Looking for the English FIDELITY Magazine? Just click here!
Thivan Eros 9

Test: Thivanlabs Eros 9 Anniversary

Test: Thivanlabs Eros 9 Anniversary

Geflüsterte Monumente – Thivanlabs Eros 9 Anniversary

Fotografie: Hersteller

Was muss passieren, dass ein abgebrühter FIDELITY-Autor in der irrigen Annahme fast alles zu kennen, fast alles gehört zu haben, vor seiner Anlage sitzt und ergriffen weint? Scheinbar nicht viel, es braucht lediglich eine halbwegs vernünftige Stereoanlage, Brahms Wiegenlied und ein Paar recht rustikaler Schallmöbel, schon fließen die Tränen. Wo sind die Kleenex, wenn man sie mal braucht?

Thivan Eros 9
Thivan Eros 9: Wo sind die Kleenex, wenn man sie mal braucht?

Musik lässt sich heut auf unterschiedlichste Art konsumieren. Manchen reicht eine Bierdose mit Spracherkennung, andere lieben ihre wohnraumkompatiblen Designstücke oder sind von Aktivwürfeln in Schuhkartongröße hin und weg. Alles schön und gut, denn mit jedem Lautsprecher (von der sprachgesteuerten Bierdose mal abgesehen), der im Lauf der letzte Jahre bei mir zu Gast war, wäre ich, mit mehr oder weniger kleinen Abstrichen zufrieden geworden. Größtes Manko vieler Lautsprecher bisher, egal wie hübsch, ausgefallen oder technisch ausgefeilt sie waren, ist ihre Ineffizienz, die auch zur Folge hat, dass sie gewisse Pegel benötigen, um die Musik überhaupt zur Entfaltung zu bringen. Was wiederum meine Mitbewohner stört, wenn die Arbeit an einem Text mal wieder bis in den frühen Morgen dauert. Ein Dilemma, das nach einer dauerhaften und mit den berechtigten Bedürfnissen meiner Mitmenschen verträglichen Lösung verlangt.

Diese steht jetzt, nach bandscheibenmordendem Transport in den dritten Stock, im kleinen Hörraum. In Form eines Paars Thivanlabs Eros 9 in der Anniversary Edition: Schallwandler, gebaut als seien sie, im Vergleich zu den letzten Testobjekten, aus einer Zeitmaschine gefallen. So altmodisch die Eros 9 optisch wirkt, ihre Entdeckung für den europäischen Markt verdanken wir den sozialen Netzwerken. Beim Surfen durch die Beiträge seiner asiatischen Facebook-Kontakte stieß Eckhard Derks, Inhaber der TCG Handels GmbH, auf höchst interessante Schallwandler und Röhrenverstärker hierzulande völlig unbekannter Hersteller. Insbesondere die Lautsprecher hatten seine Neugier geweckt, Eckhard Derks begann intensiver zu recherchieren. Fündig wurde er in Vietnam, einem Land, das eher für seine leckere Küche und seine freundlichen Einwohner bekannt ist. Dass Vietnam eine ziemlich quirlige High-End- und DIY-Szene besitzt, war mir zwar neu, doch eine kurze Recherche im Netz schließt auch diese Bildungslücke. Da wäre eine Dienstreise inklusive Fotostory eigentlich überfällig, falls Sie mir diesen uneigennützigen Hinweis an die Redaktion gestatten.

Thivan Eros 9
Mr. Thi, Mitbegründer und -entwickler von Thivanlabs, mit seiner Eros 9

Die beiden Gründer und Namensgeber von Thivanlabs, Mr. Thi und Mr. Van, haben sich im Verlauf der letzten zehn Jahre einen fulminanten Ruf auf dem östlichen Kontinent erarbeitet. Ihre Philosophie folgt dem Bestreben, nicht alleine bestmöglichen Klang, sondern eine tiefe, sinnliche Emotionalität zu erzeugen, die den Hörer tief berührt. Und ja, Klassenziel erfüllt! Meine Eros 9 hab ich gerade bestellt, Avisierung für Anfang Februar. Frisch vom Schiff, jungfräulich und zum Glück nicht eingespielt. Auf die fünfhundert Stunden, die sie benötigen werden, um zu Höchstform zu reifen, freue mich jetzt schon wie Bolle. Warum will er ausgerechnet seine Audio Physik Seemon aufs Altenteil schicken, fragen Sie sich jetzt vermutlich. Nach 22 Jahren treuer Dienste! Ja, warum eigentlich?

