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Clearaudio Maestro V2 Ebony Tonabnehmer

Test Clearaudio Maestro V2 Ebony

Clearaudio Maestro V2 Ebony – Grenzgänger mit MM-Herz und MC-Seele

Die Erlanger Analog-Spezialisten von Clearaudio modernisieren sukzessive ihre Tonabnehmer-Palette. Eine der interessantesten Entwicklungen ist das derzeitige MM-Spitzensystem Maestro V2 – weil es weit mehr als nur ein bisschen nach MC klingt.

High-End-Esoteriker sollten jetzt aufhören, diesen Artikel zu lesen. Denn hier beginnt die Voodoo-freie Zone. Das Holz eines bei Vollmond gefällten Galgenbaums, an dem ein paranoider Verstärker-Entwickler von enttäuschten Fans gelyncht wurde, musste definitiv nicht dafür herhalten, um das Gehäuse des neuen Clearaudio Maestro V2 zu schnitzen. Obwohl der feine MM-Tonabnehmer der Erlanger Analog-Experten tatsächlich mit einer „Ebony“-Außenhülle daherkommt. Deren Verwendung aber, wie Firmengründer Peter Suchy anhand von detaillierten Messergebnissen belegen kann, ausschließlich klangliche Gründe hat.
Nachdem in den letzten Jahren zunächst die MC-Systeme als Tonabnehmer-Flaggschiffe des Hauses Clearaudio grundsätzlich überarbeitet wurden, machte sich das Familienunternehmen daran, auch die „kleinen“ Moving-Magnet-Tonabnehmer fit für die highendige Zukunft zu machen. Und wie bei praktisch allen Produkten aus dem Mittelstandsbetrieb im Meilwald vor den Toren der mittelfränkischen Universitätsstadt Erlangen greift hier jenes „No-Nonsense“-Prinzip, das der Atomphysiker Peter Suchy einst zur Maxime erhob: Nimm dir eine Komponente vor, die an sich bereits das Maximum des Erreichbaren verkörpert, und denke darüber nach, wie du sie noch besser machen kannst.

Der wirtschaftliche Aspekt darf dabei nicht aus dem Blickfeld geraten. Freilich sind auf die Spitze optimierte Über-Tonabnehmer der Clearaudio-Schmiede wie das Stradivari, das Da Vinci, das Titanium oder das einsam an der Spitze thronende Goldfinger Statement gut für das Firmen-Image und überstrahlen mit ihrem audiophilen (MC-)Goldglanz das gesamte Sortiment – aber stabile Gewinne generiert man doch eher in volksnäheren Preisregionen. Wobei das 900-Euro-System Maestro V2 bei Clearaudio als Topmodell der MM-Range vorsteht.
Ein knapper Tausender. Dafür bekommt man bei anderen Firmen schon recht ordentliche MCs, die im Verbund mit einem guten Laufwerk und einem ebenso tauglichen Tonarm durchaus das Tor zu höheren Klangwelten aufstoßen können. Legt man dieses Geld also für einen MM-Tonabnehmer hin, muss man für diese Entscheidung schon gute Gründe haben.
Bei der Suche nach Argumenten kann ich behilflich sein: Nach ein paar Tagen mit dem Maestro V2 halten sich bei mir die Entzugserscheinungen beziehungsweise der dringende Wunsch nach einem Wechsel zurück auf einen MC-Tonabnehmer nämlich in erstaunlich engen Grenzen beziehungsweise kommen gar nicht erst auf.
Das Vergnügen beginnt bereits bei der Montage: Der schwarze, sanft gerundete Ebenholz-Korpus des Maestro V2 hat eingelassene Gewinde; die passenden Schrauben legt man bei Clearaudio bei, dazu einen Miniatur-Sechskantschlüssel. Der Tonabnehmer hat für saubere Zentrierung in der Headshell eine Mittenmarkierung, die Anschlusspins sind farblich gekennzeichnet. Erfahrungsgemäß ist das Maestro V2 wie sein Vorgänger relativ unkompliziert bei der Wahl seiner Spielpartner und kommt mit leichten bis mittelschweren Tonarmen, Subchassis-Spielern und Masselaufwerken gleichermaßen zurecht.
Dass Clearaudio den Kettengedanken favorisiert, kommt nicht von ungefähr: Wenn man das Maestro V2, wie ich es tat, mit dem firmeneigenen Oberklasse-Laufwerk Innovation Compact samt Hybrid-Carbontonarm Magnify – ein mit Magnetlagern „aufgebohrtes“ Einpunkt-Design – verheiratet, wird man mit den Segnungen einer sehr harmonischen Ehe belohnt. Die Partner ergänzen einander stimmig, das Ganze ist hörbar mehr als die Summe seiner Teile.
Dabei geriert sich das Maestro V2 als homogen klingender Grenzgänger zwischen den Welten von MM und MC. Seine Moving-Magnet-Gene kann und will der nachtschwarze Tonabnehmer nicht verleugnen, er gibt sich bodenständig, bei passender „Software“ auf dem Plattenteller sogar richtig erdig, gefällt mit so runder wie kerniger Wiedergabe von Stimmen und einem sehr kräftigen, druckvollen Tieftonbereich, der in der (erfreulich kurzen) Einspielphase des Systems etwas überbetont wirkte, sich aber mit zunehmender Zahl der Betriebsstunden immer bruchloser und natürlicher ins Klangbild integrierte.
So weit, so erwartbar, so wenig überraschend. Wäre da nicht die andere Seite des Maestro V2, ein Charakterzug, der anfangs eher unmerklich auf sich aufmerksam macht und doch eine Menge Verblüffungspotenzial in sich birgt: das erstaunlich hohe Auflösungsvermögen dieses Systems.
Punktet der Abtaster mit den aparten Minikratzspuren, wie sie nur bei Handpolitur entstehen, doch mit einer Auflösung, wie sie für das MM-Prinzip alles andere als typisch ist. Würde Clearaudio irgendwann verkünden, nun auch noch highendige Kameras aus der Hochpixel-Riege zu produzieren, ich fände diesen Schritt nur folgerichtig. Im Audiobereich macht die Firma nämlich gerade vor, wie man althergebrachte Konstruktionen über die festgeschrieben geglaubten Grenzen hinaustreibt, die Messlatte auch und gerade in Sachen Auflösung in Höhen verschiebt, die bisher – zumindest nach gängiger Schulmeinung – mit herkömmlichen Ansätzen nicht erreichbar waren.

