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Roon Teil 2

Roon, Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Teil 2/2

Roon, Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Perfekte Handhabung und farbenfrohe Präsentation sind nur eine Facette von Roon. Dank ausgeklügelter Mechanismen kooperiert die Software optimal mit den meisten Wiedergabegeräten.

Hier geht’s zum Teil 1 von 2.

Dauerhafte Partnerschaften oder Arbeitsgemeinschaften wollen durchdacht sein. Vor allem, wenn man sich binden möchte, ohne die eigenen Vorsätze und Ansprüche aufzugeben: Roons erklärte Prämisse ist keine geringere als eine bis aufs Bit perfekte audiophile Musikwiedergabe. Doch da die Software sprichwörtlich im Computer gefangen ist, muss sie sich an entscheidenden Stellen der Wiedergabekette auf ihre Partner verlassen, die ihre abgespielten Musikdaten mit angemessener Präzision weiterverarbeiten sollten. Bevor wir erörtern, was sich die amerikanischen Programmierer einfallen ließen, um ihr Medienprogramm nicht nur haptisch – wir verweisen an dieser Stelle auf Teil 1 unserer Roon-Reportage in der letzten Ausgabe –, sondern auch klanglich ganz nach vorn zu bringen, müssen wir einige fundamentale Probleme musikalischer Computerprogramme erörtern.

Merke: PCs sind keine Audiokomponenten

Musiksoftware für handelsübliche Computer muss mit einer geballten Ladung von Problemen fertigwerden. Das größte Ärgernis ist das Betriebssystem selbst. Egal, ob wir über Windows, macOS oder Linux sprechen, keine der alleskönnenden Datenschleudern lässt sich in ruhigem, sachlichem Ton erklären, dass Musikwiedergabe ein hehres Ziel ist, das vollste Konzentration erfordert. Da werden munter Mails abgerufen und Hintergrundanwendungen verwaltet, es wird im Netz nach Updates geforscht und vieles mehr. Dazwischen, immer wenn das System gerade meint, der Prozessor habe etwas Freizeit, werden Datenhäppchen vom Wiedergabeprogramm angenommen und an die interne Soundkarte, das USB-Interface oder einen vernetzten Streamer weitergereicht. Sollen die Audio-Spezialisten doch sehen, wie sie die musikalischen Bits wieder zusammensetzen.

Um diesen Aussagen eine greifbare Dimension zu geben: Installiert man Windows 10 frisch auf einem Rechner, werden schon beim ersten Systemstart still und leise über 100 Hintergrunddienste geladen. Mit der Installation zusätzlicher Komponenten – Flash, Adobes Acrobat, Googles Chrome-Browser oder Grafik- und Maustreiber – werden es noch mehr Dienste, die beim Prozessor um Aufmerksamkeit buhlen. Gegen dieses Chaos sind allerdings zwei Kräuter gewachsen.

Weg Nummer eins wird von dedizierten Audiocomputern beschritten. Hier kommen mir Audiodatas MusikServer in den Sinn, die leckeren Maschinen von Melco oder Burmesters stolzer 111, der abgesehen von seiner analogen Vorstufe auch nichts anderes ist als ein hochspezialisierter Linux-Rechner. Solche Systeme werden von ihren Entwicklern auf die zur Verwaltung und Wiedergabe von Musik nötigen Dienste reduziert: kein Flash, kein Internet-Schnickschnack, kurz: nichts, was den Rechenfluss stören könnte. Im Hörraum machen solche Server einen hervorragenden Schnitt, betrachtet man sie jedoch ganz pragmatisch als Computer, wirken sie eingeschränkt und gehandicapt: Auf solchen Systemen wird man nie das Office-Paket oder ein kleines Gelegenheitsspiel ans Laufen bringen.

Im Sinne der Praxistauglichkeit – nicht jeder will und/oder kann sich einen separaten Audio-PC zulegen – gehen die meisten Programmierer und Hersteller daher Weg Nummer zwei: Im Grunde genommen wird der Computer dabei als Audiokomponente aufgegeben. Stattdessen besitzen die meisten D/A-Wandler heute direkt hinter ihrem USB-Eingang einen Pufferspeicher, der die fragmentiert hereintropfenden Signalschnipsel von Programmen wie Foobar, JRiver oder Roon sammelt. Anschließend kann der Prozessor des Wandlers die Daten nach dem Takt einer Präzisions-Clock neu zusammensetzen. Wie der Phoenix aus Asche erhebt sich aus dem computergenerierten Binärsalat das bitperfekte Abbild der ursprünglichen Musikdatei – zumindest, wenn dem Wandler bei seinem „Reclocking“ keine groben Schnitzer unterlaufen.

