Pro-Ject Flatten it
Von Wien in die Welt – zu Recht kann man das über die fast 35-jährige Erfolgsgeschichte von Pro-Ject sagen.
Das 1991 von Heinz Lichtenegger gegründete Unternehmen entwickelt, fertigt und vertreibt Pro-Ject-Plattenspieler und Zubehör, seit 2000 auch HiFi-Komponenten, „Made in Europe“ mit Standorten in der Tschechischen Republik, Slowenien, Deutschland und Österreich. Nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ist in einem Radius von 440 Kilometern konzentriert, und die Produkte werden zu 97 Prozent aus regionalen Rohstoffen gefertigt. Nachhaltigkeit spielt dabei eine zentrale Rolle, und dementsprechend werden Lieferwege und der CO2-Verbrauch minimiert. Ein gewichtiger Beitrag, liefert man doch in 80 Länder weltweit und ist mit ca. 5000 Ladengeschäften präsent. Zudem sind die Produkte konsequent auf Langlebigkeit getrimmt, sodass Pro-Ject 25 Jahre Ersatzteilverfügbarkeit (10 Jahre bei Elektronik) garantiert. Ein Produkt, das nicht immer neu hergestellt werden muss, spart wertvolle Ressourcen und Energie in der Produktionskette. Zudem nutzt Proj-Ject einen bisher kaum beachteten Hebel zur Ressourcenschonung: die Minimierung der Gerätegröße und damit des eingesetzten Materials. Gilt in der HiFi-Branche oft „Bigger is Better“, zeigt Pro-Ject, wie es anders gehen kann. Material, das nicht hergestellt und durch die Welt transportiert werden muss, spart Ressourcen, Energie und CO2. Chapeau!
Plattenglättungsmaschine
Als ich in der Bedienungsanleitung lese, worum es sich hier genau handelt, muss ich schmunzeln: Die Gerätebezeichnung erinnert mich an die deutschen Altrocker „Bröselmaschine“, die ich sicherlich im Verlauf der Testphase mit der Flatten it mal „glattbügeln“ werde. Doch dazu später mehr! Plattenbügler sind im Prinzip nicht neu und seit einigen Jahren am Markt verfügbar, etwa von den Firmen ORB, AFI oder Furutech. Oft wird so ein Gerät mit einem überdimensionierten Waffeleisen verglichen, wobei allerdings kein Muster in die Platte eingebracht werden darf und auch kein Backprozess erfolgen soll. Der Prozess des Glättens bzw. das Bügeln von welligen Schallplatten soll möglichst schonend und bei deutlich geringeren Temperaturen stattfinden als den 150 °C, die zum Pressen der Platten erforderlich sind. Alle verfügbaren Plattenbügler erwärmen die Schallplatte deshalb bis maximal 60 °C, oberhalb dieser Temperatur wird die Schallplatte weich und plastisch verformbar, bei noch höheren Temperaturen beginnen Kunststoffe ihre innere Struktur zu verlieren, das Vinyl fließt bei ca. 160 °C und schmilzt buchstäblich.
Die Plattenbügler waren mit Preisen zwischen 2000 und 4000 Euro bisher recht teuer und deshalb primär für professionelle Dienstleister oder Schallplattenläden interessant. Nun gibt es mit der Pro-Ject Flatten it erstmals einen Schallplattenbügler für deutlich unter 1000 Euro, was ambitionierte Vinylhörer und audiophile Genussmenschen ansprechen soll. Das Gerät ist als Aluminiumrahmenkonstruktion mit einem klappbaren Aluminiumdeckel sehr wertig ausgeführt; die welligen Schallplatten sollen zwischen zwei beheizbare Aluminiumteller gelegt werden. Die Deckelkonstruktion kann durch das Lagerspiel die verschiedenen Vinyldicken ausgleichen und ist deshalb nahezu für alle denkbaren Formate geeignet. Mitgeliefert und empfohlen wird eine Papierhülle, die zwischen die Teller und die Schallplatte gelegt werden soll, um einen direkten Metallkontakt zu vermeiden. In einem Versuch ohne Papierhülle ist es dem Autor schon passiert, dass das Vinyl an dem Aluteller leicht anhaftete, sodass ich die Nutzung der Papierhülle ebenfalls empfehlen möchte. Es versteht sich von selbst, dass das Vinyl beim Erwärmen unter dem Alu-Teller sauber sein muss, um das Einbacken von Staub und Schmutz zu vermeiden. Ich habe dafür eine nochmalige kurze Ultraschallreinigung meiner grundsätzlich recht sauberen Platten vorgenommen.
