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Harbeth P3ESR SE: Ein „raumfüllender“ Schuhkarton mit legendären Genen und legendärem Klang. Klassischer Kleinmonitor mit großem Klangvolumen.

Harbeth P3ESR SE

Harbeth P3ESR SE

Ein „raumfüllender“ Schuhkarton mit legendären Genen und legendärem Klang

Klassischer Kleinmonitor mit großem Klangvolumen. So steht es im Prospekt des hiesigen Distributors Input Audio. Den klassischen Kleinmonitor unterschreibe ich. Das mit dem großen Klangvolumen aber halte ich für etwas gewagt. Ich höre selbst seit vielen Jahren mit kleinen BBC-Derivaten und weiß um ihre Stärken. Ein besonders großes Klangvolumen würde ich jetzt allerdings nicht zu den Kernkompetenzen dieser Konstruktionen zählen. Und ich sehe förmlich vor mir, wie der bekennende 15-Zöller-Fan Cai Brockmann vor Lachen in den Tisch beißt.Es wird oft gelacht, wenn ich von meinen kleinen britischen Lautsprechern schwärme und mich vielleicht sogar zu der Aussage versteige, sie hätten das Zeug zum „letzten“ Lautsprecher. Ich gebe zu: Es hat schon etwas Zölibatäres, sich einen zugegeben wichtigen Teil des Frequenzbandes zu versagen, um sich ein paar andere Qualitäten zu erkaufen. Denn es gibt, auch das ist klar, keinen perfekten Lautsprecher. Jedes Konstrukt ist eine Art Mobile: Zieht man auf der einen Seite runter, geht es woanders hoch. Und je komplexer dieses Mobile ist, desto weniger kann man voraussagen, an welcher Stelle es letztlich wackeln wird.

Höher, tiefer, lauter?
Das bringt uns zu den Qualitäten dieser kleinen Monitore: Sie stellen ein extrem einfach gestricktes Mobile dar. Nur zwei Wege, keine zu harten Membranmaterialien, ein geschlossenes Gehäuse, das zum einen leicht, wegen der kleinen Flächen aber dennoch stabil ist. Damit stehen theoretisch auf der Haben-Seite: eine mustergültige Verfärbungsarmut, die ideale Loslösung des Klangs vom Gehäuse, eine damit einhergehende saubere Raumdarstellung und schließlich ein besonders „geschlossenes“ Klangbild. Wie weit diese Wünsche erfüllt werden, sehen bzw. hören wir später. Die Grenzen eines solchen Konzeptes sollen aber auch nicht verschwiegen werden: Schneller und höher, tiefer und lauter können andere.
Dafür wurden die LS 3/5A, die Urahnen dieser neuen Harbeths, allerdings auch nicht entwickelt. Es ging schlicht darum, einen Abhörmonitor für kleine Abstände, gemäßigte Lautstärken und beengte Räumlichkeiten zu schaffen. Das sich daraus eine solche Erfolgsgeschichte abseits der Tonstudios entwickelte, gehört zu den kleinen und wunderbaren Mysterien unseres Hobbys.
Bei der jüngsten Inkarnation handelt es sich um eine Harbeth P3ESR SE. Das „SE“ adelt den winzigen Monitor zur Special Edition und hebt ihn von der Serie ab. Wie? Laut Input-Audio-Chef Bernd Hömke ist es lediglich eine bessere, aus dem Topmodell Monitor 40.1 übernommene Innenverkabelung, welche die Standardstrippe ersetzt. Fertig. Doch rechtfertigt ein Stückchen Kabel schon eine „besondere Edition“? – Das würde, so Hömke, schon einen Unterschied bei der Feinauflösung und Weite des Raumes machen. Er würde es aber nur dann empfehlen, wenn der Besitzer auch über einen adäquaten Verstärker verfügt. Bei preisgünstigen Zuspielern könne man sich die 150 Euro Aufpreis getrost sparen und in Tonträgern anlegen. Es sei eben eine Edition für die echten Enthusiasten und Liebhaber dieser Lautsprecher- Spezies. Also auch für mich?!

Artgerechte Haltung
Extreme Lautsprecher erfordern besondere Sorgfalt bei der Aufstellung. Wirklich Große überlasten einen Raum relativ leicht, wirklich kleine Lautsprecher verhungern förmlich, wenn sie an der falschen Stelle stehen. Also muss man sich an den idealen Ort herantasten. So fällt der erste Versuch mit den Harbeths auf der Position, die in meinem Raum für die allermeisten Schallwandler ideal ist, sehr zwiespältig aus. Mit großzügiger Basisbreite (knapp drei Meter) und viel Luft zu allen Seiten löst sich der Klang zwar perfekt ab, das Klangbild wirkt aber schon sehr, sagen wir mal: intellektuell. Wechsle ich bei gleicher Position von einem leichten und starren Phonosophie-Ständer auf einen mit Blei und Sand beschwerten Fuß von Dynaudio (im Gruppenbild ganz rechts), gewinnt die Kleine an Statur und Souveränität. Gleichzeitig verliert sie an Auflösung, Weite, Eleganz. Das passt also nicht, und ich suche für die nunmehr wieder auf Phonosophie ruhenden Harbeths weiterhin den idealen Platz. Letztlich finden die beiden Schätzchen nur 20 Zentimeter vor der Rückwand ihre optimale Position, immer noch mit gleicher Basisbreite und nur minimal auf den Hörplatz eingewinkelt. Gemeinsam mit dem Lavardin-Vollverstärker – übrigens ein echtes Traumpaar – stellen die kleinen Schachteln die Musik jetzt auf ein derart druckvolles Fundament, dass ich es im ersten Moment gar nicht glauben kann. Jawohl, Herr Brockmann!

