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Interview mit D/troit

D/troit im Interview mit FIDELITY

„Bei Musik denken wir englisch“

D/troit – „Bei Musik denken wir englisch“

Dänemark ist für vieles bekannt: bunte Legosteine, leckere Hotdogs und eine gute Fahrradinfrastruktur zum Beispiel. Soulmusik gehörte bislang nicht dazu. Die Kopenhagener Soul-Band D/troit möchte das ändern.

Fotographie: Bix

Gerade ist ihr zweites Album Heavy erschienen. Im Interview mit FIDELITY verraten Sänger Toke Bo Nisted und Keyboarder Mads Jensen, wie sie Grammy-Gewinner Gabe Roth überzeugten, ihre Debütplatte zu mixen, wie sie Retro-Sound mit modernen Elementen kombinieren und weshalb sie niemals auf Dänisch singen werden.

Interview mit D/troit

“We’re red, we‘re white – we’re danish dynamite.” In rotem und weißem Poloshirt sitzen Toke Bo Nisted und Mads Jensen vor mir. Farblich passend zum Dannebrog, der Landesflagge ihrer Heimat Dänemark. Die Musik jedoch, über die wir sprechen wollen, klingt so gar nicht dänisch. Ihre Band D/troit hat gerade erst ihr zweites Album veröffentlicht, dennoch haben sie sich bereits international einen Namen gemacht. Der Kaffee vor uns dampft. Legen wir los.

Eines muss ich gleich vorweg fragen: Eure Band heißt „D/troit“, ihr macht Soulmusik. Wie reagieren die Menschen, wenn dann eine dänische Band aus Kopenhagen die Bühne betritt?

Toke Bo Nisted: Es stimmt schon, fünf weiße Jungs aus Skandinavien sind natürlich nicht das Erste, was den Menschen in den Sinn kommt, wenn sie an Soulmusik und an Detroit, die Heimat des Motown-Labels, denken.

Mads Jensen: Der Bandname zollt genau dieser Musik Tribut. Soul gehört zu Detroit, er wurde dort zu dem, was er heute ist. Aber Musik ist nicht nur für eine Gegend bestimmt. Und da kommen wir dann ins Spiel.

Die Soul-Szene in Dänemark ist nicht sonderlich groß. Ihr wolltet das verändern, habt ihr mal gesagt. Schon erfolgreich gewesen?

Jensen: Wir haben uns eben vor dem Interview genau die gleiche Frage gestellt. Wir stehen noch am Anfang. Ganz am Anfang.

Nisted: Nicht falsch verstehen, in dänischen Cafés oder Restaurants läuft durchaus auch Musik von Charles Bradley. Und hier entstehen gerade auch die ersten Soul-Festivals. Das ist ein Fortschritt.

Jensen: Soul ist in Dänemark aber noch immer Musik für die absolute Nische. In Deutschland ist Soul größer und wichtiger. Wir haben deshalb schon häufiger darüber nachgedacht, einfach Deutschland als unsere Heimat anzusehen. Ein viel besseres Pflaster für uns. (lacht)

Interview mit D/troit

Euer erstes Album Soul Sound System ließ 2017 die Soul-Welt aufhorchen: Soul aus Dänemark, der auch noch klingt wie die Reinkarnation von James Brown – das war damals eine ziemliche Überraschung. Wie waren die Reaktionen?

Nisted: Am Anfang waren die Menschen mit uns überfordert, glaube ich. Da wurden wir als James-Brown-Abklatsch verschrien. Dass wir das gar nicht sind, konnten wir nur zeigen, indem wir Shows in ganz Dänemark, aber auch in Deutschland gespielt haben. Die Leute haben sich mit uns auseinandergesetzt – und angefangen wertzuschätzen, was wir da machen.