Das flache Gerät ist bewusst sehr spartanisch ausgestattet. Ein Display zeigt die Zieltemperatur und gleichzeitig die aktuelle Prozesstemperatur an. Mit zwei Kippschaltern lässt sich das Gerät einschalten und der Heating-Prozess starten bzw. der Cooling-Prozess beginnen. Im Heizprozess erfolgt eine recht schnelle Aufheizung bis maximal 58 °C. Je nach Starttemperatur ist die Aufheizphase in nur 15 Minuten abgeschlossen, dann beginnt die temperaturgeregelte Haltephase, alternierend zwischen 58 °C und 56 °C. Sobald dieser Bereich über- bzw. unterschritten wird, erfolgt eine erneute Zuschaltung oder Abschaltung der Heizung. Pro-Ject empfiehlt für den Glättungsprozess eine Haltezeit von zwei Stunden und dann das kontrollierte Herunterkühlen über den Kühlmodus. Hier erfolgt dann keine Regelung, sondern eine gekoppelte Abkühlung zwischen den Alutellern mit dann sich stetig reduzierender Abkühlrate. Wenn die Schallplatte eine Temperatur von ca. 30 °C erreicht hat, kann sie entnommen werden, und idealerweise ist die Verformung dann geglättet. Der Abkühlprozess dauert nach eigenen Erfahrungen bei einer Raumtemperatur von 23 °C in etwa 90 Minuten.
In Summe kommt man damit auf eine Mindestprozesszeit von 225 Minuten bzw. auf knapp unter vier Stunden. Mit diesem Prozess habe ich meine zugegebenermaßen wenigen welligen Schallplatten behandelt. Da es keine Signale bei Erreichen der Prozesszeiten bzw. Temperaturen gibt, muss man das Gerät und die Uhr selbst im Blick behalten, was aber unproblematisch ist, da man praktisch nichts falsch machen kann. Die welligen Platten waren nach dem ersten Durchgang deutlich geglättet, wenn auch nicht komplett eben. Ein abermaliger Prozessdurchlauf führt dann zu einer weiteren Glättung, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Vorher deutlich vorhandene Auslenkungen des Tonarmes und die Sorge, die Nadel könnte aus der Rille springen, sind somit behoben. Das Ergebnis ist nachhaltig und nur durch erneuten Missbrauch und Verformung der Schallplatte wieder rückgängig zu machen.
Tempern
Pro-Ject verspricht zusätzlich zu dem Glättungsergebnis noch einen weiteren positiven Effekt auf das Klangerlebnis behandelter Schallplatten. Durch das sogenannte Tempern wird das Vinyl nicht nur geglättet, sondern gleichzeitig entspannt, und indem Sprünge, Knacken und Verzerrungen beseitigt werden, verbessert sich die Wiedergabequalität. Tempern ist ein Wärmebehandlungsverfahren in der Materialtechnik, um Materialeigenschaften zu vergleichmäßigen und zu verbessern. Bei welligen Platten ist es nachvollziehbar, dass die abrupte Veränderung der geometrischen Parameter VTA, Azimut und Fehlwinkel am Tonabnehmer bzw. der Nadel einen hörbaren Einfluss auf die Wiedergabe hat. Wie sich das Tempern bei augenscheinlich schon ebenen Schallplatten auf die Wiedergabequalität auswirkt, das möchte ich herausfinden und habe zu diesem Zweck mehrere gleiche Paare von Schallplatten vorbereitet. Jeweils eine davon ist einem verkürzten Bügelprozess, dem sogenannten Temperprozess, unterzogen worden. Dabei erfolgt die Aufheizung wie gehabt bis 58 °C, und nach einer kurzen Haltephase von ca. 15 Minuten (anstatt zwei Stunden beim Bügeln) zum gleichmäßigen Erwärmen von Schallplatte und Alutellern wird direkt in den Cooling-Mode geschaltet und langsam abgekühlt.
Meine so getemperten Schallplatten Elegy von der deutschen Kultband Bröselmaschine, Suzanne Vegas Flying With Angels, David Gilmores Luck And Strange, John Mayers Sob Rock und weitere zeigten durchweg ein eindeutiges Ergebnis, das sich mit Leichtigkeit auch im „Blindtest“ bestätigen ließ. Die getemperten Schallplatten zeichneten ein weiträumigeres und opulenteres Klangbild mit schöneren Stimmen und plastischeren Instrumenten. Die Musiker wirkten größer, und insgesamt war der musikalische Fluss nun harmonischer, natürlicher. Einen so deutlichen Effekt auf die Wiedergabequalität ebener Schallplatten hatte ich selbst nicht erwartet. Obwohl sich damit wieder einmal bewahrheitet hat, was man eigentlich schon wusste: Am Anfang der musikalischen Wiedergabekette sind die Klangeinflüsse am größten, und zu einem sauberen Abtastprozess an der Nadel gehört unbedingt auch eine saubere und entspannte Vinylschallplatte!
Auf den Punkt gebracht
Die Plattenglättungsmaschine Flatten it von Pro-Ject ist ein unverzichtbares Werkzeug für audiophile Genussmenschen, die das Klangpotenzial ihrer Musikanlage bis in die tiefste Rille ausschöpfen wollen.
Info
Plattenglättungsmaschine Pro-Ject Flatten it
Ausführung: Aluminium silber
Maße: 37/6/42 cm
Gewicht: 4 kg
Preis: um 799 €
Kontakt
ATR – Audio Trade
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