Riviera APL-1 und AFS-32 Vor-/Endstufenkombi
Mir erloschen ist der süßen Liebessterne goldne Pracht, Abgrund gähnt zu meinen Füßen – nimm mich auf, uralte Nacht!
— Heinrich Heine
In aller Kürze:
Die Riviera Audio Labs APL-1 und AFS-32 laden zu einer geballten Ladung Musik, die emotional derart treibend und fesselnd ausfällt, dass Sie alle anderen Termine streichen sollten – bis auf Weiteres!
Alles begann mit einem fliegenden Wechsel. Ein Doppelzentner Elektronik geht (Krell, siehe FIDELITY Nr. 78), ein anderer kommt. Die Problematik „Bürgersteigkante bis in die Bude“ löst der Möbelroller, unter Einbeziehung eines hilfreichen Nachbarn. Nach kurzer Plackerei blockieren zwei wuchtige Flightcases den Flur. Der Nachbar verabschiedet sich und überlässt mir den weiteren Transport. Inhalt der Kisten: Eine Kombination aus Vor- und Endstufe, direkt von der sonnigen Riviera im schönen Italien – mit einem kleinen Umweg über die Norddeutschen HiFi-Tage, wo das schlagkräftige Duo für einigen Wirbel sorgte. Zumindest war jeder, mit dem ich in den letzten Wochen telefonierte, absolut hingerissen.
Die Vorschusslorbeeren wucherten bei mir zu einem beachtlichen Bouquet floraler Begeisterung. Also weg mit den seefesten Transportkoffern und schauen, was mir Jan Sieveking, Importeur und Vertrieb für Riviera Audio Labs, so vertrauensvoll überlassen hat. Ein paar Schnappschlösser später stehen die Koffer im Abstellraum, und eine ziemlich schicke Kombination aus Vor- und Endstufe blockiert einen Großteil des Musikzimmers. Auf der Nomenklatur des italienischen Luxusherstellers spielt die Paarung aus Vorstufe APL-1 und Endstufe AFS-32 im Mittelfeld. Was ungefähr einem gebrauchten Neunelfer entspricht. Und wie bei Porsche bleibt auch bei Riviera Audio Laboratories noch viel Spielraum nach oben. Doch lassen wir das Träumen – zurück zum Mittelfeld.

Mit ihrem dunklen Titan zaubern die tresormäßig verarbeiteten Wuchtbrummen tatsächlich einen nicht zu knappen Hauch von Eleganz in meine Hütte. Die Bedienelemente wurden in mattem Aluminium gehalten, was den Retro-Charme überaus elegant unterstreicht. Trotz der Präsenz von zwei Panzerschränken wirkt das Design zeitlos und mit seinen gerundeten Kanten fast sanft. Zentimeterdickes Aluminium wurde per CNC zur Diät gezwungen. Danach sind die Frontplatten um eine schicke vertikale Stufe und gefräste Logos reicher, doch um einige Gramm Material ärmer. Das Ergebnis von Schlankheitskur und Eloxalbad darf als absolut perfekt gelten. Egal aus welcher Richtung man sie auch betrachtet, alles auf das Wesentliche konzentriert, in bester Qualität gearbeitet, unter Verwendung der besten Materialien.
Die Vorstufe zeigt sich ausreichend kommunikativ für den audiophilen Hausgebrauch und verzichtet auf sämtliche digitalen Spielereien. Mit zwei symmetrischen und drei Cinch-Eingängen finden ausreichend Quellgeräte Anschluss über Buchsen feinster Qualität. Eine Tape-Schleife erfreut die Besitzer von Bandmaschinen, kommt bei mir allerdings nicht zum Einsatz. Der Balancesteller wurde, statt über ein schnödes Potentiometer, mittels einzelner Widerstände gelöst, die ihre Betätigung mit einem zufriedenen Klacken kommentieren. Haptisch empfängliche Menschen werden spätestens hier von der Verarbeitung des Duos hingerissen sein.

