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Neumann KH 420

Neumann KH 420

Neumann KH 420 – Graue Eminenzen

Was tut der Highender‚ wenn ein Lautsprecher klanglich extrem nah am Optimum rangiert? – Er meckert‚ was denn sonst.

Der heiße Brei? – Ich will gar nicht lang drumherum reden: Dieser Lautsprecher ist einer der verdammt besten Schallwandler, die ich jemals gehört habe. Und hier könnte ich jetzt einfach einen Punkt setzen. Könnte diese Aussage noch ein wenig auf Sie einwirken lassen, und das war’s dann für heute – vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und noch eine schöne Zeit, insbesondere mit dem Neumann KH 420, den Sie sich bestimmt gleich morgen oder übermorgen ins Wohnzimmer stellen werden …

Genau zweieinhalb Dinge sind es, die den typischen Highender (mit der großen Anlage im Wohnzimmer) davon abhalten werden, einer derart klaren Ansage vorbehaltlos zu folgen.

Erstens. Der Neumann KH 420 ist eine Kiste. Eine Box, dunkelgrau, matt lackiert und gar nicht mal so klein (und doch kein Standlautsprecher). Ein schmuck- und humorloses, also perfektes Werkzeug, gedacht von Profis, gemacht für Profis. Ich persönlich habe mit der kompromisslosen Tarn-Optik überhaupt kein Problem (und außerdem ein Hörstudio im Keller). Kollege Ingo Schulz, dem „Profizeugs“ noch ein bisschen mehr zugeneigt als ich, findet den schnickschnackfreien Look sogar richtig klasse. In einem typischen Wohnumfeld allerdings, wie auch immer das konkret ausschauen mag, wirkt ein Pärchen Neumann 420 ziemlich ernüchternd. Natürlich ist für einen Studiomonitor die völlige Zurücknahme auch in puncto Optik optimal. Im „richtigen“ Alltag aber sorgen zwei massive asphaltgraue Kisten in der Regel nur für sparsame Begeisterung. Denn zwei Lautsprecher, die im Wohnzimmer ordnungsgemäß aufgestellt werden (und eben nicht in der Wand verschwinden) sind automatisch unübersehbarer Teil der Möblierung. Erwarten Sie mit den 420ern also kein entzücktes „Aah!“ und „Ooh!“. Jedenfalls nicht vor dem ersten Ton.

Zweitens. Der KH 420 ist ein Aktivlautsprecher. Er bringt seine Verstärker gleich mit, pro Box drei Stück. Und so unbestreitbare Vorteile es aus technischer Sicht auch gibt: Der Aktivlautsprecher ist (bisher) nicht des Highenders bester Freund, weil er ihn, böse ausgedrückt, bevormundet. Weil er ein paar liebgewonnene Attraktionen auf dem schönen, großen High-End-Spielplatz sperrt: die Schatzsuche nach der richtigen Endstufe, nach dem richtigen Lautsprecherkabel, ja, sogar nach der optimalen Platzierung. Denn auch dafür gibt es beim „Aktiven“ Korrekturoptionen serienmäßig an Bord.

Zweieinhalbtens. Der Neumann KH 420 ist kein Charaktertyp, kein Charmeur und erst recht kein Musikant. Er ist Dienstleister. Nicht mehr und nicht weniger. Wer bei der Schallwandlung einen bestimmten „Sound“ sucht, irgendeine „Besonderheit“ erwartet, wird sich woanders umschauen müssen oder – der Ausweg für Experimentierfreudige – bei den Zuspielern entsprechende Charakterköpfe beschäftigen.