Auf der anderen Seite habt ihr auf der neuen Platte Heavy mit „Gotta Have Soul“ einen Song, bei dem man sich durchaus die Frage stellen könnte, ob ihr nicht ganz bewusst die Ähnlichkeit zur Musik von James Brown sucht …

Toke Bo Nisted: Das ist tatsächlich ein Tribute-Song für ihn. Wir haben uns bei dem Song auch gefragt, ob das nicht ein bisschen zu dick aufgetragen ist und ob wir das so bringen können. Das ist ja quasi James Brown mit dem Vorschlaghammer. Und dann haben wir uns umgehört. Alle, die wir gefragt haben, meinten: Das klingt gut, nehmt den aufs Album. Und deshalb ist der Song genau so auf dem Album.

Jensen: Wir haben sogar von den Leuten, die früher mit James Brown zusammengearbeitet haben, quasi den Segen erhalten. „Bootsy“ Collins, sein ehemaliger Bassist, hat uns mal gesagt, dass ihm unsere Musik gefällt. Darauf sind wir echt stolz.

In euren Songs spielt ihr ja gern mit Retro-Einflüssen. Bläsersätze, Backing Vocals, ein schlagender Beat und crunchige Gitarren. Gibt es auch moderne Elemente?

Jensen: Natürlich hat man bei uns dieses Retro-Feeling. Das hat Soul so an sich. Auf diesem Album wollten wir aber moderner klingen. Bei unserer ersten Single „I Want You“ haben wir deshalb zum Beispiel Hiphop-Sounds einfließen lassen.

Die Klavierakkorde und der Rhythmus von „I Want You“ erinnern mich auch an Aloe Blaccs „I Need A Dollar“. Der Song war 2010 ein Riesen-Hit. Normalerweise dominiert diese Art von Musik die Charts jedoch nicht, gerade in Europa. Warum ist Soulmusik nicht populärer?

Nisted: Wir erleben derzeit eine Musik-Ära, in der ganze Alben auf dem Smartphone produziert werden können. Das Konstrukt einer großen Band hat es da vielleicht schwerer. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Popstars, die Einflüsse aus Soul oder auch Funk in ihre Musik integrieren. Ich denke deshalb, dass Soul durchaus populär ist. Aber eben auf eine andere Art und Weise, als das früher der Fall war.

Ihr habt vor D/troit alle in Punkbands gespielt. Konntet ihr Elemente von damals in eure heutige Musik übertragen?

Nisted: Im Punk geht es eher darum, in kurzer Zeit möglichst laut möglichst viele Töne unterzubringen. Beim Soul passiert das, was die Musik ausmacht, zwischen den Tönen. Der Groove entsteht durch geschickt gesetzte stille Momente. Das hat es für uns, gerade am Anfang, schwer gemacht, Soul-Songs zu schreiben. Deshalb hat es auch gedauert, ehe wir die erste D/troit-Platte herausbringen konnten.

Ist Deine raue Stimme, Toke, auch ein Überbleibsel dieser Punk-Vergangenheit?

Nisted: Ich hatte nie Gesangsunterricht. Liam Gallagher und Rod Steward fand ich cool. So wollte ich auch klingen und hab dann einfach drauflos gesungen. Auf dem neuen Album habe ich aber eigentlich versucht, nicht so sehr zu röhren.

Jensen: Du hast vielleicht nicht so geröhrt, dafür wurde deine Stimme aber diesmal definitiv rauer abgemischt als auf der letzten Platte. Du hättest also auch einfach röhren können. (lacht)

Interview mit D/troit

Mixen ist ein gutes Stichwort. Bei Soul Sound System hattet ihr prominente Unterstützung. Nämlich von Gabe Roth, der schon einen Grammy für seine Mitarbeit an Back To Black von Amy Winehouse gewonnen hat. Wie habt ihr ihn überzeugt, euch zu unterstützen – bei eurem Debüt, wohlgemerkt?

Jensen: Lustige Geschichte … Wir kannten ihn natürlich vom Namen und fanden es spannend, mit ihm zusammenzuarbeiten. Und dann haben wir einfach versucht, seine E-Mail-Adresse zu erraten. Zig Mails gingen an verschiedenste Mailadressen raus, die wir für realistisch hielten. Tja, und eine ist wirklich angekommen. Eines Tages ploppte bei uns im Postfach folgende Nachricht auf: „Ihr habt mich also gefunden.“ Für uns war das ein Privileg. Besonders für unser Standing in der Szene. Weltweit hat es für Aufmerksamkeit gesorgt, dass der große Gabe Roth diese neuen Jungs aus Dänemark unterstützt.