Auch die Endstufe bezirzt mit ihrem Charme. Ein sonnenuntergangsfarbig illuminiertes Bullauge gibt den Blick aufs analoge VU-Meter frei, das über die erzeugte Leistung informiert und stimmungsvollen Schick in nächtliche Stunden bringt. Bis dahin bleibt noch reichlich Zeit, die beiden unter massivem Metalleinsatz gefertigten Eisschränke auf Raumtemperatur zu bringen. Zwei Tage Transport haben die Gehäuse jahreszeitlich bedingt nahe dem Gefrierpunkt gekühlt, daher ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste – oder des Flightcases.
Ein erster Kontaktversuch misslingt trotz vier Stunden am Strom gründlich. Alles spielt noch unsauber und kaum definiert, fast als seien meine Lautsprecher defekt. Es folgen ein ratloser Blick in die erfrischend humorvolle Anleitung, ein kurzer Lacher über deren sichtlich von einem Möbelhaus (schwedisch) inspirierten Stil und ein Anruf bei Sievekings. Der Vertriebsleiter klärt den Missstand schnell auf: Die schönen Italienerinnen wollen umworben werden. Sie benötigen Zeit. Und Liebe. Und Strom. Und vor allem, la Musica. „Die wollen erstmal Musik, einfach Musik. Lass sie spielen, gib ihnen einen halben Tag, und du wirst schon sehen.“ So weit Jan Sieveking während eines ersten Telefonats zu unchristlicher Uhrzeit.

Mittlerweile dudelt sich die Riviera seit knapp sechs Stunden unter Zuhilfenahme einer Spotify-Endlosplaylist warm, die Zeiger schlummern noch untätig im Bullauge der Endstufe, und wie ein Hauch weht Pérotins Beata viscera durch die ganze Wohnung. Nochmal deutlich: Die Musik spielt via Spotify, die Vorstufe döst in kleinstmöglicher Stellung vor sich hin. Die Kühlköper der AFS-32 sind gerade erst handwarm, und das VU-Meter bleibt bis hier reine Deko. Noch gestern, über die Krell-Kombi gehört, eine Sache klar wie Wodka. Rein. Unverschnitten. Voller Seele. Die Riviera-Kombination zeigt eine andere Ausprägung. Genauso ehrlich, doch vielschichtiger. Statt Wodka eher Single Malt. Eventuell liegt auch eine Note von Rum in der Luft. Zumindest glaube ich die Spuren von Wärme, Körper und komplexen Aromen, gepaart mit lieblichem Duft, zu erahnen. Macht extrem Lust auf mehr. Wird sofort serviert: Auf dem Teller dreht sich eine ältere Decca-Scheibe mit Joan Sutherlands The Art of the Prima Donna (Decca SXL 2256/57). Im Alltag bei mir meist auf das „Casta Diva“ beschränkt. Doch irgendwie bleibt die Platte auf dem Teller liegen, läuft durch. Die zweite Platte ebenfalls. Und auch die nächste. Allmählich frage ich mich, wieso meine Augen immer schwerer werden und es draußen so dunkel ist. Gerade war noch heller Nachmittag, jetzt zeigt das Handy halb vier am Morgen. Im Badezimmer blick ich kurz in den Spiegel. Aus dem Spiegel starrt Catweazle mit fragendem Blick zurück: „War wohl wild gestern?“ Nee, wild war’s nicht. Aber mit Abstand das Beste, was ich in den letzten dreißig Jahren erlebt habe. Dabei war’s doch „nur“ Klassik, eigentlich nicht mein Lieblingsgenre.
