erreicht man, indem man eine hauchfeine Membran zwischen zwei Gittern aufhängt, die ihre Bewegung kontrollieren – wobei es hier wiederum einige unterschiedliche Ansätze gibt.

Tech Talk: Flächenstrahler
Schematische Abbildung eines Magnetostaten in Gegentaktansteuerung: Zwischen den beiden Permanentmagnetgittern (Statoren) sitzt die Kunststoffmembran mit aufgeprägtem Signalleiter. Fließt Strom hindurch, entsteht in Wechselwirkung zu den Statorfeldern eine Lorentzkraft, die die Membran auslenkt und so das Signal in Schall umwandelt.

Der älteste davon ist das klassische Bändchen, das 1924 das Licht der Welt erblickte und damit ebenso alt ist wie der dynamische Treiber. Bei diesem Treibertyp besteht die Membran aus einer leitfähigen Folie, die zugleich die Funktion der Schwingspule übernimmt – wegen des exzellenten Verhältnisses von Leitfähigkeit zu Masse verwendet man hier in der Regel Aluminium. Das Bändchen befindet sich im Feld eines starken Permanentmagneten (dem Statorfeld) und wird vom Musiksignal durchflossen. Durch die Interaktion der beiden Felder entsteht eine Lorentzkraft, die die Membranbewegung bewirkt. Bändchentreiber sind in der Herstellung äußerst kostspielig, da sie für das Statorfeld sehr starke Magnete benötigen. Da die Folie einen extrem geringen Widerstand besitzt, ist zudem entweder ein spezieller Hochstromverstärker erforderlich oder aber ein Übertrager, der die Treiberimpedanz auf einen für normale Verstärker verträglichen Wert anhebt.

„Bändchen“-Hochtöner sind bei hochwertigen Lautsprechern häufig anzutreffen, allerdings handelt es sich dabei meist tatsächlich um Magnetostaten. Sie funktionieren grundsätzlich nach demselben Prinzip, allerdings besteht bei ihnen die Membran aus einem Kunststoff, auf den eine Leiterbahn großflächig mäanderförmig aufgebracht ist. Dadurch kann nicht nur die Masse nochmals geringer ausfallen; die dünne, lange Leiterbahn hat so einen wesentlich höheren Widerstand und lässt sich somit ohne Weiteres an gewöhnlichen Verstärkern betreiben. Der Einsatz einer Folie als Trägermaterial erlaubt zudem auch einen weiteren eleganten Konstruktionskniff: Da Kunststoff stets eine gewisse Elastizität besitzt, kann die Folie, starr montiert, als ihre eigene Aufhängung fungieren. Als einzige Flächenstrahler, die keine spezialisierten Verstärker oder Transformatoren benötigen, sind Magnetostaten die weitaus häufigste Bauform von Flachmembranen.

Tech Talk: Flächenstrahler
Bei unserem Firmenbesuch bei Piega in Horgen konnten wir zusehen, „wie die Wurst gemacht wird“. Hier lassen sich gut die „rohen“ Folienmembranen mit den mäanderförmigen Leitern erkennen.

Auf der Suche nach maximaler Reduktion bewegter Masse kommt man schließlich am Elektrostaten nicht vorbei. Statt einer Leiterbahn besitzt die Folienmembran hier nur eine schwach leitende Beschichtung und ist nicht zwischen Magnetgittern, sondern zwischen Gitterelektroden aufgehängt. Legt man nun an der statisch aufgeladenen Folie ein Musiksignal an, bewegt sich diese aufgrund elektrostatischer Anziehung. Elektrostaten arbeiten mit extrem hohen Spannungen, weshalb entweder ähnlich wie bei Bändchen ein Transformator benötigt wird oder aber ein spezieller Hochspannungsverstärker, der von sich aus den erforderlichen Spannungshub liefern kann.

Wieso Flächenstrahler?