Auch Heavy wurde prominent gemixt. Unter anderem von Wayne Gordon, der schon mit Bruno Mars oder Mark Ronson zusammengearbeitet hat. Welchen Einfluss hatte er auf eure Musik?

Nisted: Wir haben die Platte von vier verschiedenen Personen mixen lassen. Jeder einzelne bringt seinen persönlichen Stil mit. Und so kam manches Lied rauer zurück zu uns, oder eben auch deutlich smoother.

Jensen: Was die teils aus unserer Musik gemacht haben, hat uns echt überrascht. Die Herausforderung dabei war allerdings, dass alle Lieder auf das gleiche Album passen sollten. So gern wir auch experimentieren, kein Song durfte völlig aus der Reihe tanzen.

Ein durchweg smoother Song ist „Let’s Make A Baby”. Ich habe auf Instagram gesehen, dass du, Toke, auch gerade Vater geworden bist. Ein sehr persönlicher Song also?

Nisted: Wir in der Band haben inzwischen alle Kinder. Mit dem Song wollten wir ausdrücken, dass wir erwachsener und reifer geworden sind. Es geht nicht um irgendwelche Abenteuer mit den Mädchen der Stadt. Sondern darum, den Frauen, die wir lieben, unsere Liebe für sie auszudrücken.

Ihr habt mal gesagt, eure Musik sei für Vinyl-LPs konzipiert. Wie meint ihr das?

Jensen: Man muss wirklich ein HiFi-Enthusiast sein. Aber dann hört man die Unterschiede zwischen Vinyl und CD, wie ich finde. Für mich klingt Vinyl immer etwas wärmer. Und das passt zum Soul, zu unserer Musik.

Nisted: Und eine Vinyl-Platte zu produzieren ist auch etwas anderes, als bei Spotify eine Playlist zu erstellen. Bei einer LP geht es darum, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, bestehend aus zwei verschiedenen Seiten, die durchaus zwei ganz verschiedene Facetten zeigen können. In Playlists werden schlicht die besten Songs hintereinander aufgereiht. Das ist kein Konzept.

Habt ihr eigentlich mal darüber nachgedacht, auf Dänisch zu singen? Die Metalband Volbeat, wie ihr aus Kopenhagen, konnte mit einigen Songs auf Dänisch weltweit Erfolge feiern.

Jensen: Das stimmt. Aber das wird nie passieren. (lacht) Soul ist nicht dänisch. Die Sprache würde einfach nicht passen.

Nisted: Hinzu kommt, dass wir noch nie einen Song auf Dänisch geschrieben haben, auch als Punkband nicht. Ich wüsste gar nicht, wie das geht. Bei Musik denken wir englisch.

Danke für das Gespräch.

Interview mit D/troit


Info

D/troit ist eine dänische Soul-Band, die im Jahr 2010 in Kopenhagen von Sänger Toke Bo Nisted, Keyboarder Mads Jensen, Gitarrist Klaus Højbjerg, Bassist Jackie Larsen und Schlagzeuger Stefan Andersen gegründet wurde. Der Bandname zollt den Ursprüngen der Soulmusik und speziell dem Motown-Sound Tribut. 2016 wurde D/troit als „Best New Band“ bei den Scandinavian Soul Music Awards ausgezeichnet. Ein Jahr später erschien ihr erstes Album Soul Sound System, bei dem sie unter anderem Unterstützung von Grammy-Gewinner Gabe Roth hatten. Seitdem touren die fünf Dänen durch Nordeuropa und fühlen sich vor allem in Deutschland sehr wohl. Heavy ist ihr zweites Album und wurde Anfang Juni veröffentlicht.

Heavy von D/troit auf JPC

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