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Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker

Musical Fidelity Nu-Vista 800.2

Ein Gentle­man langt zu

Musical Fidelity Nu-Vista 800.2

Es gibt Verstärker, die schreien. Die mit LED-Galaxien protzen, mit martialischer Typografie glänzen und versprechen, dir „den wahren Sound“ um die Ohren zu klatschen, als hätten Chuck Norris und ein Sinuston ein Kind gezeugt. Und dann gibt es den Nu-Vista 800.2.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker

In aller Kürze:
Musical Fidelity Nu-Vista 800.2: Bärenstark und doch in jeder Hinsicht ein audiophiler Gentleman. Als Bonus gibt’s eine Verarbeitung, die ihn unmissverständlich als „Spielpartner für die Ewigkeit“ ausweist.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker


Er schreit nicht. Er murmelt. Und zwar mit einer Stimme, die schwer nach Leder, Zigarren und Mahagoni klingt – und nach einer sehr klaren Ansage: Ich kann. Ich muss nicht angeben. Doch keine Sorge – dieser britische Gentleman ist keiner von der zurückhaltenden Sorte, der bei lauten Pegeln ins Schwitzen kommt oder bei Impulsen zuckt wie ein nervöser Debütant. Der 800.2 ist eher die Sorte: „Ich sitze auf einem Berg aus Strom, frag doch einfach das nächste Gitarrensolo.“

Der Nu-Vista 800.2 ist nicht neu im eigentlichen Sinn. Er ist ein Reifeprozess. Ein guter Single Malt, der nochmal zehn Jahre ins Fass durfte. Der ursprüngliche Nu-Vista 800 war bereits ein Meilenstein – nun wurde er, ganz britisch zurückhaltend, dort verbessert, wo es wirklich zählt. All das fließt in ein Gerät, das nicht nur klingt, sondern denkt. Und zwar voraus. Ganz ohne Firlefanz – dafür mit Substanz. Reines Understatement mit der Eleganz eines Panzerschranks. Optisch bleibt der Nu-Vista 800.2 dem vertrauten Musical-Fidelity-Stil treu: Wuchtige Erscheinung, klare Linien, funktionales Design. Wer auf chromblitzende Showobjekte steht, die aussehen wie der Maschinenraum der Enterprise, ist hier falsch. Das Gerät wiegt satte 45 Kilogramm – was nicht zuletzt an der verbauten Materialqualität und dem Dual-Mono-Aufbau liegt. Ja, man kann ihn allein tragen. Aber man sollte sich dabei überlegen, wie sehr einem der eigene Rücken lieb ist. Oder einfach zwei Freunde und ein gutes Craft-Bier einladen – das Aufstellen eines Nu-Vista 800.2 ist immerhin ein audiophiler Feiertag.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker
Markante Züge, eine Melange aus Schwarz und Silbergrau: ein Gentleman wie aus dem Bilderbuch.

