Machine Head / Re-Machined
Es gibt nicht nur Coverversionen von Songs. “Gecovert” werden auch die Plattenhüllen. Das gecoverte Cover: Ist es witzige Anspielung, respektvolle Verehrung, Parodie – oder hat es einen tieferen Sinn?
Deep Purple gehörten zu den erfolgreichsten Rockbands der frühen 1970er Jahre. Die gefeierte zweite Besetzung („Mark II“) mit Ian Gillan und Roger Glover veröffentlichte von 1970 bis 1973 vier Studioalben sowie ein Live-Doppelalbum. Vier dieser fünf Veröffentlichungen kletterten in Deutschland auf Platz eins in den LP-Charts. Die erfolgreichste von ihnen war Machine Head – „das Album, wo alles zusammenkam“, wie der Band-Mitgründer Ian Paice sagte. Machine Head repräsentiert den klassischen Hardrock-Sound von Deep Purple – mit starken Riffs, starken Grooves und starken Improvisationen. Viele halten das Album für die Geburtsstunde des Heavy Metal. Stil und Sound sind kompakt, gefestigt und ziemlich einheitlich – keine Experimente, keine sanften Töne. Jon Lord, der Keyboarder, nannte Machine Head daher „trocken und ernst“. Das einzige Stück bei den Aufnahmesessions, das aus dem stilistischen Rahmen fiel, war die langsame Ballade „When A Blind Man Cries“. Sie schaffte es nicht auf die LP, sondern wurde auf die B-Seite der Single-Auskopplung verbannt.
Die Band hatte sich einiges vorgenommen für dieses Album. Man wollte die Aufnahmen nicht zwischen Tourtermine hineinpressen, sondern sich diesmal großzügig Zeit lassen. Man wollte auch kein Studio buchen, sondern diesmal in einem großen Konzertsaal spielen. Für die Wochen vor Weihnachten 1971 mietete die Band das mobile Aufnahmestudio der Rolling Stones (einen Lkw) und parkte es im verschneiten Montreux am Genfer See. Doch einen Tag vor Beginn der Aufnahmen ging der vorgesehene Konzertsaal (das sogenannte Casino) in Flammen auf. Die Geschichte dieser Fast-Katastrophe ist hinlänglich bekannt – sie inspirierte noch am gleichen Tag den Song „Smoke On The Water“. Am Ende mussten Deep Purple für ihre Aufnahmen ins Grand Hotel ausweichen, das wegen Umbauarbeiten für den normalen Gastbetrieb geschlossen war. Deep Purple spielten ihre Songs in einem Hotelkorridor. Um eine Aufnahme anzuhören, war ein umständlicher Weg zum Studio-Lkw nötig.
Als die Band in die Schweiz flog, hatte man schon einen Sack voll Ideen im Gepäck – Riffs, Textzeilen, Harmoniefolgen. Bei einem Pressetermin im Tourbus in England wurde zum Beispiel der Keim für „Highway Star“ geboren, den „endgültigen Deep-Purple-Song“ (Roger Glover). Letztlich aber nahmen die Songs erst bei der Arbeit im Studio wirklich Gestalt an. Deshalb heißt es im Begleittext: „Written and recorded in Montreux“. Der Songtext zu „Pictures Of Home“ ist von der alpinen Winterlandschaft rund um Montreux inspiriert. Das Riff für „Smoke On The Water“ soll Ritchie Blackmore am Abend des Casino-Feuers eingefallen sein. Ian Gillan hielt gleichzeitig die dramatischen Ereignisse in Songlyrics fest. Roger Glover fiel drei Tage später die Titelzeile ein: „Smoke On The Water“. Eigentlich war der spontane Song nur als „Füller“ gedacht. Dass er Deep Purples berühmtestes Stück werden würde, erwartete damals keiner in der Band. Dafür glaubten alle an die Hit-Qualitäten von „Never Before“. Dieser Song wurde daher als Single ausgekoppelt – und war „der größte Flop“ (Roger Glover).
Rechtzeitig zum 40-jährigen Jubiläum von Machine Head hatte Drew Thompson die Idee, einen „Tribute“ an das Album anzuleiern. (Thompson wurde durch mehrere Dokumentarfilme zur Geschichte von Deep Purple bekannt.) Kurzerhand rief er einige der bekanntesten Rockmusiker an – und rannte mit seiner Idee offene Türen ein. Der Drummer Lars Ulrich von Metallica meinte nur: „Deep Purple waren besser als irgendwer sonst.“ Der Sänger Bruce Dickinson von Iron Maiden: „Mit Machine Head bin ich aufgewachsen, das holte mich morgens immer aus dem Bett.“ Der Gitarrist Joe Bonamassa erinnerte sich an „Samstagabende zu Hause mit meinem Dad, der Machine Head immer und immer wieder aufgelegt hat.“ Der Drummer Chad Smith von Chickenfoot erzählte, er habe Machine Head einst unterm Kopfhörer gehört – „im Zimmer meines Bruders, als ich elf Jahre alt war.“ Kurzum: Die angefragten Bands waren Feuer und Flamme für die „Tribute“-Idee.
Das Album Re-Machined versammelt sämtliche Stücke von Machine Head in neuen Versionen. Sogar Carlos Santana macht mit, Joe Satriani, Steve Stevens … An Sängern: Sammy Hagar, Glenn Hughes, James Hetfield … An Schlagzeugern: Dennis Chambers, Anton Fig, Lars Ulrich … Um „Highway Star“ kümmern sich die Musiker von Chickenfoot – die hatten das Stück ohnehin im Konzertprogramm und schickten einfach einen Livemitschnitt. Für „Never Before“ gründeten (Ex-)Musiker von Def Leppard, Guns N’Roses und Billy Idol sogar eine neue Band (Kings Of Chaos). Carlos Santana verfeinert „Smoke On The Water“ – und The Flaming Lips liefern vom gleichen Song eine psychedelische Alternativ-Version mit Elektronik, verzerrter Sprechstimme, düsterem Chor: „Warum nicht einmal komplett anders?“ Die Band Metallica schließlich kaprizierte sich auf den „Out-Take“, nämlich die Ballade „When A Blind Man Cries“ – diesen Song wollten sie nämlich schon immer mal spielen. Hammett legt Gitarrenbänder hinter den Gesang, der Mittelteil setzt zur Steigerung an – und nach dem letzten Refrain wird es dann richtig laut.
Übrigens: „machine head“ bedeutet nicht etwa „Motorenfreak“. Auch nicht „Maschinenleitstelle“. Mit „machine head“ bezeichnet man die Stimmschrauben an Gitarre oder Bass. Die Rückseite der Albumhülle zeigt solche Stimmschrauben, gespiegelt in Metall – so wie die Musiker auf der Vorderseite.
Deep Purple: Machine Head (Purple, 1972)
Various Artists: Re-Machined (Eagle, 2012)




