Auer Versura V4
Und plötzlich waren sie da: zwei herrlich intensivrote Lautsprecher von einem Hersteller, der erst seit wenigen Jahren existiert, aber schon wie eine etablierte Größe wirkt. Wo kommen sie her? Wie haben sie so einen Start hingelegt? Und vor allem – was können sie?
Die Geschichte von Auer Acoustics ist ganz offensichtlich keine typische Newcomer-Story. Von vielversprechenden, aber noch zarten ersten Gehversuchen kann hier keine Rede sein: Sowohl auf der Finest Audio Show als auch auf der HIGH END war die 2021 gegründete Marke mit Auftritten vertreten, die auch den Großen der Branche zur Ehre gereichen würden. Als wäre das noch nicht genug, hat man sich dieses Jahr auch noch auf den Weg übern Teich gemacht und auf der Axpona gleich zwei Räume bespielt. Seit etwa einem Jahr ist die Produktion der Auer-Lautsprecher in vollem Gange – wobei „in vollem Gange“ heißt, dass man sich in sorgsamer Manufakturarbeit für jedes Pärchen ungefähr eine Woche Zeit lässt. Und in diesem Umfang ist der in Amerang, unweit des Chiemsees, ansässige Hersteller voll ausgelastet: Über 60 Paare haben mittlerweile neue Besitzer gefunden, und das weltweit – wundern Sie sich also nicht, wenn Ihnen Ihr Gastgeber in Korea seine brandneue Auer Acoustics vorführt.
Die klassische Geschichte vom talentierten Garagenbastler, wie sie manch einen heute hoch geachteten Hersteller hervorgebracht hat, kann unmöglich mit einem solchen Paukenschlag beginnen. Tatsächlich steht hinter der jungen Marke ein bestens etabliertes mittelständisches Unternehmen, das Kunststoff zu Verpackungen und Holz zu Küchenausstattungen verarbeitet. Die Verbindung zu HiFi erschließt sich Ihnen nicht? Verständlich – spulen wir deshalb zum Anfang vor dem eigentlichen Anfang zurück …
Alles zu seiner Zeit
… und landen schließlich doch bei einem talentierten Garagenbastler – konkret bei der 15-jährigen Version von Robert Auer, der gerade nur so zum Spaß seinen ersten Lautsprecher konstruiert hat. Der gefällt nicht nur ihm außerordentlich gut, und bald wird aus einem Paar eine gute Handvoll, die sich in den Hörzimmern seines Freundes- und Bekanntenkreises breitmachen darf. Im Zuge seiner Schreinerlehre sammelt er die Handgriffe auf, die schöne und sauber gefertigte Gehäuse möglich machen, seine Bandaktivitäten – zunächst Volksmusik („ist auf dem Land halt so“), später Jazz – machen ihn nachhaltig mit dem natürlichen Klang unverstärkter Instrumente vertraut. Die Idee, Kunststoffelemente für die Industrie zu fertigen, führt Auer jedoch bald auf einen anderen Pfad: Aus der Idee wird ein Unternehmen, das über die Jahre und Jahrzehnte des Erfolgs zur heutigen stattlichen Größe heranwächst.
Doch die Liebe zu Musik und gutem Klang hat Auer zeitlebens nie losgelassen. Er vergaß seinen Traum vom Lautsprecherbau nicht, er lagerte ihn nur ein und wartete auf den passenden Moment. Der kam 2021, als er sich aus dem aktiven Tagesgeschäft zurückzog und somit auch die Zeit und die mentalen Kapazitäten frei hatte, seine volle Aufmerksamkeit auf die Verwirklichung seines Jugendtraumes zu richten – und dabei auf eine völlig neue Dimension an Mitteln und Möglichkeiten zurückgreifen konnte, was uns wieder zum Anfang im Hier und Jetzt zurückführt.

Nur auf den ersten Blick gewöhnlich
Als die Versura V4 in unserem Hörraum eintraf, rieb ich mir schon freudig die Hände – ich hatte bereits auf der HIGH END eine Kostprobe erleben dürfen und war von dem Gehörten schon sehr angetan. Allerdings kann man sich die Frage stellen, ob eine Welt voller relativ konventioneller Lautsprecher wirklich den nächsten relativ konventionellen Lautsprecher benötigt. Das entscheidende Stichwort hier ist „relativ“ – auch wenn Auer mir im Gespräch erklärt, dass er nichts bahnbrechend Neuartiges auf die Auslegerfüße stellen wollte, sondern einfach einen richtig gut gemachten Schallwandler in klassisch-geradliniger Optik, hebt sich die Versura-Linie in mehrfacher Hinsicht von der breiten Masse ab: Die Galionsfigur unter den technischen Besonderheiten ist das Gehäusematerial. Bereits bei der Anlieferung wurde schnell klar, dass die V4 dichter ist als andere Lautsprecher. Wir hatten es zwar schon mit wesentlich schwereren Kaventsmännern zu tun, aber bei der moderaten Größe kann einen das schiere Gewicht durchaus überraschen: Was nach vielleicht 40 Kilo pro Stück aussieht, bringt tatsächlich mehr als das Zweieinhalbfache davon auf die Waage.
