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John McLaughlin - Electric Guitarist

John McLaughlin – Electric Guitarist

Die heimlichen Meisterwerke des Jazz, 1978

John McLaughlin – Electric Guitarist

Jazz ist unübersichtliches Gelände – leicht kann man da Bedeutendes übersehen. Hans-Jürgen Schaal präsentiert unbesungene Höhepunkte der Jazzgeschichte.

Zu Beginn der 1970er Jahre war John McLaughlin einer der Superstars an der elektrischen Gitarre. Der Drummer Tony Williams holte den Engländer zu Lifetime, der Pionierformation des Fusionjazz. Miles Davis hörte ihn, baute seinen elektrischen Jazz um diesen Gitarristen herum, widmete ihm sogar ein Stück („John McLaughlin“) und sagte: „Keiner kann so spielen wie er.“ McLaughlin machte Platten mit Carlos Santana, Wayne Shorter, Larry Coryell. 1971 gründete er auch seine eigene Fusionjazz-Band, das Mahavishnu Orchestra, und eroberte damit die Popcharts und die größten Konzerthallen. Rockgruppen wie die Eagles oder Aerosmith spielten nur im Vorprogramm. Musiker wie Billy Cobham und Jan Hammer wurden durch das Mahavishnu Orchestra berühmt.

Dann, 1975: eine überraschende Wendung. McLaughlin ließ den elektrischen Rockjazz bleiben und gründete Shakti, ein rein akustisches Worldjazz-Quartett. Seine Fans staunten, manche waren geschockt. „Erst das Mahavishnu Orchestra, diese laute, elektrische Band – und nun saß ich einfach nur mit indischen Musikern auf einem Teppich. Weder meine Plattenfirma noch mein Agent oder Manager nahmen die Sache gut auf“, erzählt McLaughlin. „Sie hielten mich für verrückt und befürchteten das Schlimmste.“ Drei Jahre lang war McLaughlin nur noch akustisch zu hören. Er hatte sich für Shakti extra eine besondere Gitarre bauen lassen, eine mit sieben zusätzlichen Resonanzsaiten – nach dem Vorbild der indischen Veena.

Dann die Kehrtwendung: die Platte Electric Guitarist. Schon der Titel signalisiert: Es ist John McLaughlins Comeback am verstärkten Instrument. Visitenkarte und Jugendfoto auf dem Cover versprechen die Rückkehr zu seinen (elektrischen) Wurzeln.

John McLaughlin - Electric Guitarist

Die Leute von der Plattenfirma atmen auf. Allerdings hat sich McLaughlin fürs elektrische Comeback erneut eine besondere Gitarre anfertigen lassen: mit gewölbtem Griffbrett wie bei der Sitar, ideal für Mikrotöne und „note bending“. Man hört es gleich im ersten Stück: Das ist der Sound des Mahavishnu Orchestra, aber indischer, exotischer. Das Feeling einer Fusion-Walzerballade, durchsetzt mit lichtschnellen Motivläufen wie bei Shakti.

Dieses Comeback ist kein simples Comeback. Es ist eher so, als würde McLaughlin lauter lose Fäden aufgreifen und sie fortspinnen. Jedes der sieben Stücke spielt er in einer anderen Besetzung – und jede Besetzung gründet in einer seiner früheren Bands. In „New York In My Mind“ hören wir ihn mit einem erneuerten Mahavishnu Orchestra, in „Friendship“ mit dem spirituellen Bruder Carlos Santana und dessen Latin-Rock-Gruppe, in „Are You The One? Are You The One?“ mit Ex-Kollegen von Lifetime. Es gibt fast jede Besetzungsgröße vom Solo bis zum Septett – betörende Fusion-Balladen und atemberaubend schnelle Rockjazz-Ausbrüche. Das Personal liest sich wie ein Who’s who der Rock- und Jazzszene der Seventies – von Jack Bruce, Stanley Clarke und Chick Corea bis hin zu Stu Goldberg, Jerry Goodman und David Sanborn. Electric Guitarist ist auch eine grandiose Schlagzeuger-Platte. Jack DeJohnette, Tony Williams, Billy Cobham trommeln mit fast übermenschlicher Virtuosität. „Es gibt kein schwaches Stück auf dem gesamten Album“, heißt es bei AllAboutJazz.

Natürlich ist der Gitarrist in Topform. Wild, abstrakt, herausfordernd, unberechenbar wogen seine Improvisationen. Und am Ende: McLaughlin solo an der Elektrischen mit einem Jazzstandard. Auch die Jazztradition ist 1978 ein loser Faden, den er wieder aufgreift. Zugleich klingt dieses „My Foolish Heart“ aber nach Zukunft, nach neuer Perspektive. Denn dieses Album war „die letzte wichtige Aufnahme der Jazz-Fusion-Bewegung“ (Walter Kolosky).

www.johnmclaughlin.com

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