Damit sind wir bei dem Punkt angelangt, der diesen Lautsprecher so unglaublich faszinierend macht, obwohl er doch eigentlich „nur“ seinen Job erledigt: Der Neumann KH 420 präsentiert die klanglichen Unterschiede seiner Zuspieler, von der Quelle bis zum angeschlossenen NF-Kabel in nachgerade aufreizender Unbekümmertheit, mit völliger Klarheit. Jede noch so winzige Veränderung in der vorgeschalteten Kette stellt er so deutlich dar, wie es sich für einen erwachsenen Abhörmonitor gehört. Das kann, muss aber nicht immer Vergnügen bereiten. Offensichtlich habe ich aber schon bei der Probe-Installation des frisch ausgepackten KH 420 im Hörraum ein glückliches Händchen: Sämtliche Zuspieler von Audio Note, Ayon, EnVogue, Ortofon und T+A, aber auch die kurzerhand entführte Vorstufe GSPre von Audio Research scheinen sich für diese Gelegenheit zu neuen Großtaten verabredet zu haben. Denn plötzlich steht da nur noch die Musik im Raum. Was auch immer ich auflege – ich bin in Nullkommanix bei den Künstlern im Studio, sitze gebannt auf den besten Plätzen des Musiksaals, folge im Club dem Zusammenspiel der Jazzkombo. Und das nicht nur bei exzellenten, sondern auch bei ausgesprochen mediokren Produktionen. Waiting For The Sirens’ Call von New Order beispielsweise ist eine Art Luxus-Schlamper-Album, wo allein im Einstiegstrack „Who’s Joe“ schon ziemlich viele Studioschweinereien zusammenkommen, vom wummrigen Fuzzbass über die superkomprimierte Akustikgitarre (zartlinks) bis hin zum discohaften Drumset und den schleimigen Synthesizern, durchsetzt von echt „dreckigen“ E-Gitarren. Aber was soll’s: Manchmal brauche ich halt dieses Riesengewaber mit ordentlich Schmackes und reichlich dicker Luft, bestehend aus zig Soundschichten – die vom Neumann-Team mühelos bis in den Bodensatz abgetragen werden. Ganz großes Studiofeeling! Dann ein fast schon brutaler, aber doch höchst willkommener Wechsel zur Edelproduktion Croz von Altmeister David Crosby. Und ja, das HiRes-File klingt tatsächlich noch luftiger als die ohnehin schon erstklassige, recht warm und saftig timbrierte CD. Absolut faszinierend auch, wie im direkten Anschluss eine meiner absoluten Lieblingsaufnahmen, Carlos Kleibers Einspielung der Strauss’schen Fledermaus (DG) mit dem Bayerischen Staatsorchester, sich räumlich in allen drei Dimensionen darstellt. Die notorisch schwierige Stimmenwiedergabe einiger „beweglicher“ Sprechpassagen gerät geradezu zur 3D-Erfahrung, so klar und deutlich leuchtet der Neumann in diese Aufnahme von 1976 hinein. Wie gesagt: absolut faszinierend! Innerhalb von ein paar Stunden wächst der Stapel an ausprobierten Scheiben zwar stetig, aber nur recht langsam. Ich bleibe viel länger bei der Musik als gedacht. Es gibt mindestens acht „letzte Stücke für heute“ und als ich irgendwann den Hörraum verlassen muss, stelle ich fest, dass es schon weit nach Mitternacht ist. Und dass ich noch keine einzige Minute für irgendwelche Optimierungsmaßnahmen geopfert habe! Die sich, wie sich in den kommenden Tagen herausstellen wird, aber auch bei Neumann sehr deutlich lohnen. Es klingt dann schlicht noch besser! Warum ich persönlich den KH 420 trotzdem nicht kaufe? So blöd es klingen mag: Dieser sagenhaft gute Monitor ist in der highendigen Praxis „zu gut“ für mich, genauer: zu unkompliziert. Er löst von vornherein derart viele, na ja: Probleme, die ich zur Ausübung meines Jobs dann doch ganz gerne (zurück) hätte; Stichworte: Endstufen, Lautsprecherkabel, „High-End-Spielplatz“. Und er pariert mein kopflastiges Gemecker mit einer Performance, die auf Anhieb für alles entschädigt. Ja, ist das denn noch gerecht? Warum, zum HiFi-Henker, gibt es eigentlich so selten einen vernünftigen Know-how-Transfer zwischen Profi – und High-End- Audio-Firmen, warum kaum konstruktiven Austausch? Als einzige ähnlich unkomplizierte, aber schicke Alternative für High-End- Pragmatiker fällt mir derzeit nur die Avantgarde Acoustic Zero One ein. Neumanns graue Eminenz wird es mit Fassung tragen. Sie weiß um ihre fantastischen Qualitäten.

 

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Neumann KH 420

3-Wege-Aktivlautsprecher‚ Bassreflex
Bestückung: 25-cm-Tieftöner‚ 75-mm-Kalottenmitteltöner‚ 25-mm-Kalottenhochtöner
Verstärkerleistung: drei Class-AB-Verstärker mit 295 W für den Bass und je 130 W für Mittel- und Hochton-Zweig
Anschluss: symmetrisch (XLR)‚ optional: Digital Input Modul (DIM)
Besonderheiten: Mittelhochton-Einheit um 90° drehbar für liegenden Betrieb‚ diverse Anpassungen für Aufstellung‚ Ansteuerung und Raumakustik;
Beleuchtetes‚ dimmbares Logo dient auch als Störungsindikator
Ausführung: Anthrazit
Maße (B/h/t): 33/64‚5/44‚4 cm
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: 9132 €

Georg Neumann GmbH
Ollenhauerstraße 98‚ 13403 Berlin
Telefon 030 4177240
www.neumann.com

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