Warum? Weil alle Auer-Modelle aus Panzerholz gefertigt sind. Das unter extremem Druck verpresste und in Phenolharz gebundene Material eignet sich laut Auer ideal für Lautsprecher, was nicht nur daran liegt, dass es bei hoher Steifigkeit die hervorragende innere Dämpfung des Ausgangsmaterials Holz mitbringt, sondern auch, weil sich durch das Herstellungsverfahren eine Langzeit-Formhaltigkeit einstellt, die bei Holz nur schwer zu erzielen ist.

Vom Fundament weg kontrolliert
Für die Marketingabteilung sind die Panzerholzgehäuse das Alleinstellungsmerkmal der Wahl, sie dürfen aber ebenso sinnbildlich für die gesamte Klangphilosophie verstanden werden, die auch alle anderen, vielleicht weniger verkaufbaren technischen Merkmale erklärt. Eine Klangeigenschaft war mir sowohl auf der Messe als auch beim Warmspielen im Verlagsgebäude sofort aufgefallen: der ungemein straffe, schnelle und knackige Bass. Während ich auf der Messe nur mutmaßen konnte, war es nun im Hörraum möglich, meine Vermutung nach Belieben zu überprüfen: An keiner der Gehäuseseiten ist ein Bassreflexrohr zu erkennen, und auch nach unten ist die Versura dicht. Geschlossene Lautsprecher sind völlig zu Unrecht eine echte Seltenheit im Markt – eine Designentscheidung, die viele, viele Hersteller bitte umgehend kopieren mögen!
Beim Schmökern im Marketingmaterial kommt einem der Fokus auf einen möglichst straffen und kontrollierten Bass, auf dessen Basis sich dann ein ebenso lebendiges wie natürliches Klangbild entfalten soll, direkt und in aller Deutlichkeit entgegen. Klar brüstet man sich auch mit Tiefgang – gegenüber den Tugenden der Schnelligkeit und Präzision spielt der jedoch nur die zweite Geige.

Wohnzimmertauglich hoch zwei
Ganz nebenbei macht ihre Bauweise die Versura umgänglicher im Alltag: Ob wir vom „Woman Acceptance Factor“ oder von einem „nahtlosen Einfügen in jede Wohnumgebung“ sprechen wollen – beide Phrasen werden von Herstellern reichlich bemüht, wobei sie sich in der Regel allein auf die Optik beziehen. Sie werden mir sicherlich zustimmen, wenn ich hier schreibe, dass das reine Aussehen in diesem Kontext zweitrangig wird, wenn die Lautsprecher zwingend mindestens mit 1,85 Meter Abstand von der Rückwand aufzustellen sind, um einen aufgeblähten Oberbass zu vermeiden. Genau hier kommt ein weiterer Vorteil eines geschlossenen Systems zum Tragen: Eine auf dem Papier höhere untere Eckfrequenz relativiert sich schnell, wenn der Schallwandler im Frequenzkeller Schützenhilfe von der Wand nicht nur duldet, sondern praktisch verlangt. Dass der Pegel unterhalb dieser Grenzfrequenz deutlich flacher abfällt als bei Bassreflexkonstruktionen, macht geschlossene Designs zudem wesentlich gutmütiger bei der Aufstellung.
Was sich bei unseren Testdurchgängen direkt bestätigte: Ich habe, glaube ich, noch keinen Probanden in unserem Hörraum gehabt, der sich im Bass so einfach und problemlos in den Griff bekommen ließ: Die seitlichen Bässe gehören nach innen, die Lautsprecher einen Tick näher an die Wand, als man für vernünftig hält, Pi mal Daumen einwinkeln, passt. Das Schöne – in der Regel gibt es eine perfekte Aufstellung für die Bassperformance und eine andere für die Bühnenabbildung. Die Versura V4 kann man getrost auf die Abbildung hin feineinstellen, der Bass performt in aller Regel zumindest nahe am Optimum.