Das Maestro V2 fördert Einzelheiten zutage, die sich bislang nur mit sehr guten MCs aus der Rille kitzeln ließen. So wirkt Stings Stimme im Eingangsstück des Soul Cages-Albums ungewohnt rau und bewegt – wohl weil der emotionale Gehalt des stark autobiografischen Songs den sonst so coolen Briten überwältigt. Der La Traviata-Zusammenschnitt der Deutschen Grammophon offenbart, dass auch die russische Wundersopranistin Anna Netrebko manchmal nur mit Wasser kocht und sich streckenweise ziemlich anstrengen muss, um Verdis fies hochliegende Tessitura der Kurtisane Violetta Valéry zu meistern – wenn es hier eng und einen Hauch gepresst wirkt, liegt es an der Sängerin, nicht am Tonabnehmer.
Das Maestro V2 gibt sich nämlich im Gegensatz zu Donja Netrebko bewusst locker, manchmal fast schon zu lässig – ein souveräner Player mit Muskeln, der bei heftigen Dynamiksprüngen oder jähen Bassimpulsen wie auf der legendären Bert-Kaempfert-EP einer deutschen High-End-Zeitschrift stets die Übersicht bewahrt. Der auch in komplexen Passagen stets klar konturierte Tieftonbereich ist im Verein mit der breiten Klangfarbenpalette fraglos einer der größten Habenposten des Maestro V2. Dieses System macht Freude, weil es mit jeder Art Musik zurechtkommt, weil es den Jazzfan ebenso anspricht wie den Rockmusik-Hörer oder die Anhänger großer Sinfonik. Glaubt man Clearaudio-Macher Robert Suchy, dann verdankt das Maestro V2 seinen besonderen Charakter einerseits dem ultraleichten Boron-Nadelträger, der dem System in der MM-Riege bei Clearaudio eine Alleinstellung verschafft, andererseits dem „High-Definition“-Schliff des Diamanten und nicht zuletzt der (bei Clearaudio üblichen) akribischen Selektion der Bauteile – zweite Wahl kommt nicht in die Ebenholz-Schale.
Während ich dies schreibe, dreht sich auf dem Clearaudio Innovation Compact gerade eine alte Chandos-LP mit einem Querschnitt der Musik Percy Aldridge Graingers. Dieser in Australien geborene Amerikaner schrieb spätromantische Sinfonik à la Edward Elgar – aber mit einem überdeutlichen Zug ins Skurrile, Schräge, Durchgeknallte. Auf besagter Langspielplatte werden Stücke wie Handel In The Strand, eine intelligente Paraphrase von Georg Friedrich Händels „Harmonischem Grobschmied“, durch die Bournemouth Sinfonietta unter Kenneth Montgomery als vollfett behagliches Orchesterfest inszeniert, und das Maestro V2 zeichnet die prallen Klangfarben ebenso getreu nach wie die Tiefen- und Breitenstaffelung des Orchesters. Bei treibendem Bluesrock, wie ihn die blonde Rockröhre Cassie Taylor pflegt, verwandelt sich das Maestro V2 unverzüglich in eine Partymaschine mit präzisem Timing und viel Power.
Wer noch mehr Transparenz, Feinzeichnung und Höhenglanz will, muss dann doch zu einem MC greifen – ohne Garantie, ob dieses so viel Spielfreude, Stimmigkeit und sympathischen „Punch“ dank leuchtkräftiger Mittenlagen mitbringt. Das Clearaudio Maestro V2 ist ein MM-System für all jene, die stressfrei über lange Zeiträume Musik hören wollen. Insofern darf man die 900 Euro als Zukunftsinvestition betrachten, denn dieser Tonabnehmer macht glücklich – ganz ohne Voodoozauber.

 

MM-Tonabnehmer
Clearaudio Maestro V2 Ebony

Funktionsprinzip: Moving-Magnet-Tonabnehmer
Nadelschliff: High Definition Diamond
Besonderheiten: handpolierter Korpus aus Ebenholz, Nadelträger Boron
Ausgangsspannung: 3,6 µV
Empfohlene Abschlussimpedanz: 47 kΩ
Empfohlene Abschlusskapazität: 100 pF
Empfohlenes Auflagegewicht: 2,2 g
Empfohlener Tonarm: mittelschwer
Gewicht: 8,4 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 900 €

Clearaudio Electronic GmbH
Spardorfer Straße 150
91054 Erlangen
Telefon 01805 059595

 

www.clearaudio.de

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