Gegenüber dynamischen Treibern bringen Flachmembranen eine Reihe von Vorteilen mit sich: Da dynamische Lautsprecher durch die Schwingspule allein von der Membranmitte aus angetrieben werden, ist ihre Bewegung nur bei niedrigeren Frequenzen kolbenförmig. Zu größeren Frequenzen hin brechen sie zunehmend in Partialschwingungen auf, die sich wie dutzende kleiner Schallquellen mit ihren eigenen, vom Musiksignal unabhängigen Ideen und Vorstellungen verhalten. Eine Flachmembran dagegen wirkt entweder direkt wie ihre eigene Schwingspule (Bändchen, Elektrostat) oder ist nahezu vollständig mit Leiterbahnen versehen (Magnetostat), wodurch der Antrieb gleichmäßig über die gesamte schallabstrahlende Fläche erfolgt. Das schließt Partialschwingungen zwar nicht vollkommen aus, sorgt aber dafür, dass diese erst bei wesentlich höheren Frequenzen und in geringerem Maße auftreten.

Flächenstrahler besitzen bei gleicher Membranfläche zudem eine um ein Vielfaches geringere bewegte Masse als dynamische Treiber. Das bringt zum einen eine sehr geringe Trägheit mit sich, zum anderen eine sehr geringe Kapazität, mechanische Energie zu speichern und zeitversetzt unkontrolliert abzugeben. Tatsächlich sind die Membranen in Bezug auf ihre Fläche so leicht, dass die sie umgebende Luft wie eine dämpfende Flüssigkeit auf sie einwirkt und dadurch zu einem extrem schnellen Ausschwingverhalten – all das sind Eigenschaften, die dem Auflösungsvermögen nur guttun können.

Stax SR-007S
Elektrostatische Kopfhörer wie der Stax SR-007s sind in Sachen Auflösungsvermögen kaum zu übertreffen, lassen sich jedoch nur an spezialisierten Verstärkern betreiben.

Wieso nicht Flächenstrahler?

Dass Flachmembranen allen Vorzügen zum Trotz nicht den Markt dominieren, liegt daran, dass sie leider auch ein Köfferchen voller Nachteile mit sich bringen. Die meisten liegen in der Kombination aus einer im Verhältnis zur Membranfläche geringen Empfindlichkeit und gleichzeitig geringer maximaler Auslenkung begründet: Da die Stärke des Statorfeldes quadratisch proportional zu dessen Entfernung zur Membran abnimmt, müssen Stator und Folie für einen akzeptablen Wirkungsgrad nah beieinander liegen, was wiederum dem Hub mechanische Grenzen setzt.

Ein vernünftiger Wirkungsgrad verlangt dementsprechend nach Membranfläche, wodurch sich Flächenstrahler aber selbstredend vom Ideal der Punktschallquelle entfernen – das Ergebnis ist eine ausgeprägte Richtwirkung, die Flächenstrahler aufstellungsempfindlich macht und zu einem kleinen Sweetspot führt. Im Hochton lässt sich das elegant für die eigenen Zwecke nutzen, da man durch schmale, hohe Folien eine in die Breite ausgedehnte Abstrahlung bei gleichzeitiger Verringerung von Boden- und Deckenreflexionen erzielen kann. Bei niedrigeren Frequenzen werden die benötigten Membranflächen allerdings so groß, dass sich Schallbündelung weder vertikal noch horizontal vermeiden lässt. Dazu kommt, dass sich die rückwärtig abgestrahlte Welle großer Flachmembranen nicht vernünftig durch ein geschlossenes Gehäuse neutralisieren lässt, weshalb reine Flächenstrahler praktisch immer nach dem Dipolprinzip arbeiten.

Diptyque DP140 MkII
Flächenstrahler wie der Diptyque DP140 strahlen Schall in beide Richtungen ab und verlangen deshalb Sorgfalt bei der Aufstellung.

Spätestens im Bass ufern die benötigten Foliendimensionen für nennenswerten Schalldruck darüber hinaus schnell ins Maßlose aus. Für die nötige Autorität im Bass sorgt deshalb häufig ein dezent in den Fuß integrierter dynamischer Tieftöner. Letztlich ist wie so oft alles eine Frage der Prioritäten: Wer unvergleichliche Feinauflösung und Transparenz schätzt, zu etwas Arbeit bei der Aufstellung bereit ist und auf extreme Pegelfestigkeit verzichten kann, sollte einen guten Flächenstrahler unbedingt mal gehört haben.

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.