Ein Blick ins Innere offenbart Technik, die nicht einfach verbaut, sondern durchdacht ist. Jeder einzelne der 16 Ausgangstransistoren hat seinen eigenen Hochstrom-Kondensator direkt zugewiesen – eine Bauweise, die bereits im legendären TITAN von 2009 Anwendung fand und seither nur noch selten realisiert wurde. Das Ergebnis: extrem niedrige Impedanzen, blitzschnelle Energieverfügbarkeit, deutlich verbessertes Einschwingverhalten. Oder anders gesagt: Wenn der Bass kommt, dann kommt er nicht – er „ist einfach da“. Sofort. In voller Kraft, mit Struktur und ohne einen Anflug von Zögern. Optisch erinnert die Endstufe tatsächlich an einen V10-Motor. Was für Technikromantiker genauso befriedigend ist wie für Musiker, die wissen, was Headroom bedeutet. Nur, dass man diesen Verstärker nicht auftanken muss – der läuft einfach. Und zwar kompromisslos. Was dem V10 seine Einspritzpumpen, sind dem britischen Amp seine vier Röhren, genauer seine vier Nuvistoren in der Vorstufensektion. Wer bei „Röhre“ an glühende Kolbenromantik und rauschenden Charme denkt, irrt – zumindest teilweise. Die im Nu-Vista 800.2 eingesetzten Nuvistor-Röhren stammen konzeptionell aus den späten 1950er Jahren, als die Röhrentechnologie ihren Zenit erreichte und man versuchte, sie in Richtung Miniaturisierung, Stabilität und Linearität weiterzuentwickeln. Anders als klassische Röhren sind Nuvistoren extrem rauscharm, langzeitstabil und erstaunlich resistent gegen Mikrofonie. In der Vorstufe eingesetzt, kombinieren sie das Beste beider Welten: Röhrenmusikalität mit Transistorkontrolle. Das Ergebnis ist eine Klangsignatur, die nicht nur beeindruckt, sondern begeistert. Der 800.2 klingt nicht „warm“, sondern „richtig“. Stimmen haben Körper, Gitarren schimmern, Bläser setzen sich durch – ohne jemals spitz oder grell zu wirken. Selbst komplexe Orchesterpassagen bleiben transparent, ohne steril zu werden. Leider fiel die Entwicklung der Nuvistor-Röhre mit dem Boom der Transistortechnik zusammen, was ihrer Verbreitung nicht gerade förderlich war. Kraftmeiernde Transistoren wurden der Standard, während die kleinen gekapselten Röhren fast in Vergessenheit gerieten. So verschwanden die kleinen Aluhüte vom Markt und wurden immer schwieriger aufzutreiben. Es dauerte eine ganze Weile, bis Chefhirn Anthony Michaels endlich fündig wurde und auf ein geheimes Lager voller Nuvistoren samt passenden Sockeln stieß. Damit war die Versorgung auf einige Zeit gesichert und Michaels konnte sich an die Vollendung seines Meisterstücks machen. Das fiel dann auch überraschend kräftig aus. Wer meint, 300 Watt pro Kanal seien übertrieben, hat vermutlich noch nie Mahler in Originaldynamik gehört – oder die Bass-Spur von Massive Attack mit halbgeschlossenen Augen und geöffnetem Herzen. Der Nu-Vista 800.2 leistet weit über dem, was man ihm zutrauen würde, und das mit einer Nonchalance, die an britischen Humor erinnert: trocken, präzise, nie aufdringlich.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker
Trotz schwarzem Maßanzug eine muskulöse Erscheinung. Etwas Gold bringt einen Hauch Dekadenz in den ansonsten dezenten Auftritt des Nu-Vista 800.2.

Er bleibt stabil an allen üblichen (und einigen unüblichen) Lasten, kontrolliert mühelos Lautsprecher, die andere Verstärker an die Grenzen bringen. Dabei agiert er stets souverän – nichts wirkt gedrückt oder gequält, und selbst bei hoher Lautstärke bleibt alles luftig, strukturiert, glaubwürdig. Die ersten Takte stammen aus dem Blues: John Lee Hooker, „Boom Boom“. Sofort wird klar, das hier ist kein analytisches Sezieren. Der Groove lebt, die Gitarre wackelt vor Lust, das Schlagzeug hat Fleisch auf den Knochen. Weiter mit Rock: Led Zeppelin, „Since I’ve Been Loving You“. Das Crescendo der Gitarrensoli – entfesselt. Die Stimme von Plant – nicht vorne, nicht hinten, sondern genau da, wo sie sein muss: mitten im Raum, mitten im Geschehen. Das haben deutlich teurere Verstärker schon deutlich zahmer in meinen Raum gestellt. Weiter geht’s im Programm mit Soul: Aretha Franklin, „Ain’t No Way“. Die Stimme ist ein Ereignis, der Chor keine Tapete, sondern Teil des Dramas. Und die Dynamik? Purer Genuss. Die Performance des englischen Schwergewichts imponiert bis dahin so, dass selbst ich ausnahmsweise ein paar wenige Worte zu klassischer Musik absondern muss. Bruckners Siebte unter der Leitung von Claudio Abbado: Der Musical Fidelity spannt den Raum weit in die Breite, sortiert das Orchester auch in der Tiefenstaffelung beeindruckend glaubhaft in die sommerlich heiße Hütte. Die Crescendi bauen sich organisch auf, nichts kommt gedrückt, selbst die leisesten Passagen tragen Spannung. Es ist, als würde man in den Aufnahmeraum hineinspazieren, ohne sich in Schlips und Kragen zwängen zu müssen, um Einlass zu erhalten. Kleiderordnung und Standesdünken sind dem britischen Gentleman herzlichst egal – gerne langt er auch mal hin wie ein Ire zu St. Patrick’s Day. Mit elektronischen Sounds bringt der Musical Fidelity Struktur in die Fläche, verleiht auch subsonischen Bässen den nötigen Punch, kickt in den Mitten wie ein Tritt ins Gemächt, während fiese Effekte und Hochtongezirpe im Fledermausohrbereich durchaus die nötige Würze besitzen, ohne das Ohr zu scharf zu penetrieren. Alles klingt extrem kontrolliert, aber niemals kontrollierend.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker
Kraft wie ein V10 mit Bi-Turbo – ein für Engländer ungewöhnlicher Antrieb. Doch die Mischung aus kräftigen Transistoren und den klangmachenden Mini-Röhren funktioniert atemberaubend gut.

