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Test Diapason Adamantes Lautsprecher

Diapason Adamantes – Kunsthandwerk

Klar: HiFi kann auch Luxus sein. Dann aber bitte richtig. Und vielleicht sind die Diapason Adamantes 25th ein Luxusprodukt‚ ohne ein solches sein zu wollen.

Viel hilft offensichtlich viel. Zumin­dest nach Meinung vieler audiophiler Produktdesigner. Anders sind Geräte, die ihren Platz in der Luxuskategorie lediglich durch verschwenderischen Materialeinsatz rechtfertigen möchten, nicht zu erklären. Wenn man sich einmal genauer vergegenwärtigt, wie flach ein Denken angelegt sein muss, in dessen Welt drei Zentimeter Aluminium zwischen „Consumer“ und „Luxus“ trennen, muss einem ganz mulmig werden. Dann wird eine MDF-Kiste etwas dicker ausgelegt und mit Ferrari-Lack versehen, und trotz der langweiligen Standard-Chassis in der Front propagiert man nun ein hoch­wertiges Luxusprodukt. Schade.
Denn wahrer Luxus wird anders geschaffen, wie uns Alessandro Schiavi mit seiner Firma Diapason beweist. Denn ebenso wie man erst dann ein echter Gentleman ist, wenn man sich wie ein solcher auch ohne Zuschauer benimmt, sind auch echter Wert und Mogelpackung nicht miteinander vereinbar. Für uns bedeutet das: Die Adamantes 25th sieht schon ungemein wertvoll aus, verbirgt aber die teuersten Lösungen dezent in ihrem Innern. Ihre Schönheit ist nicht Schein oder Selbstzweck, sondern ein Nebenef­fekt des vom Entwickler gewählten Weges.
Kurz zurücklehnen, die ersten Zeilen durchlesen – wow, da hat dieser kleine Lautsprecher eine Menge Lorbeeren abbekommen, derer er sich jetzt erst noch würdig zeigen muss. Und ich muss herleiten, warum ich meinen Mund so voll nehme.
Fangen wir mit dem Gehäuse an. Ich habe die Walnuss-Schönheit einmal eingepackt und zu einem befreundeten Tischler gebracht. Bei der Frage nach einem potenziellen Nachbau winkt er dankend ab. Er weiß zwar nicht, wie es im Innern aussieht, seine Erfahrung sagt ihm allerdings, dass dort „böse“ Überraschungen warten. Ein, zwei Handyfotos flie­gen zu Kollegen, die sich kurz darauf mit ähnlichen Antworten zurückmelden. Fazit der insgesamt vier Tischler: Eine wie auch immer geartete MDF-Box (ich habe einige komplexere Baupläne dabei) würden sie mir alle sofort anfertigen, für dieses Kunstwerk müsse ich allerdings sehr, sehr lange nach einem kompeten­ten Partner suchen.
Da ich die Diapason nicht nachbauen möchte, ge­nügt mir das völlig zur Einordnung: Dieses Gehäuse ist etwas Besonderes. Allein das Holz muss man erst einmal haben. Aus dem Instrumentenbau kenne ich das Problem. Für eine Grundtrockenheit trocknet das an den Schnittkanten versiegelte Holz pro Zentimeter Dicke ein Jahr, kühl und luftig soll es dabei liegen. Danach beginnt das eigentliche Lagern, während dessen sich das Material weiter verändert. Bei den hier sichtbaren Materialdicken kann man sich leicht ausrechnen, dass einige Jahre ins Land gehen, bevor man zum ersten Mal die Säge ansetzen darf.
Alessandro Schiavi geht noch einen Schritt weiter. Je nach Standort eines Baumes (Schatten- oder Son­nenlage, Durchschnittstemperatur, jährliche Regen­menge, Länge der Frostperiode) wachsen Bäume unterschiedlich schnell, was Auswirkungen auf die Dichte des Holzes hat. Für die Schäfte der traditionel­len Wiener Paukenschlägel eignet sich beispielsweise am besten Weißbuche aus einem kalten und schatti­gen Tal bei Salzburg. Aber das nur am Rande.
Alessandro Schiavi nutzt die unterschiedlichen Dichten, um ein möglichst breitbandig schwingendes Gehäuse zu konstruieren. Er geht davon aus, dass sich ein „nicht anregbares“ Gehäuse schlicht nicht konstruieren lässt. Den zwangsläufig entstehenden Schwingungen muss man es also zum einen recht schwer machen, indem man durch zahlreiche Über­gänge im Material ihre Ausbreitung bremst und den verbleibenden Rest dann so breitbandig aufnimmt, dass nicht eine bestimmte Frequenz hervorsticht und den Klang färbt. Soweit meine volle Zustimmung.

