Linn Sondek LP12 Bedrok
Wer die auf 250 Stück limitierte Sonderedition Linn Sondek LP12-50 verpasst hat oder wem sie schlichtweg zu kostspielig war, kann seit diesem Jahr trotzdem in den Genuss der erstmalig bei ihm eingesetzten Bedrok-Zarge kommen.
In aller Kürze:
Die ultrastabile Zarge Linn Bedrok bringt den Klassiker Linn Sondek LP12 auf ein Level, das für den stolzen Besitzer eine wahre Freude und für die Mitbewerber ein Grund zur Sorge ist.
Man muss auch keinen neuen LP12 mit Klimax-Vollausstattung kaufen, um die klanglichen Vorzüge der Bedrok genießen zu können. Freilich ist das Vergnügen trotzdem nicht ganz billig. So kostet die Zarge allein fast so viel wie zwei LP12 in der Majik-Grundausstattung. Auch ist bei Interesse etwas Geduld angezeigt – derzeit kommt sie nur in homöopathischen Stückzahlen bei den Händlern an. Da außerdem für einen aussagekräftigen Vergleich zwischen dem normalem und dem neuen Gehäuse zwei exakt gleich ausgestattete LP12 vonnöten sind, ist es verständlich, dass die Händler diese nur ungern aus der Vorführung entnehmen und über mehrere Wochen ausleihen. Deshalb traten der Chefredakteur und ich eine Reise ins Frankenland an und verbrachten einen so vergnüglichen wie interessanten Tag im HiFi Studio Nürnberg. Dessen Geschäftsführer Stefan Stumbeck und seine Mitarbeiter hatten das scheinbar Unmögliche möglich gemacht und zwei identische LP12 mit der maximalen Klimax-Ausstattung – einmal mit und einmal ohne Bedrok – extra für unseren Besuch vorbereitet. Es wurde übrigens zur Demonstration der Unterschiede auf der Wiedergabeseite mit DSM Selekt und dem brandneuen Majik-150-Lautsprecher keineswegs das ganz große Besteck von Linn aufgefahren. Das kann man durchaus als Bestätigung der von Linn von Anfang an vertretenen Ansicht werten, dass man bei einer gewünschten Verbesserung der Gesamtperformanz einer Stereoanlage immer zuerst an der Quelle ansetzen sollte.

Sieht man sich die Evolutionsstufen des Linn Sondek LP12 im Laufe der Zeit an (siehe Kasten), dann fällt auf, dass praktisch alle mechanischen Bestandteile entweder immer stabiler oder mit engeren Toleranzen gefertigt wurden, um so weniger anfällig für störende Resonanzen zu werden. Das ergibt durchaus Sinn, wenn man sich die Mikrowelt vor Augen führt, in der ein winziger Diamant aus winzigen Rillen ebenso winzige Signale aus einer Schallplatte generieren soll. Mechanische Präzision ist definitiv die oberste Direktive bei der Wiedergabe von Schallplatten, wenn dieser Vorgang möglichst fehlerfrei vonstattengehen soll. Die Fortschritte, die über Jahrzehnte in Werkstoffkunde und Bearbeitungstechnik gemacht worden sind, ermöglichen mittlerweile eine Genauigkeit, die Anfang der 1970er Jahre so noch nicht denkbar gewesen wären. Diese Errungenschaften ließen die Schotten immer wieder in den LP12 einfließen, und sie erklären die Vielzahl an Upgrades, die es im Laufe der Jahrzehnte gegeben hat. Diese Upgrades haben den Linn Sondek LP12 von einem zwar hochwertigen, aber typischen Subchassis-Laufwerk der 1970er Jahre in die Jetztzeit gebracht und gegen die scheinbar übermächtige Konkurrenz von quarzgesteuerten Direkttrieblern und schweren Masselaufwerken über die Jahrzehnte bestehen lassen.

Die Konsequenz der schottischen Ingenieure konnte man besonders eindrucksvoll 2006 bei der Einführung des Keel-Subchassis bewundern. Bestand die vorherige Konstruktion aus mehreren Teilen (Subchassis, Querträger, Tonarmbrett und Tonarmkragen), so vereinigte das aus einem Stück Aluminium gefräste Keel alle Komponenten in einem Bauteil. Die zur Verbindung der Einzelteile notwendigen Verklebungen und Verschraubungen wurden von Linn als potenzielle Störquellen identifiziert und eliminiert, als Folge finden vor allem Tonarm und Tonabnehmer bessere Voraussetzungen für ihre Arbeit vor und ermöglichen so einen präziseren Klang. Denselben Ansatz verfolgt man offensichtlich bei der Konstruktion der Bedrok-Zarge. In der normalen – keineswegs labilen – Zarge müssen weitere Holzelemente angefügt werden, die zum Beispiel die Ecken verstärkten oder die Stahlplatte tragen. Beim Bedrok können sie entfallen, weil sie integrale Bestandteile der Form sind, die aus einem Block Kunstharzpressholz gefräst wird. Die notwendigen Ausfräsungen berücksichtigen dabei die Hohlräume, Versteifungen und Stützen, die man braucht, um zum Beispiel die Deckplatte zu halten sowie Raum für Subchassis, Kabel, Motor und Motorsteuerungen zur Verfügung zu stellen.