Was den Nu-Vista 800.2 so besonders macht, ist nicht nur seine Klangqualität, sondern seine Selbstverständlichkeit. Er spielt und funktioniert. Immer. Die Verarbeitung ist tadellos, die Bedienung einfach, das Gerät im Betrieb erfreulich unaufgeregt. Er wird warm, aber nie heiß. Lüfter? Fehlanzeige. Störgeräusche? Gibt’s nicht. Dafür zappeln auf Knopfdruck virtuelle Zeiger im Takt der generierten Leistung auf dem Display, wahlweise als Positiv oder Negativ. Oder es zeigt die gewählte Quelle an. Wer mag, darf unter verschiedenen Optionen der Anzeige die stimmigste wählen. Auch die von oben sichtbaren Nuvistor-Röhren lassen illuminieren und strahlen auf Wunsch in einem freundlichen Blau mit der Lichtleiste unter der Frontplatte um die Wette. Oder doch lieber komplett in Schwarz und ohne äußeres Lebenszeichen? Einfach ein paar Mal die Taster unter dem Lautstärkesteller drücken, schon ist alles dunkel.

Faultiere freuen sich zusätzlich über den stabilen Metallziegel, im Volksmund Fernbedienung genannt, mit dem sich der Nu-Vista 800.2 bequem aus dem Sessel dirigieren lässt. Falls doch Training nötig sein sollte – dank der massiven Verarbeitung lässt sich diese auch als Hantel nutzen.

Bildergalerie
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Der Nu-Vista 800.2 ist kein Produkt für Leute, die auf ein Schnäppchen warten oder mit Messdaten argumentieren. Er ist für Musikliebhaber. Für Menschen, die hören statt glauben. Für jene, denen Musik nicht nur gefällt, sondern wichtig ist. Er spielt in einer Liga, in der sich nicht mehr viele bewegen. Dort, wo Klang, Verarbeitung, Konzept und Charakter eine Einheit bilden. Dort, wo nichts erklärt werden muss – weil man es hört. Wer sich einmal mit dem Nu-Vista 800.2 eingelassen hat, wird ihn schwerlich wieder hergeben. Denn er ist nicht nur ein Verstärker. Er ist ein musikalischer Partner. Ein Verstärker für Erwachsene. Wer das nötige Kleingeld hat, bekommt mit dem Nu-Vista 800.2 ein Gerät fürs Leben. Kein Gadget. Kein modisches Accessoire. Sondern einen Verstärker, der Musik ernst nimmt. So ernst, dass man dabei selbst wieder zum Hörer wird – nicht zum Tester, nicht zum Sammler, nicht zum Nerd. Einfach: zum Genießer. Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist in Zeiten von Plastik-Streaming und algorithmischer Radiowiedergabe ein verdammt schönes Gefühl.

Musical Fidelity NuVista 800.2 Vollverstärker

Info

Vollverstärker Musical Fidelity Nu-Vista 800.2

Konzept: Hybrid-Vollverstärker
Leistung (8/4 Ω): 330/450 W
Frequenzumfang: 20 Hz bis 20 kHz
Eingänge analog: 5 x Line (4 x Cinch, 1 x XLR)
Ausgänge: 1 x Line-Out fix (RCA), 1 x Line-Out variabel (RCA), Single-Wire-Lautsprecherabgriffe (Litzen, Banana, Gabelschuhe)
Besonderheiten: diverse Parameter im Menü anpassbar, Display dimmbar, Systemfernbedienung
Ausführung: Aluminium natur oder schwarz
Maße (B/H/T): 48/21/51 cm
Gewicht: 39 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 12 000 €

Kontakt

Reichmann Audiosysteme

Graneggstraße 4
78078 Niedereschach
Telefon +49 7728 1064
info@reichmann-audiosysteme.de

www.reichmann-audiosysteme.de

Mitspieler

Plattenspieler: Acoustic Solid Vintage, Technics SL-1710 Mk2, Technics SL-1210 Mk2
Tonarm: Acoustic Solid WTB 213
Tonabnehmer: Clearaudio Charisma V2, Ortofon Quintet Bronze, Ortofon Nightclub
CD-Player: Marantz CD 17 Mk II
Phonovorverstärker: Acoustic Solid Phonovorverstärker
Vorverstärker: Riviera Audio Laboratories APL 1
Vollverstärker: Einstein The Tune, NAD C 320
D/A-Wandler: Audiolab M-DAC Mini
Endverstärker: Riviera Audio Laboratories AFS 32, Lehmannaudio Black Cube Stamp
Lautsprecher: Heco BellaDonna, Audio Physic Seemon
Kabel: German Highend, AudioQuest, IsoTek, Vovox
Zubehör: Steinmusic, Lehmannaudio

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