Mit gemischten Gefühlen und zerknittertem Erscheinungsbild schleppe ich mich durch den folgenden Tag, während es im Hörraum immer heimeliger wird. Verbrät man den Strom im Class-A-Betrieb, kann man auch mit zweimal 64 Watt (4 Ohm) ordentlich heizen. Bei den Gaspreisen ein netter Nebeneffekt. Von Regelwerken zur Strombegrenzung hält Chefentwickler Luca Chiomenti wenig bis gar nichts. Die Endstufe arbeitet, solange das Bullauge leuchtet wie die Sonne vor Capri, mit ihrer Hybridschaltung aus Transistor, Röhre und MOSFET unter voller Leistung und wird dementsprechend warm. Warm werden auch andere Endstufen, Class A ist so selten nicht. Trotzdem sitze ich normalerweise nicht die ganze Nacht vor Arien und vergesse den erforderlichen Schönheitsschlaf. Wenn das mein Musiklehrer wüsste …
Was macht man bei Riviera nun anders? Eigentlich nichts. Und irgendwie doch alles. Luca arbeitet unter dem Ansatz, dass das menschliche Ohr im Zusammenspiel mit dem hoffentlich vorhandenen Gehirn die faszinierende, evolutionär begründete Fähigkeit hat, gewisse Obertöne zu kompensieren. Was bei der Löwenzahnjagd in der Steinzeit hilfreich war, machen sich Luca und sein Team heute zunutze. Geräte aus den Händen Chimentis dürfen in gewissem Rahmen „unsauber“ spielen. Man verlagert etwaige Verzerrungen in Bereiche eben jener Obertöne, die eh vom Gehirn „ausradiert“ werden. Könnte der Grund sein, warum Riviera-Verstärker so souverän, so selbstverständlich, so natürlich spielen. Dazu verfügt Mastermind Luca über ein fast enzyklopädisches Wissen zu Bauteilen und deren Interaktion. So achtet er darauf, recht einfach konstruierte Schaltungen einzusetzen, verkneift sich allerdings nicht den Luxus, an entscheidender Stelle aus drei Widerständen einen zu bauen, nur weil es nach ausgiebigem Hörtest einfach natürlicher klang. Somit erklärt sich das stabile Auftreten der beiden Kleinimmobilien auch nicht durch die Anzahl, sondern die Güte der innen verbauten Kostbarkeiten.
Viel konnte ich aus dem Entwickler nicht rauspressen. Er vertraut auf Ein- wie Ausgangsübertrager, verbaut reichlich überdimensionierte Netzteile, achtet auf feinste Qualität und macht sich ansonsten nur sporadisch Gedanken um Messwerte und glatte Frequenzgänge. Weitere Informationen unterliegen dem Gesetz der Omertà und bleiben in der Familie. Was nichts an der Magie ändert, die diese Geräte entstehen lassen, wenn sie spielen dürfen. Das ist das absolute Gegenteil der im Vergleich brutalen Neutralität der großen Krell-Kombi. Doch hinreißend schön. Schließt man die Augen, verschwinden Anlage, Lautsprecher und Raum. Man lehnt sich zurück, lässt sich treiben angesichts dieser nie gehörten, selbstverständlichen Natürlichkeit. Und vergisst dabei Raum und Zeit. Was erklärt, warum mein Erscheinungsbild und der Zustand der Wohnung in den letzten Wochen mehr als gelitten hat. Der Test ist schon längst überfällig, und der Verlag steht mir auf den Füßen wegen des Fototermins. Was mir beim Entstehen dieser Zeilen allerdings herzlichst egal ist. Es bleibt noch eine allerletzte Nacht. Wenn die so läuft wie die letzten dreißig, öffnet morgen die Mumie Ramses des Dritten dem Spediteur die Tür.