Als Holz wird querverleimtes Buchenfurnier verwendet, das zusammen mit Kunstharz unter großem Druck und hoher Temperatur zusammengepresst und verdichtet wird. Die Dichte der Bedrok soll laut Linn etwa das Doppelte einer herkömmlichen Zarge betragen und sie soll deshalb praktisch resonanzfrei sein. Im Gegensatz zu den normalen Zargen, die in vielen Echtholzvarianten oder auch in einer beliebigen Farbe lackiert erhältlich sind, gibt es die Bedrok nur in einem mittelbraunen Holzton, wobei die einzelnen Furnierschichten deutlich zu erkennen sind. Die Bedrok-Zarge macht einen edel-eleganten und vor allem hervorragend verarbeiteten Eindruck. Erfreulich ist auch, dass es endlich Einschlagmuttern gibt, die die Montage der Bodenplatte, der Scharniere für die Haube und andere metallische Anbauten im Inneren erleichtern und auch langzeitstabiler sind.
So plausibel die konstruktive Idee hinter der Bedrok ist – man muss sie vor allem auch mit dem Gehör nachvollziehen können. Und das kann man ganz eindeutig! Schon bei den ersten Tönen von The Royal Ballet – Gala Performances (Reference Recordings) werden sowohl Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten zwischen beiden Varianten des LP12 im vollen Klimax-Ornat deutlich. Gemeinsam ist beiden – aber auch den einfacheren Versionen Majik und Selekt –, dass der Linn trotz aller Verbesserungen seinen besonderen Charakter behalten hat. Den kann man zwar deutlich wahrnehmen, aber nur schwer in Worte fassen.
Vielleicht ist es eine Mischung aus musikalischem Fluss kombiniert mit einer rhythmischen Betonung, die einen regelrecht dazu zwingt, die Aufmerksamkeit auf die Musik zu lenken. Das konnte der LP12 schon immer. Selbst ein uralter LP12 aus den späten 1970ern, den ich vor kurzem mit dem SME-Tonarmodell 3009 Improved hören durfte, hatte diese Eigenschaft. Die moderneren Varianten und erst recht ein top ausgestatteter LP12 mit oder ohne Bedrok gehen freilich ungleich präziser zu Werke, ohne die musikalischen Wurzeln zu vernachlässigen. Mit Bedrok erscheint die Musik dagegen einen Hauch leiser zu spielen und der Raum, in dem das Royal Opera House Orchestra unter der Leitung von Ernest Ansermet so virtuos spielt, größer zu sein.
Einfacher ist der Unterschied zwischen den beiden Zargen mit der mir besser bekannten LP I Remember von Dianne Reeves beim Song „The Nearness Of You/Misty“ wahrzunehmen. Die Jazzsängerin und der Bass, der sie am Anfang des Stücks allein begleitet, werden hier deutlicher voneinander getrennt, und es öffnet sich der Raum nach hinten hin. Gleichzeitig lässt der Bedrok die Saiten des Basses noch genauer ausklingen. Höre ich mir dagegen dasselbe Stück auf meinem etwas in die Jahre gekommenen LP12 zu Hause an, dann entsteht eher der Eindruck, als wären Sängerin und Bassist in Mono aufgenommen worden.