Aus dem einfachen Grund, dass ich in 30 Jahren intensivem Spaß am Musikhören noch kaum einen Lautsprecher gefunden habe, der mich komplett fesselt, einsaugt und sämtliche Schattierungen von Emotionen, die mein Plattenregal bietet mühelos und stimmungsgerecht transportiert. Bei Bedarf trösten kann, doch wenn nötig tobt, schreit und wütet, wenn man selbst schweigen muss. Der zugleich fähig ist, trotz Nachtruhe und Flüstermodus sämtliche Klangfarben in Tiamats Wildhoney offenzulegen, die sonst nur sichtbar werden, wenn längst die Wände wackeln?

Prinzipiell sind die Eros 9 sicherlich zu groß für zwölf Quadratmeter, entsprechend suboptimal sieht dann auch die Nachhallzeit aus. Bei spontanem Druck auf die Mute-Taste scheppert der Raum eine gefühlte Sekunde nach, trotz Sparmöblierung und Raumtuning. Doch solange die Musik spielt, versetzt einen die Eros 9 in eine andere Sphäre. Was bleibt der Luft im Raum auch anderes übrig, als selbst der feinsten Spannungsmodulation im Signal widerspruchlos zu folgen? Hier schieben zwei hochempfindliche 15-Zöller, da wird auf kleinem Raum ein Ausweichen unmöglich. Da nach Meinung von Mr. Thi und Mr. Van die beste Weiche keine Weiche ist, arbeiten die Bässe breitbandig bis hin zu knapp sechs Kilohertz, bevor der Frequenzgang mittels mechanischer Filterung abfällt. Was darüber hinaus fehlt, übernehmen ab 2000 Hertz sparsam gefilterte Kompressionstreiber mit Titan-Membranen und Hornfortsatz. Dank des quadratischen Hornmunds, gelingt eine frappierend natürlich klingende Kopplung an die Breitbänder eine Etage tiefer. Das Verhältnis zwischen Membranfläche und unmittelbarer Energie, zwischen Breitbänder und Horntreiber passt wie Walter Röhrl in einen Neunelfer ohne Allrad.

Thivan Eros 9

Feingeister wie Eckhard Derks und die beiden Entwickler schwärmen von den sinnlichen, sanften Eigenschaften im Zusammenspiel mit kuschligen Röhrenverstärkern im Kleinstleistungsbereich, Vertriebsprofi Tim Hoffmann ist hin und weg von der Kombi mit ultrapräzisen, quirligen und kräftigen Class-D-Verstärkern. Glaskolben glühen bisher nicht in meiner Verstärkersammlung, zackig und straff geführte Watt im dreistelligen Bereich kann ich dafür in ausreichender Auswahl bieten. Wie bestellt stapeln sich hier gerade ein Trigon Excceed (Test demnächst in FIDELITY) und ein Goldnote IS 1000, der für die Zukunft Beachtung fordert. Beides „klassisch“ konstruierte Verstärker mit Transistoren, dicken Trafos und zufriedenstellenden Leistungsdaten.

