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Ortofon Quintet

Test Ortofon Quintet Red/Blue/Bronze/Black

DAS ORTOFON QUINTET-QUARTETT

Nicht nur auf die Nadel kommt es an!

Selbst langjährige Fans des dänischen Tonabnehmerherstellers und Marktführers Ortofon dürften ganz schön geschluckt haben, als sie die ersten Bilder der neuen, preisgünstigen Linie von Moving-Coil(MC)-Systemen gesehen haben. In der Tat zwingt die auffällige Farbgebung und die rechteckige Gehäuseform der Quintet-Familie geradezu zum Vergleich mit den bunten, ebenfalls aus Dänemark stammenden Legosteinen.
Die Farbpalette bei Ortofon reicht bei der neuen Quintet-Serie von Red, Blue und Yellow – Entschuldigung: Bronze – bis zu Black und White. Damit greifen die Dänen das bereits aus ihren 2M- und Cadenza-Serien (Moving Magnet, MM bzw. Moving Coil, MC) her bekannte Farbschema auf, das den Mitgliedern einer Tonabnehmerfamilie einen genau definierten Platz innerhalb der Hierarchie zuweist. Die jeweils einfachste Variante ist rot, darüber kommt Blau, gefolgt von Bronze und schließlich Schwarz. Weiß sind stets die Mono-Tonabnehmer. Das Quintet White stand mir leider nicht zur Verfügung, weshalb das Quintett hier zu einem Quartett schrumpfte.

Sogar mit ABS!

Die Ähnlichkeit mit Lego ist nicht nur äußerlicher Natur. Denn die völlig neu entwickelten Gehäuse werden aus demselben Material wie die Bausteine hergestellt. Der Stoff hat den zungenbrecherischen Namen Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat und wird der Einfachheit halber mit „ABS“ abgekürzt. Jeder, der mal versucht hat, einen Legostein mutwillig zu zerstören, weiß, wie unglaublich robust dieses Material ist. Und nicht nur das: Es ist außerdem kratzfest, lässt sich mit hoher Genauigkeit auch in komplizierte Formen bringen und ist laut Ortofon viel resonanzärmer als zum Beispiel Aluminium. Wie mir Leif Johannsen, der Chefentwickler von Ortofon, auf der HighEnd 2013 mitteilte, gehören ungewollte Vibrationen und schlimmstenfalls Resonanzen zu den größten Problemen bei der analogen Wiedergabe. Beim sensationell guten Ortofon Anna (FIDELITY Nr. 5, Ausgabe 1/2013) löste Johannsen das Problem mit einem mittels Selective-Laser-Melting-Verfahren (SLM) hergestellten Titangehäuse. Aufgrund der exorbitanten Kosten kommt weder das Verfahren noch das Material für die preiswerteste MC-Serie von Ortofon in Frage. Schade, aber verständlich.
Allerdings besteht nicht der ganze Quintet-Korpus aus ABS. Die Oberseite ist eine Aluminiumplatte, in die erfreulicherweise auch Gewinde geschnitten wurden, sodass die Justage – auch aufgrund der langen und geraden Gehäusekanten und des sehr guten Nadelschutzes – fast ein Kinderspiel ist. Zu den Gemeinsamkeiten bei den Mitgliedern der Quintet-Familie gehören auch Magnetkreis und Nadelaufhängung. Die Unterschiede sind im Material des Nadelträgers zu finden, in der Qualität der Diamanten sowie im verwendeten Spulenmaterial. Beim Quintet Red kommt ein einfacher Nadelträger aus Aluminium zum Einsatz, an dessen Ende eine gefasster elliptischer Diamant sitzt. Die Spule besteht aus einfachem Kupfer. Beim Blue wird an dieser Stelle bereits „4N-Kupfer“ verwendet. Der Diamant ist zwar auch hier elliptisch, aber immerhin nackt. Das reduziert die bewegte Masse und erhöht die Haltbarkeit. Beim Bronze wurde die Anzahl der Windungen der Spule reduziert, was sich in einem geringeren Gleichstromwiderstand (5 statt 7 Ohm) und einer geringeren Ausgangsspannung (0,3 statt 0,5 mV) bemerkbar macht. Weiterhin verfügt es über den auch in der Vergangenheit bei Ortofon oft verwendeten Fine-Line-Schliff. Beim Black schließlich werden Zutaten verwendet, die sonst nur viel teureren Tonabnehmern vorbehalten sind: Spulen aus Aucurum (vergoldetes 6N-Kupfer), ein Nadelträger aus Bor und als Krönung ein Shibata-Schliff.