Das Klangbild: schockierend echt
Wenn ich Orchestermusik höre, stört mich an der räumlichen Abbildung bei vielen Lautsprechern der ständig wechselnde Maßstab, in dem sie das Geschehen darstellen. Probieren Sie es doch einmal mit einer sauber aufgenommenen CD aus (etwa mit einer der Mahlersinfonien von Denon One Point). Achten Sie dabei zuerst auf die Größe der gesamten Orchesterabbildung und merken Sie sich die Grenzen anhand von nachvollziehbaren Punkten an der Wand hinter den Lautsprechern, Buchrücken beispielsweise. Dann suchen Sie sich einzelne Instrumente heraus und versuchen, deren Größe genau zu definieren. Bei sehr vielen Lautsprechern stelle ich dann fest, dass die Einzelereignisse zu groß sind, um in das gesamte Bild zu passen. Ist es bei Ihnen zu Hause auch so? Sehr wahrscheinlich.
Bei den kleinen Harbeths stimmt das Bild. Und das unterscheidet sie von gut 90 Prozent aller Lautsprecher, die ich bis jetzt hören durfte. Einzelne Musiker wirken plötzlich überraschend klein. Es ist im ersten Moment ein kleiner Schock, aber so ist das eben, wenn man mal ohne einen gewohnten, vielleicht sogar lieb gewonnenen Effekt auskommen muss und hört, was Sache ist. Bei Aufnahmen mit extensiver Nutzung der Stützmikrofone wird das Bild in der Regel schon während der Aufnahme verfälscht. Bei „reinen“ Stereoeinspielungen allerdings kann man diesen klaren Blick auf das Ensemble genießen.
Ja, ich habe soeben ein Phänomen beschrieben, das nur Tonmeister wirklich brauchen und das zum emotionalen Erleben der Musik nicht für jeden zwingend erforderlich ist. Es gibt aber nun einmal unterschiedliche Hörgeschmäcker. Und Musikliebhaber auf der Suche nach möglichst ungetrübter Information über die Tonträger werden hier beglückende Klarheit finden. Die Abbildung entspricht natürlich in bester Tradition einem bestens geputzten und entspiegelten Fenster in den Aufnahmeraum.
Und genau diese Sicht auf die Dinge kann enorm spannende Momente zaubern: Blickt man auf diese Art und Weise abends im abgedunkelten Musikzimmer in ein Studio, in dem ein Pianist leise und zart Chopin-Nocturnes tupft, hat das schon etwas besonders Voyeuristisches. Als würde man aus einer kleinen Privatloge zusehen. Richtig intim. Und was ist mit Pop und Rock und Anverwandtem? Ganz klar: Das ist nicht die Domäne der kleinen Briten. Sie halten sich hier doch sehr zurück, informieren über das Geschehen im Mischpult, werden aber niemals aus sich herausgehen und Schweiß, Leder und Nieten ins Musikzimmer transportieren. Den schalen Bierdunst und abgestandenen Zigarettenrauch kleiner Jazzkeller haben sie aber wieder bestens drauf. Jedes Signal also, das „in der Natur“ aufgenommen wurde und auch nur halbwegs von Zwischentönen und mehreren Ebenen lebt, ist bei ihnen bestens aufgehoben.

Ein Riese für kleine Räume
Abschließend gönne ich den Harbeths noch einen weiteren Raum, in dem sie ohne Einschränkungen zur Höchstform auflaufen können: gut geschnittene 16 Quadratmeter mit nicht zu spärlicher Möblierung. Hier spielen die beiden P3ESR SE am Lavardin und gemeinsam mit dem Rega P9 (FIDELITY Nr. 4, Ausgabe 6/2012) so überirdisch schön, dass mein Entschluss feststeht: Wenn ich irgendwann einmal mein großes Musikzimmer (es liegt schön abgeschieden im Souterrain) zugunsten eines der Kinder aufgeben und mich mit einem kleineren Zimmer weiter oben im Haus anfreunden soll, ist es nach meinem derzeitigen Kenntnisstand genau diese Kombination, die mich dann begleiten wird. Sicher, auch in weiträumigen Zimmern können die kleinen Monitore faszinieren und überzeugen – in einer beengteren Umgebung aber, wenn Hörabstand, Basisbreite und zu bewegendes Luftvolumen schrumpfen, wachsen die Kleinen schlicht über sich hinaus, und ich könnte beim besten Willen keine Alternative nennen. Besser geht es meines Ermessens nach nicht. Nur anders.

www.inputaudio.de

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