Bisher hab ich den Trigon als direkten, transparent aufspielenden, dabei ungemein flink agierenden Antrieb eingeschätzt, der bei Bedarf auch kraftvoll zubeißen kann. Seine sensible, weiche Seite wurde von den bisher angeschlossenen Schallwandlern sträflich unterschlagen. Chet Bakers „I´m A Fool To Love You“ zerstäubt fast im Raum, luftig, direkt, weit, glasklar wie selten zuvor, dabei gleichzeitig warm wie ein Kaminfeuer, mit nie wahrgenommener Zärtlichkeit in Bakers Spiel. Dabei steht der Pegelsteller des Trigon im fast nicht wahrnehmbaren Bereich, lediglich ein rotes Pünktchen visualisiert, dass Leistung erzeugt wird. Die Musik eher ein Hauch, eine Idee, statt ernsthafter Wahrnehmung. Dennoch voller Körper, Dynamik, Energie, einer Unmittelbarkeit, welche suggeriert, man sei physisch anwesend und lehnte während des Konzerts relaxt mit einem Gin-Tonic in der Hand am Flügel und die Welt stünde für einen Augenblick still. Bakers Trompete zupft voller Liebreiz an meinen Hörnerven, atmet frei im Raum, sein Orchester sortiert sich in absurd wirkendem Abstand auf der vermittelten Bühne, dennoch in sich geschlossen, kompakt und lebendig wie nie zuvor. Alles bei einer Laustärke, die eine gedämpfte Unterhaltung unter Gentlemen mühelos möglich ermöglicht. Grandios, wie effizient die Eros 9 jedes Fitzelchen elektrische Spannung sofort umsetzt. „Kiss off“ der Violent Femmes schrammelt in gewohntem LoFi-Garagen-Sound, reißt einen gleichzeitig aber mit nie zuvor erkanntem Spaß und Witz am eigenen Unvermögen aus der Lethargie des Alltags. Wieder steht der Pegelsteller knapp vor Linksanschlag, keiner meiner Lautsprecher würde hier auch nur hüsteln.

Der Schlüssel zur tiefen Musikalität der Eros 9 findet sich in der reduzierten Konstruktion, dem Verzicht auf alles, was der Musik Fluss entziehen könnte. Die Interaktion zwischen direkt verdrahtetem Breitbänder und Hornerweiterung gelingt dank Bauteilen in homöopathischer Dosis im Signalweg ohne Energieverlust.

Ein Grund für das frappierende Ansprechverhalten der Thvian dürfte das monumentale Gehäuse sein. Die Entwickler investierten viel Zeit in die Abstimmung von Material und Stärke, um sicherzustellen, dass sämtliche zugeführte Energie an die Chassis gelangt, statt das Gehäuse in Schwingungen zu versetzen. Lediglich über ein Loch im Boden wird etwas des, intern erzeugten Drucks Richtung Fußboden geleitet, was dem Schub der Fünfzehnzöller den passenden Tiefgang verleiht. Ein wenig Spielraum besteht hier, wenn man mit dem Abstand zwischen Reflextunnel und Fußboden experimentiert. Die ausgefeilte Kombination aus hochempfindlichen Treibern und asketischer Weiche in einem Möbelstück aus resonanzoptimierter Faserplatte ergibt den zugleich physisch präsentesten und musikalisch sensibelsten Lautsprecher, den ich kenne.

Doch wehe, wenn die Thivanlabs losgelassen werden! Sollten es (aller Sanftmut und Gelassenheit zum Trotz) Kontostand, Umwelt oder Vorgesetzter erfordern, einmal ordentlich Dampf abzulassen: Lassen Sie es die Eros 9 an Ihrer statt herausschreien. Ob Rammstein, Manson, Wagner, Stones oder Scooter. Alles, was nötig erscheint, der Umwelt Ihr momentanes Missfallen kundzutun, ist erlaubt. Die Pegelfestigkeit der Eros 9 unter Extrembedingungen, unterhält nicht nur die Hausgemeinschaft, auch entferntere Nachbarn könnten noch etwas davon haben, wenn man zufällig mal mit der Lautstärke abrutscht. Einmal Prodigy zu laut, schon fallen Bilder von der Wand und die Brille zerbröselt. Wenn er nicht dieses wohlige Gefühl in der Magengegend erzeugen würde, könnte man den Schalldruck, zu dem die Eros 9 fähig ist, auch als versuchte Körperverletzung missdeuten.

 

Thivan Eros 9Standlautsprecher Thivanlabs Eros 9 Anniversary

Funktionsprinzip: Zwei-Wege-Standlautsprecher, bassreflex

Impedanz: 8 Ohm

Empfohlene Verstärkerleistung: ab 7 Watt

Belastbarkeit: 180W

Wirkungsgrad: 98db

Frequenzbereich: 33 Hz–20 kHz

Ausführungen: Rosenholz- oder Walnussfurnier

Maße: (B/H/T): 45/105/35 cm

Gewicht: 45 kg/St.

Garantiezeit: 2 Jahre

Paarpreis: 3800 Euro

 

www.tcg-gmbh.de

www.thivanlabs.de

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.