Kruder & Dorfmeister – The K&D Sessions (25th Anniversary Edition)
Eine Hochzeit im Unterfränkischen im September 1999, auf einer Burg mit Ausblick in die spätsommerlichen Silvanerlagen. Es wird getanzt zum hochzeitstypischen Hit-Potpourri, Alanis Morissette, Weather Girls, Zappa.
Der nächste Tag ist dezent geprägt von einer zu kurzen Nacht, unerwünschten Ohrwürmern („It’s Raining Men“) und den melancholischen Gefühlen des Singles, der dem glücklichen Paar noch einmal von Herzen gratuliert, ihm dann den Rücken kehrt und allein zurück nach Hamburg fährt. Im vom Vater geliehenen BMW, ein betagtes Modell ohne Klimaanlage, aber mit sehr guter Audioanlage samt CD-Wechsler. Den habe ich unter anderem mit den zwei CDs eines Doppelalbums gefüttert, das gerade veröffentlicht worden ist: The K&D Sessions des österreichischen DJ-Duos Kruder & Dorfmeister.
Es ist heiß im Auto, die Sonne knallt aufs schwarze Blech. Dennoch lasse ich die Fenster zu und das Gebläse auf minimaler Umdrehung: Kein störendes Geräusch soll den Genuss dieser beiden CDs stören, die ich bis dahin zu Hause nur nebenbei gehört habe. Jetzt verfalle ich der Magie der Musik. Den langsam wabernden Klangkaskaden, den schnellen Drum’n’Bass-Passagen, dem insgesamt perfekt exakt austarierten elektronischen Groove einer hyperaktiven Lavalampe. The K&D Sessions vereinten seinerzeit die wichtigsten Remixe, die die beiden Wiener Soundtüftler Peter Kruder und Richard Dorfmeister bis dahin im Auftrag von Trip-Hop- und Drum’n’Bass-Künstlern wie Alex Reece, Count Basic oder Rockers Hi-Fi und auch arrivierten Pop-Großunternehmen wie Depeche Mode erstellt hatten.
Schnellvorlauf: Die Ehefrau (irgendwann hatte ich dann selbst Ja gesagt) spielt mit der Katze, Töchter laufen hin und her, in der Küche kocht ein Topf Reis über. Ich liege auf dem Sofa, Kopfhörer auf, bin in meiner eigenen Welt. Kruder & Dorfmeister haben 2024, zum 25. Jubiläum ihres seinerzeit bahnbrechenden Werks, das sich bis heute mehr als eine Million Mal verkauft hat, eine remasterte Version mit einer Handvoll weiterer Remixe veröffentlicht. Verantwortlich dafür zeichnet die Master-Legende Bernie Grundman, heute über achtzig Jahre alt und bekannt für seine Arbeit an Steely Dans Jahrhundertwerk Aja oder Michael Jacksons Thriller. Schon das erste Stück, ein Remix von „Heroes“ des britischen Künstlers Roni Size, lässt die Welt der späten Neunziger wieder wach werden. Dieses gutturale Elektro-Wah-Wah, während ein Trommelstock den metallenen Rand einer Snaredrum bearbeitet. Eine Basslinie pendelt von links nach rechts, von oben nach unten, ganz so, als zeige Lionel Messi mit einem aus Sounds genähten Fußball ein paar irre Tricks. Das ist die große Kunst von Kruder & Dorfmeister: Einen Song – besonders gut auch zu erleben beim Remix von Depeche Modes „Useless“ – so weit zurückzubauen, dass nur noch das tragende Gerüst steht, dieses dann mit selbst komponierten Loops und kleinen Samples auszustatten, bis eine nahezu eigenständige Kunst entsteht. Ein Kunstwerk, das die Seele des Originals in sich trägt, diese aber auf eine neue Bewusstseinsebene hebt. Macht das Sinn? Zum besseren Verständnis empfehle ich die Interpretation von Count Basics „Speechless“: Wie hier nervöse Trommeltriolen um einen standfest positionierten Bass tanzen, wie jazzige Keyboardsounds ein Elektro-Nirwana manifestieren, das ist Musikgeschichte, ein Blick in die tatsächlich kreativen neunziger Jahre jenseits von Snap! oder den Spice Girls.
Ein besonderes Highlight auf dem remasterten Meisterwerk: Der elfminütige Remix von Madonnas „Nothing Really Matters“. Wie hier ein Pop-Phänomen dekonstruiert und zugleich geehrt wird, der Sängerin Stimme auf ein Loop reduziert und mit funky Gitarre und Slap-Bass-Sample alles aus der guten Originalkomposition herausgeholt wird: Besser hat Madonna davor und danach nie geklungen.
Kruder & Dorfmeister – The K&D Sessions (25th Anniversary Edition)
Label: !K7 Records
Format: 3 CD, 6 LP, DL 16/44