Um meine Eindrücke zu bestätigen, belästige ich die anwesenden Personen – selbst Indira Bornkessel, die oberste Linn-Repräsentantin von Deutschland, gab sich bei diesem Event die Ehre – mit der nicht unbedingt als „leichte Kost“ bekannten Filmmusik des japanischen Animes Akira. Die spektakuläre Handlung wird mit ebensolcher Musik untermalt; sie stammt von Ohashi Tsutomu, der sie mit seiner Laiengruppe Geinoh Yamashirogumi eingespielt hat, und verbindet traditionelle wie moderne Musik- und Stilelemente. Das klingt nicht nur für europäische Ohren sehr ungewohnt, es ist auch eine echte Herausforderung für eine Wiedergabekette. Das von mir gewählte Stück „Tetsuo“ beschreibt eine der Hauptfiguren des Films, der eine bösartige Mutation durchmacht. Dementsprechend „wild“ geht es auch musikalisch zur Sache, was selbstverständlich auch einen LP12 mit normaler Zarge nicht aus dem Takt bringt. Aber mit der Bedrok-Zarge werden die zum Einsatz kommenden Perkussionsinstrumente, Kondo-Trommeln, Kirchenorgel und der Chor deutlicher voneinander separiert und das Klanggeschehen insgesamt transparenter dargestellt. Der Bedrok-LP12 kann einfach noch besser die Übersicht behalten und zeichnet nebenbei auch die Klangfarben der Instrumente mit einem noch feineren Pinsel nach.
Insgesamt wird der Kontrast innerhalb der musikalischen Darstellung bei Verwendung der Bedrok-Zarge erhöht, sodass man einzelnen Melodien beziehungsweise Solisten leichter folgen kann. Trotz des recht ambitionierten Preises kann man die Bedrok-Zarge daher wirklich guten Gewissens Freunden des Linn Sondek LP12 empfehlen, die vorhaben, den schottischen Weg der Perfektion bis zum Ende zu gehen. Der klangliche Zugewinn und der damit gesteigerte Genuss ist nicht wegzudiskutieren. Die Bedrok-Zarge stellt eine dauerhafte und wertstabile Investition in die von Musik begleitete Zukunft dar.
- 1972: Erstmalige Vorstellung des Linn Sondek LP12
- 1974: Änderung der Hauptlagerbuchse. Verstärkung des Subchassis durch zusätzliches, punktgeschweißtes Band
- 1981: Nirvana (diverse Mechanik-Komponenten)
- 1982: Einführung der quarzgesteuerten Valhalla-Motorsteuerung für 33 U/min
- 1984: Vergrößerte Eckverstrebungen im Sockel
- 1984: Verstärkungsstrebe des Subchassis mit Epoxidkleber verklebt statt punktgeschweißt
- 1985: Verstärkungsblöcke an den Ecken des Sockels
- 1990: Lingo I (optional, quarzgesteuerte Steuerung für Synchronmotor mit 33 und 45 U/min)
- 1991: Massivere Grundplatte ersetzt Hartfaserplatte in Serie; Trampolin-Version optional
- 1992: Verbesserte Befestigung der Oberplatte
- 1993: Cirkus-Upgrade (größerer und besser bearbeiteter Innenteller sowie neues Lager, neue Federn, Armauflage, Riemen)
- 2006: Keel-Subchassis inkl. Tonarmbrett aus einem Aluminiumblock gefräst (optional)
- 2006: Grundplatte aus Aluminium in Serie; Version Trampolin II optional
- 2008: Motorsteuerung Majik für Wechselstrom-Synchronmotor mit 33 U/min
- 2009: Radikal-Netzteil und -Gleichstrommotor (optional)
- 2013: Subchassis Kore mit Tonarmbrett aus Aluminium (optional)
- 2018: Quarzgesteuerte Steuerung Lingo IV mit 33 und 45 U/min für Gleichstrommotor (optional)
- 2020: Einführung des Karousel-Tellerlagers
- 2022: Auf 250 Stück limitierte Version als LP12-50 anlässlich des 50. Jubiläums mit runden Design-Elementen, Vollausstattung und Bedrok-Zarge
- 2025: Bedrok-Zarge wird als Option für alle LP12 eingeführt
Info
Plattenspielerzarge Linn Bedrok
Konzept: Zarge speziell für den Linn Sondek LP12
Besonderheiten: aus einem Block hochverdichtetem Buchenholz gefräst
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 12 060 € (um 10 410 € als Upgrade bei bestehendem LP12)
Kontakt
Linn Products Ltd.
Telefon: siehe Händlerliste
Mitspieler
Laufwerk: Linn Sondek LP12 (Radikal (Klimax), Keel)
Tonarme: Linn Ekos SE/1
Tonabnehmer: Linn Ekstatik
Phonovorverstärker: Urika II
Netzwerkplayer: Selekt DSM (3 x Power Output, 3 x Organik DAC)
Lautsprecher: Linn Majik 150 (aktiv)
BedrokTM ist eine geschützte Marke von Linn Products Limited, deren Name sich vom englischen Begriff „bedrock“ (wortwörtlich „Bettfels“) ableitet. Er bezeichnet eine feste Gesteinsschicht in der untersten Erdkruste, auf der sich später gebildete Erdschichten ablagerten.








