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Sebastian Gahler - Two Moons

Sebastian Gahler – Two Moons

Literatur zum Hören

Sebastian Gahler und sein Quartett mit Two Moons

Darauf muss man erst einmal kommen – der Düsseldorfer Jazzpianist und -Komponist Sebastian Gahler hat mit seinem neuen Album Two Moons Literatur vertont.

Sebastian Gahler - Two Moons
Fotografie: Fabian Stürtz

Und zwar nicht irgendwelche, sondern jene des mehrfach ausgezeichneten japanischen Autors und Lyrikers Haruki Murakami. Und er hat für das nagelneue Album Two Moons Filme für das Kopfkino geschaffen, die beileibe keine musikalischen Nacherzählungen sind, sondern Murakamis Œuvre kommentieren und illustrieren.

Der von manchen Literaturkritikern als „Weltschriftsteller“ bezeichnete Gegenwartsprosaiker Haruki Murakami ist – für einen japanischen Intellektuellen nicht ganz ungewöhnlich – bekennender Jazzfan. Seine Bücher, wiewohl auch beim westlichen Publikum hoch im Kurs, spiegeln das Andere, das Exotische, das Besondere japanischer Denkart wider. Auch Sebastian Gahlers Two Moons-Scheibe ist gewiss keine Nullachtfünfzehn-Sammlung tonal einschmeichelnder Nummern mit Swing-Grundierung geworden, obwohl das erste Hinhören genau das nahelegen würde.

Sebastian Gahler - Two Moons

Weit gefehlt. Gahler und seine kongenialen Sidekicks – Denis Gäbel am Saxofon, Matthias Akeo Nowak am Bass und Ralf Gessler am Schlagzeug – praktizieren eher eine Art Anverwandlung, spüren in Nummern wie „Norwegian Wood“ (eine auf Murakami zurückgehende Beatles-Paraphrase) oder dem comichaft geklitterten Kurzabenteuer „Kafka Tamura“ dem Wesen einer Geisteshaltung, dem Kern genuin japanischer Verhaltensweisen und Vorstellungen nach.

Und sie schaffen es, dass diese im Dekalog neu entstehenden Short Storys kein bisschen verkopft, nicht einmal ansatzweise „gemacht“ erscheinen. Das Titelstück „Two Moons“ ist beispielsweise eine Miniatur, wie sie dereinst ins neue Jazz-Songbook eingehen wird, herzerwärmend, in unaufdringlicher Weise klug und mit ein paar wunderbar überraschenden „Widerhaken“.

Ja, dieses Album könnte man theoretisch auch nebenher hören, mit einem guten Glas Wein (oder Sake?) auf dem Beistelltischchen, einem guten Buch (bevorzugt einem Murakami-Roman) auf den Knien und einem wohligen Feuer im Kamin. Aber das täte dieser hinterfragten und hinterfragenden Musik unrecht, das hieße, die hoch präzise arrangierten Stücke Sebastian Gahlers unter Wert zu konsumieren.

Sebastian Gahler - Two Moons

Denn in der Rangliste vertonter Schriftstellerarbeiten nimmt Two Moons einen hohen Stellwert ein, gerade weil Gahler und Co. von bloßem Epigonentum denkbar weit entfernt sind, weil sie den Dingen auf den Grund zu kommen suchen und dabei bisweilen zu verblüffenden Lösungen finden. Kurz: Diese CD, die noch dazu in absolut audiophiler Klangqualität in die Pits [sic!] gebannt wurde – sie vollzieht die Genialität nach, die Haruki Murakamis schriftstellerisches Schaffen auszeichnet. Einfach ist hier nichts, wer sich aber auf die Vielschichtigkeit dieser Silberscheibe einlässt, findet eine Fülle von Anregungen für die eigene Positionsbestimmung. Zeitgenössischer Jazz mit Bestandsgarantie.

Sebastian Gahler
Two Moons – inspired by the works of Haruki Murakami
Label: JazzSick Records
Format: CD

www.sebastiangahler.de

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