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FIDELITY Wissen: Unsymmetrische und symmetrische Kabel

FIDELITY Wissen: Unsymmetrische und symmetrische Kabel

Auf die Balance kommt es an

FIDELITY Wissen: Unsymmetrische und symmetrische Kabel

XLR-Kabel eignen sich hervorragend dazu, dem eigenen kostbaren Setup einen schön professionellen Anstrich zu verleihen – aber bringen sie wirklich auch klangliche Vorteile? Und was genau ist hier eigentlich symmetrisch? Wir liefern Antworten.

Die meisten HiFi-Komponenten nutzen zur Kleinsignalübertragung unsymmetrische (engl.: „single ended“ oder „unbalanced“) Verbindungen wie RCA (Radio Corporation of America) – landläufig Cinch genannt – oder Klinkenstecker. Dabei wird das Signal über einen einzelnen Leiter geführt, während ein zweiter Leiter den Signalkreis zur Erde schließt – und zugleich als Schirmung fungiert. Das Signal wird am Eingang also als Differenz zur Masse „ausgelesen“. Das ist einfach umgesetzt und funktioniert in den allermeisten Fällen prächtig, kann in manchen Szenarien allerdings zu Problemen in Form von Rauschen oder Brummen führen.

Wo liegt das Problem?

In einer Welt voller Netzteile und kabelloser Signalübertragungsformen wie WLAN sammelt ein Kabel allerlei Einstreuungen auf. Auch wenn die Schirmung die meisten dieser Störsignale wirksam in Schach halten kann, stößt sie allerdings bei langen Verbindungsstrecken und/oder elektromagnetisch „lauten“ Umgebungen an ihre Grenzen. Insbesondere niederfrequente Interferenzen können aufgrund ihrer großen Wellenlänge den Schirm durchdringen und auf den Signalleiter übergehen, was sich dann in hörbarem Brummen äußern kann. Aus genau diesem Grund führt man Netz- und Signalkabel nach Möglichkeit stets getrennt – und wenn sie sich auf die Pelle rücken müssen, dann sollten sie sich kreuzen und nie parallel zueinander verlaufen.

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Einstreuungen (schwarz gepunktet) addieren sich bei unsymmetrischen Verbindungen auf das Nutzsignal (blau gepunktet) und verzerren es. Im echten Leben sind Interferenzen natürlich nie einfache Sinuskurven. Je nach Art der Einstreuung können sie sich im Extremfall als hörbares Rauschen oder Brummen bemerkbar machen.

Ein zweites Problem kann sich ergeben, wenn Sender und Empfänger unterschiedliche Massepotenziale haben – das kann etwa dann passieren, wenn beispielsweise der Streamer an einer anderen Steckdose hängt als der Verstärker. Auch dies kann zu Störgeräuschen führen.

Was macht symmetrisch anders?

Symmetrische Verbindungen (z. B. XLR) lösen beide genannten Probleme, indem sie statt zweier drei Leiter verwenden. Hier gibt es wiederum zwei Varianten: Bei der einfacheren führt ein Leiter das (positive) Signal, während ein zweiter für Schirmung und Masse zuständig ist. Anders als bei der Single-Ended-Verbindung wird das Signal jedoch nicht über die Masse zurückgeführt, sondern über einen Nullleiter, der statt der Erde als Referenz dient. Da hier nur ein Leiter das Signal führt, wird diese Art der Übertragung gelegentlich als „quasi-symmetrisch“ oder „pseudo-symmetrisch“ bezeichnet. Allerdings tut man ihr damit Unrecht, denn entgegen häufig postulierten anderslautenden Meinungen bietet diese Methode alle wesentlichen Vorteile einer symmetrischen Übertragung.

Zum einen löst sich das Problem unterschiedlicher Massepotenziale in Wohlgefallen auf, da sich nun Sender wie Empfänger am selben Nullwert ausrichten, der Hauptvorteil des separaten Nullleiters ist allerdings ein Phänomen namens „Common Mode Rejection“ (Gleichtaktunterdrückung): Am Eingang des Empfängers sitzt ein Differenzialverstärker (oder ein Transformator), der nur die Differenz zwischen Null- und Signalleiter „sieht“. Das Elegante daran: Da die Leiter im Kabel miteinander verdrillt sind, haben sie praktisch keinen Abstand zueinander – elektromagnetische Störungen werden also praktisch identisch in beide Leiter eingekoppelt. Da die Spannungsdifferenz sich dadurch nicht verändert, „kürzt“ sich die Interferenz am Eingang gewissermaßen selbst aus der Gleichung.

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Bei einer (quasi)symmetrischen Verbindung mit Nullleiter erfasst der Eingang des Empfängers nur die Differenz zwischen Null- und Signalleiter, wodurch sich Verzerrungen durch Einstreuung selbst herausrechnen. Das Signal im Leiter ist genauso verzerrt wie bei einer unsymmetrischen Verbindung, die reine Differenz entspricht daher – logisch zwingend – genau dem Nutzsignal.

Voraussetzung hierfür ist, dass beide Leiter exakt dieselbe Impedanz haben – ansonsten würde sich das Störsignal mit unterschiedlichen Amplituden in die Leiter einkoppeln (je niedriger die Impedanz, desto höher die Amplitude), und der differenzielle Eingang würde diesen Unterschied mit ins Signal schleusen. Da im echten Leben nichts perfekt ist, kann auch Gleichtaktunterdrückung Einstreuungen nicht vollständig eliminieren – allerdings funktioniert sie so gut, dass die Störungsreste vernachlässigbar klein sind.

True Balanced

Eine vollsymmetrische Verbindung erhält man, wenn man statt eines Nullleiters einen zweiten Signalleiter einführt, der das Signal phaseninvertiert überträgt. Auch hier werden etwaige Einstreuungen gleichermaßen in beide Leiter eingekoppelt und dementsprechend am Eingang wegignoriert. Masseprobleme können ebensowenig auftreten, weil die Leiter einander als Referenz haben und somit ebenfalls unabhängig sind von den Potenzialen der verbundenen Komponenten.

Da das Signal hierzu allerdings invertiert werden muss, ist eine True-Balanced-Übertragung naturgemäß mit einem höheren Aufwand verbunden – und man kann sich fragen, wieso man den treiben sollte, wenn doch schon die „Pseudo“-Variante Masseproblemen und auch Interferenzen effektiv beikommt. Die Antwort liegt in der Robustheit des Signals: Da bei einer vollsymmetrischen Verbindung die Differenz nicht zwischen Signal und Null, sondern zwischen zwei gegenläufig ausgelenkten Signalen auftritt, verdoppelt sich effektiv die Amplitude, während die Stärke der Interferenzen gleichbleibt, was potenziell zu einem um bis zu 6 Dezibel größeren Rauschabstand führen kann.

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Statt eines Nullleiters verwendet True Balanced einen phaseninvertierten Signalleiter als Spannungsreferenz. Die Gleichtaktunterdrückung funktioniert nach demselben Prinzip, durch die Verdoppelung der Signalamplitude fallen etwaige Störungsreste aber um 6 dB kleiner aus.

Gerade im professionellen Bereich mit seiner hohen Kabelpopulation und teils extremen Verbindungslängen macht True Balanced daher absolut Sinn. Im HiFi dagegen kann die einfachere Variante eine sinnvollere Lösung sein – nicht nur, weil sie einfacher umzusetzen ist, sondern auch, weil sie unnötige Bauteile im Signalweg vermeidet.

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.