Textur, Textur, Textur
Auf „Way Out Way In“ von Yassassins gleichnamigem Album zwingt die Bassistin ihr Instrument in die allertiefsten Lagen – die Versura hat nicht die geringste Mühe, mit hinunterzusteigen und zeichnet die geradezu sichtbar vibrierenden Saiten plastisch in den Hörraum. Die knorrige Textur des Klangs kommt messerscharf konturiert und zaubert mir ein breites Grinsen ins Gesicht, das von der knochentrockenen Direktheit des Beats nur noch breiter wird. Auch die Orgel in Johann Gottfried Walthers Orgelkonzert in A-Dur (Alf Linder auf dem Weihnachts-Album Cantate Domino) wabert in voller Autorität durch den Hörraum. Klar gibt es Lautsprecher, die in den untersten Oktaven nochmal ein Pfund drauflegen, aber ganz ehrlich: Das ist dann oft nicht zwingend die Art der Basswiedergabe, die ich in meinem Musikleben brauche.
Höchst zufrieden mit dem Untergeschoss wende ich mich den japanischen Indierockern 88Kasyo Junrei mit ihrem jüngsten, fürs erste albumlos veröffentlichen Track „Yaoyoroz“ zu und freue mich tierisch, mit welcher Selbstverständlichkeit die Auer Acoustics das Riff aufdröselt, das gefühlt 17-mal so viele Noten enthält, wie man bei oberflächlichem Hinhören meinen könnte, und wie schön metallisch-nasal sie die Saiten ausvibrieren lässt. In Bic Rungas „Things Behind The Sun“ schließlich trifft die Versura das unverkennbar warme Timbre der Neuseeländerin auf den Punkt, während die begleitende Gitarre vom tief dröhnenden Korpus bis ins Obertonspektrum des Saitenanschlags in absoluter Natürlichkeit den Raum füllt.
Sollte Ihnen aufgefallen sein, dass ich den Charakter der Stücke und nicht den des Lautsprechers beschreibe, dann liegt das daran, dass ich genau das gehört habe. Das einzige wirkliche „Voicing“-Merkmal, das der Auer Acoustics eine Ahnung von Eigencharakter mitgibt, ist neben dem ungemein straffen, schnellen und konturierten Bass allenfalls ein Hauch einer Emphase im Brillanzbereich – der Lebendigkeit hilft’s, und aufdringlich wird es nur bei Stücken, die auch über brettflache Studioabhören leicht nerven.
Um zu unserer Frage des relativ gewöhnlichen Lautsprechers zurückzukommen: Die Auer Versura V4 sieht ziemlich normal aus, ist ziemlich konventionell aufgebaut, ziemlich neutral abgestimmt – und klingt absolut fantastisch. Warum? Wohl nicht zuletzt, weil sie sich genau da, wo fast alle anderen sich mit Bassreflexsystemen verkünsteln, den eigentlich konventionelleren Weg des geschlossenen Systems geht – der Bass legt das Fundament und steht den höheren Registern absolut nie im Weg, sodass die sich umso freier entfalten können. Wir brauchen unbedingt viel mehr solcher Lautsprecher!
Info
Lautsprecher Auer Versura V4
Konzept: geschlossener 4-Wege-Standlautsprecher, passiv
Bestückung: 31-cm-Tieftöner, 18-cm-Tiefmitteltöner, 12-cm-Mitteltöner, 34-mm-Beryllium-Hochtöner
Terminal: WBT Single-Wire (Bi-Wiring-Terminals optional erhältlich)
Frequenzbereich (±3 dB): 20 Hz bis 40 kHz
Nennimpedanz: 8 Ω (Minimum: 6 Ω)
Wirkungsgrad: 90 dB
Empfohlene Verstärkerleistung: 20 bis 200 W
Besonderheiten: Panzerholzgehäuse, seitlich angeordneter Tieftöner, Dreipunkt-Standfußkonzept (äußere hintere Füße nur zur Sicherung)
Ausführungen: Schwarz, Weiß, Orange matt Standard, Walnuss, Eiche sowie diverse Hochglanzlackierungen gegen Aufpreis (auf Wunsch alle RAL-Farben möglich)
Gewicht: 98 kg
Maße (B/H/T): 22/119/46 cm
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: um 45 000 €
Kontakt
Auer Acoustics
Am Kroit 25/27
83123 Amerang
Telefon +49 8075 91333-890
info@auer-acoustics.com
Mitspieler
CD-Player: Ayon CD-3sx, Audio Note CD 3.1x
Netzwerkplayer/Streamer: Lumin P1
Vorverstärker: Soulnote P-3, Phasemation SA-1500
Vollverstärker: Mavis M90, Aavik I-580
Endverstärker: Burmester 216, Riviera AFS-32, Soulnote M-3x
Lautsprecher: Acapella La Campanella, Wilson Audio Sasha DAW
Rack: Solidsteel, Finite Elemente, beaudioful
Kabel: AudioQuest, HMS, in-akustik, Vovox