In der Folge ist das asymmetrisch geschnittene In­nere der Diapason Adamantes 25th nur an den Wän­den mit einer leichten Gaze bedämpft. Und bestimmt ist auch das ein Grund für die Offenheit und Direkt­heit des Lautsprechers, die mich zu Beginn ein wenig überfordert, später aber mehr und mehr in den Bann zieht. Schiavi nutzt für dieses aufwendige Gehäuse übrigens die Dienste eines geradezu fanatischen Tischlers und eines befreundeten und in der Szene von Cremona durchaus renommierten Geigenbauers.
Der Tiefmitteltöner stammt von SEAS und wird in dieser Version seit vielen Jahren für Diapason gefertigt. Die klare Membran soll für eine hohe Dämpfung und entsprechende Griffigkeit im Klang sorgen. Oft­mals klingen Lautsprecher mit einem solchen Chassis sehr ausgewogen, allerdings auch etwas gemütlich. Um diese Langsamkeit zu verhindern, soll eine be­stimmte Verschaltung der Spulen für eine Art „innere Frequenzweiche“ sorgen: Der Tiefmitteltöner soll sich so ab vier Kilohertz mit sanften sechs Dezibel pro Ok­tave ausblenden, ohne einer zusätzlichen Weiche zu bedürfen. Richtig gelesen: Der Tiefmitteltöner hängt direkt an den Buchsen des Amps. Lediglich der Hoch­töner ist mit einem minimalen Netzwerk begrenzt. Natürlich hat dieses Design auch einen schönen marketingfreundlichen Namen bekommen: DDDT – Diapason Direct Drive Technology. Schwamm drüber.
Die Bassreflexöffnung nach hinten ist wunderbar weich ins Holz eingefügt. Hält man Ohr oder Messmi­krofon davor, stellt man einen erheblichen Mittenan­teil fest. Also vielleicht keine zu rigide Abstimmung, um dem Tieftöner nicht zu viel Federsteife in den Rücken zu stellen und ihn somit schnell zu halten?
Der Hochtöner ist die Diapason-Variation eines alten Bekannten aus dem Hause ScanSpeak und hört auf den Namen D2010. Kein billiges Vergnügen, aller­dings auch keiner der momentan angesagten Hoch­preistreiber. Schiavi, der auch auf eine Vergangenheit hinter dem Mischpult zurückblicken kann, hält es da eher tonmeisterlich pragmatisch: Lieber eine solide Lösung, die man voll unter Kontrolle hat, als ein High- End-Gezücht, von dem man dann doch nicht immer ganz genau weiß, was es tut. Eine angemessene Verkabelung, beste Weichenbauteile und ein solides, eigens angefertigtes Anschlussfeld verwundern in diesem Zusammenhang auch nicht weiter.
Wegen ihres Äußeren unterschätze ich die beiden Schönheiten zunächst, verkenne sie als charmante Lifestyle-Boxen und stelle sie „irgendwie“ hin, füttere sie mit „irgendeiner“ Aufnahme. Als sie mich dar­aufhin ordentlich anspucken, merke ich sehr schnell: falsche Schublade.
Der fast weichenlose Woofer, die offene Abstim­mung sowie das schwach bedämpfte Gehäuse sorgen für eine Antrittsschnelligkeit, die ich nie erwartet hät­te. Die angegebenen 91 Dezibel Effizienz kommen mir zwar immer noch etwas freundlich gerechnet vor, sehr weit weg kann es aber nicht sein. Ich tippe auf reelle 88 dB/1 W/1 m.
Also geht es nun auf die Suche nach dem idealen Standort. Da der Lautsprecher nach unten hin seine physika­lisch bedingten Grenzen hat, erlaubt er hier einige Freiheiten – die eigentlichen Raummoden werden wohl weniger angeregt als durch eine ausgewachse­ne Standbox.