Mumien sind das Stichwort: Bis hier blieben die Abende immer auf ein gewisses Genre beschränkt – mal Klassik, eine Nacht voller Jazz, die nächste komplett durch alle Spielarten des Blues. Immer mit dieser nonchalanten Selbstverständlichkeit, die das Ohr umschmeichelt, die Sinne entrückt und einen die Zeit vergessen lässt. Seltsamerweise geriet mein bevorzugtes Genre, ehrliche, aufrichtige Stromgitarrenmusik, ziemlich in Vergessenheit. Bis zu dem Moment, als Jan Sieveking und der Verlag ernst machten und mich mit direktem Verlust meiner Class-A-Heizkörper für den nächsten Morgen bedrohten. Warum es gerade Live After Death (Live, 1985) meiner Jugendhelden Iron Maiden sein musste? Keine Ahnung. Kaum knistert die Einlaufrille, straffen sich die Synapsen, die rechte Hand wandert zum Aluknubbel und dreht den Pegel das erste Mal seit Wochen über die Zwölf hinaus. „Wehteeff“, wie mein Junior sagen würde, ist hier bitte los? Sämtliche Exkursionen in die Tiefen des Plattenschrankes beschränkten sich unbewusst auf eher audiophil hochwertige Aufnahmen und ließen meine Spaßplatten außen vor. Die Riviera-Kombi überträgt die Energie Bruce Dickinsons ohne Filter auf den Hörer, Nico McBrian trommelt sich die Seele aus dem Leib, während Bandleader und Bassist Steve Harris überraschend gelenkig den Groove vorgibt. Grandios die sich bei „Run To The Hills“ einstellende Gänsehaut. Mittels der Riviera APL-1 und der AFS-32 öffnen sich Wurmlöcher zu den Gefühlen, als man Scheiben das allererste Mal im Leben erleben konnte. Ich pfeif drauf, ob die Dinger mit schnurgeradem Frequenzgang glänzen oder nicht. Das hier gehört zum Besten, was man überhaupt genießen kann. Mir sind Verzerrungen ab heute herzlichst egal, sofern Geräte fähig sind, genau die Stimmungen zu triggern, die schuld sind, dass mir Musik überhaupt wichtig wurde. Da wird Körperpflege zur Nebensache und Schlaf überbewertet. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe nur noch eine Nacht Zeit …
Info
Vorverstärker Riviera Audio Laboratories APL-1
Konzept: rein analoge Stereo-Vorstufe
Eingänge: 2 x XLR (vollsymmetrisch), 3 x RCA
Ausgänge: 2 x RCA und 1 x XLR (parallel geschaltet)
Besonderheiten: Tape-Schleife (In/Out), Mute-Schalter, dimmbare Front-LEDs
Ausführung: Perlmutt-Optik/Gold oder Dark Titanium
Maße (B/H/T): 44/14/50 cm
Gewicht: 20 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 27 000 €
Endverstärker Riviera Audio Laboratories AFS-32
Konzept: Stereo-Endstufe
Eingänge: 1 x RCA, 1 x XLR, Ground
Ausgänge: 2 x 2 Lautsprecherklemmen
Leistung (8/4 Ω): 2 x 32 W/2 x 64 W
Eingangsimpedanz: 34 kΩ (XLR), 17 kΩ (RCA)
Eingangsempfindlichkeit: 2,8 V (XLR und RCA)
Signal-Rausch-Abstand: > 102 dB
Besonderheiten: VU-Meter
Ausführung: lieferbar in Perlmutt-Optik/Gold oder Dark Titanium
Maße (B/H/T): 44/20/50 cm
Gewicht: 32 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 28 800 €
Kontakt
Sieveking Sound
Plantage 20
28215 Bremen
Telefon +49 421 6848930
kontakt@sieveking-sound.de
Mitspieler
Plattenspieler: Acoustic Solid Vintage, Technics SL-1710 Mk2, Technics SL-1210 Mk2
Tonarm: Acoustic Solid WTB 213
Tonabnehmer: Clearaudio Charisma V2, Ortofon Quintet Bronze, Ortofon Nightclub
Phonovorverstärker: Acoustic Solid Phonovorverstärker
CD-Player: Marantz CD 17 Mk II
Vollverstärker: Einstein The Tune, NAD C 320
D/A-Wandler: Audiolab M-DAC Mini
Endverstärker: Lehmann Black Cube Stamp
Lautsprecher: Heco BellaDonna, Audio Physic Seemon
Kabel: German Highend, AudioQuest, IsoTek
Zubehör: Steinmusic