Mit einem Gewicht von neun Gramm und einer Nadelnachgiebigkeit von 15 μm/mN sind die Quintets in jedem mir bekannten Tonarm mittelschwerer bis schwerer Bauart zu betreiben. Überprüft man die Resonanzfrequenz mittels einer Testplatte, so zeigt sich, dass die unvermeidliche Tonarm- System-Resonanz nicht übermäßig ausgeprägt ist. Mit anderen Worten: Die Quintet-Serie verhält sich bezüglich des Tonarms völlig unkritisch. Auch auf Seiten des Verstärkers sind keine Probleme zu erwarten. Ortofon gibt als empfohlene Anschluss-impedanz 20 Ohm oder mehr an, was bei praktisch jedem Phono-Vorverstärker gegeben ist. Die Ausgangsspannungen sind groß genug, um auch an einfacheren MC-Vorverstärkern rauschfrei betrieben werden zu können. Die Abtastfähigkeit lässt ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Sie variiert von respektablen 60 μm beim Red bis zu hervorragen-den 80 μm im Falle des Black.

Familienklang jenseits der Tradition

Trotz der vorhandenen Unterschiede sind alle Mitglieder dieser Familie tonal als solche zu erkennen. Alle zeichnen sich durch eine auffällig unauffällige Tonalität auf, die sich am besten als neutral mit einer kleinen Prise Wärme umschreiben lässt. Letztere ist ganz sicher mit dafür verantwortlich, dass stundenlanges Musikhören mit einem beliebigen Mitglied der Quintet-Familie kein Problem darstellt. Im Gegenteil: Man erwischt sich dabei, dass man noch eine Platte auflegen möchte, muss beim Blick auf die Uhr dann aber „leider“ feststellen, dass man schon vor Stunden ins Bett hätte gehen sollen … Diese Ausgeglichenheit unterscheiden die Quintets beispielsweise vom MC 30 Super II Classic aus gleichem Hause (FIDELITY Nr. 8, Ausgabe 4/2013). Das geht subjektiv eine Spur lebendiger und zackiger zu Werke, schießt aber im Vergleich für meinen Geschmack gelegentlich etwas übers Ziel hinaus. Oder andersherum: Wem das MC 30 Super II Classic besonders gut gefällt, wird sich an den „neuen Ortofon-Klang“ wahrscheinlich erst etwas gewöhnen müssen. Der ist nicht ganz so spektakulär wie bei dem Klassiker, dafür aber in der Reproduktion des musikalischen Geschehens nachhaltiger. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass bestimmte subjektive Klangeindrücke, insbesondere der einer größeren Lebendigkeit, auf die Wirkung von – langfristig als störend empfundenen – Resonanzen zurückzuführen sind.

Ortofon Quintet
Das volle Zubehörprogramm – Tonarmwaage‚ Schraubendreher‚ doppelten Schraubensatz‚ Headshellkäbelchen‚ Nadelbürste – bieten nur Black und Bronze. Blue und Red werden jeweils sparsamer begleitet

Ich gehe davon aus, dass der Eindruck des „richtigeren Klangbilds“ zum Großteil auf die neu entwickelten Gehäuse zurückgeht. Diese halte ich für einen ganz großen Wurf: Selbst beim kleinsten Modell stelle ich keinerlei störenden Artefakte fest, die auf irgendwelche Gehäuseresonanzen hindeuten würden. Mehr noch, insgesamt klingt sogar schon der preisgünstigste Vertreter Red derart gut, dass man ohne direkten Vergleich mit aufwendigeren Tonabnehmern keine auffälligen Schwächen hört.
Baut man alle vier stereofonen Mitglieder der Quintet-Familie in identische Headshells ein und tauscht sie der Reihe nach im SME M2-9R durch, kann man allerdings schon hören, dass ein höherer Aufwand bei Diamanten, Nadelträgern und Generatoren seine Berechtigung hat und quer durch die Disziplinen hörbare Verbesserungen bringt. So löst das Blue im Vergleich zum Red etwas besser auf und wirkt auch einen Tick lebendiger. Eine deutlich größere Steigerung in puncto Lebendigkeit und Detailfülle ist freilich mit dem Quintet Bronze zu vermelden; es holt spürbar mehr Musikinformationen aus der Rille. Beim Black schließlich kommt noch eine ausgesprochen dreidimensionale Raumanmutung hinzu, die man eigentlich nur von Tonabnehmern erwarten darf, die deutlich mehr als das Quintet-Topmodell kosten. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es bei einem hausinternen Vergleich zumindest für das Cadenza Red ziemlich „gefährlich“ werden könnte. Aber das unterstreicht letztendlich nur die Kompetenz und auch die Konsequenz, mit der Ortofon seit einiger Zeit die Modellpaletten überarbeitet. Hier werden tatsächlich noch Fortschritte bei der Entwicklung von Tonabnehmern erzielt.
Ortofons Quintet-Serie ist meiner Ansicht nach eine echte Ansage, und zwar nicht nur in der unteren bis mittleren Preisklasse. Sie kann durchaus auch als Maßstab für höhere Preisklassen dienen, an dem sich alle anderen Tonabnehmerhersteller werden messen lassen müssen. Und diese Messlatte liegt verdammt hoch!

 

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