Mit dem Abstand zur Rückwand kann man die tonale Fülle sowie die Tiefe des entworfenen Raumes regulieren. Weiter entfernt klingen die Adamantes 25th natürlich etwas schlanker und straffer, kippen aber nie ins Anämische. Sie wahren auch dann den kultivierten Tonfall. Ob die Fülle dann noch reicht, mag der individuelle Geschmack entscheiden. Mir persönlich ist der ohnehin eher virtuelle Schub in der untersten Lage nicht so wichtig, wenn ich dafür Klarheit opfern muss.
Eine ordentliche Basisbreite vertragen die beiden Schönheiten aufgrund ihres weiten Rundstrahlver­haltens problemlos, bei mir blieben sie letztlich mit einem Abstand von 2,7 Metern zueinander stehen. Das ergab auch bei allen Messungen am Hörplatz im sensiblen Bereich zwischen 150 und 2000 Hertz die ausgewogenste Performance. Winkelt man die Boxen dann noch so weit ein, dass sich die Achsen kurz vor der eigenen Nase schneiden, kann man einen Raum von fast unendlicher Tiefe genießen. Zudem verschwinden die Diapasons akustisch voll­ständig.
Nun stehen sie richtig, „spucken“ nicht mehr, sagen aber immer noch deutlich, ob eine Aufnahme lieblos produziert wurde. Schiavi, der seine ersten Lautsprecher als Abhörmonitore für den Eigenbedarf konstruierte, kann offensichtlich nicht aus seiner Musiker- und Tonmeisterhaut.
Zuerst gönne ich mir die Dritte Sinfonie von Gustav Mahler mit Michael Tilson Thomas und dem San Francisco Symphony Orchestra. Das von den Tritonus-Tonmeistern geschaffene, wunderbar detaillierte und bestens balancierte Klangbild lässt die Davies Hall schon vor dem ersten Ton in mei­nem Musikzimmer entstehen. Das ist eine Leistung, die kleine Lautsprecher oft erst mit Subwoofer- Unterstützung erbringen, wird doch die bewegte Luft einer großen Halle vornehmlich über die tiefsten Frequenzen dargestellt. Das sagt zum einen, dass die Diapasons zumindest leise noch einen beträcht­lichen Tieftonanteil beisteuern, gleichzeitig aber so abgestimmt sind, dass bei den ersten Einsätzen von Kontrabässen, Pauken und Großer Trommel (während des Posaunensolos nach der Einleitung) nichts verwischt. In meinem Raum sind mit diesen Lautsprechern auch noch Frequenzen unterhalb von 30 Hertz gut messbar. Nicht laut und dick, aber doch vorhanden.
Diese Unterfütterung sorgt zudem dafür, dass die darüber sanft ansteigenden Adamantes auch ohne Grundtonbuckel erwachsen klingen. Noch ein Wort einer vorgenommenen Raummessung der höheren Lagen: Ohne Glättung sieht der Frequenz­verlauf an sich noch recht abenteuerlich aus. Im Vergleich zu anderen filterlosen Konzepten verhält sich die Diapason allerdings mustergültig und darf somit als Glücksfall gelten, der das Beste aus zwei Welten zusammenbringt: tonale Akkuratesse einer Mehrwegekonstruktion sowie Antrittsschnelligkeit und Direktheit eines (nicht zu lauten) Breitbänders. Kompliment.
Die angesprochenen Wellen im Frequenzverlauf sind beim Hö­ren auch nicht mehr auszumachen, vielmehr überzeugt die Box mit einer wunderbaren Durchhörbarkeit, die nie auf Kosten der klangli­chen Schönheit geht – wenn die Aufnahme denn gut produziert ist.
Um bei Mahler zu bleiben: Auch im massiven Schluss des sechsten Satzes verschwimmen die großen Streichergruppen nicht, die Bläser werden groß und klar, außerdem räumlich sau­ber aufgestellt. Und selbst die Pauken kommen mit der richtigen Mischung aus Klarheit und Tonvolumen.
Eine ganz große Stärke der Adamantes 25th sind übrigens Stimmen. Sie zeichnen feinste Veränderungen bei der Gestaltung minutiös nach, stellen auch leichte tonale Veränderungen, bei­spielsweise wenn der Sänger den Kopf dreht, sauber dar. Zudem bieten sie mit die beste Sprachverständlichkeit, die ich bisher bei Lautsprechern – gleich welcher Preisklasse – erleben durfte.
Ja, können sie denn auch etwas nicht? Nun, das derbe Pum­pen synthetischer Bässe ist nicht ihre Kernkompetenz. Außer­dem verraten sie bei vielen Pop-Produktionen zu deutlich, dass im Studio offensichtlich ein großer Kostendruck herrschte. Und das alles will man sicher nicht immer wissen.
Bei guter, akustisch erzeugter Musik sind die Diapason Ada­mantes 25th allerdings mit die besten „kleinen“ Lautsprecher, die ich bisher erleben durfte. Und ja: Schön sind sie außerdem.

 

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