Roon Radio
Turn Your Radio On: Eines der neuen Features des Updates auf Version 1.6 ist die Radio-Funktion. Man wähle einen Interpreten, ein Album oder einen Song und klicke auf den kleinen Pfeil neben dem Button für die Zufallswiedergabe. Dort kann der Benutzer eine treffsichere Auto-Playliste (Roon Radio) aktivieren, die auf den Tags des gewählten Titels basiert. Unser erstes Urteil: Funktioniert saugut!

„Roon ready“ soll er sein!

Und damit landen wir dann wieder bei Roon. „Können wir garantieren und gewährleisten, dass unsere Software nur auf hochspezialisierten Audiocomputern eingesetzt wird?“, dürften sich die Programmierer in der Frühphase ihrer Entwicklungsarbeit gefragt haben. Die ernüchternde Antwort lautete: „Natürlich nicht!“. Viele Nutzer hauchen ihrem ausgemusterten Büro- oder Spielerechner neues Leben als Audioserver ein. Die Zahl potenzieller „Gurken“ lässt sich also kaum abschätzen. Und Einschränkungen würden auch keinen Sinn machen, da sie die Zahl ihrer möglicher Kunden drastisch (und unnötig) verkleinern würden. „Können wir dann zumindest sicherstellen, dass die Musikcomputer nur an hochwertigen externen D/A-Wandlern betrieben werden?“ Eigentlich auch nicht, es sei denn … und genau hier zündete der Funke: „Wir müssen für Transparenz sorgen!“

Und so ließen sich die Herrschaften ein Konzept namens „Roon ready“ einfallen. Dabei handelt es sich vereinfacht dargestellt um ein Zertifikat, das Wandler- und Streamer-Hersteller erwerben können. Um bei „Roon ready“ mitzumachen, müssen sie ein Mustergerät an die Amerikaner senden. Die verbinden es mit ihren Referenz-Computern und überprüfen, ob und unter welchen Bedingungen der Proband ein bitperfektes Datenabbild generiert, das bis ins Detail mit der originären Musikdatei übereinstimmt. Außerdem definierten sie Mindestanforderungen: Wer „Roon ready“ sein möchte, der sollte wenigstens 24 Bit und 192 Kilohertz sowie das DSD-Format verarbeiten. Im Verlauf der Tests werden optimale Einstellungen zur Anpassung Roons an die Ausgangstreiber des Computers, die Pufferspeicher des DACs und weitere Parameter erarbeitet. Die Software bringt also von Haus aus eine kleine Datenbank mit, die ihre Kooperation mit „Roon ready“-DACs und -Streamern perfektioniert.

Eine Etage darunter – nicht jeder Hersteller kann oder will sich die Zertifizierung leisten – gibt es das „Tested“-Logo. Hier wird immerhin sichergestellt, dass die Geräte mit der Software funktionieren und sich keine groben Schnitzer leisten. Falls Sie jetzt neugierig sind: Auf der Homepage der Amerikaner kann man sich in der „Partners“-Abteilung einen Überblick verschaffen, wer welches Zertifikat unterstützt.

Signalfluss nach Maß

Das Zertifikat allein genügte den Entwicklern aber noch nicht. Immerhin ist der D/A-Wandler nur ein Teil der digitalen Quellenlage. Parallel ersannen die Roon-Macher eine Audio-Schnittstelle namens „RAAT“ (Roon Advanced Audio Transfer), die sie augenzwinkernd als bitperfekt Variante von Airplay bewerben. Die Analogie ist keineswegs weit hergeholt. Mit allen Vor- und Nachteilen, denn wie der Apple-Standard wird RAAT regelmäßig für ein Tonformat oder ein Treibermodell gehalten. Nichts von beidem ist korrekt: Die Schnittstelle ist ein streng reglementiertes Übergabeprotokoll, das den Datentransfer zwischen allen potenziellen Protagonisten überwacht. Der Roon Core, USB-Interfaces und vernetzte Streamer tauschen im „Handshake“ untereinander Informationen aus und klären sich gegenseitig über ihre jeweiligen Fähigkeiten auf.

Roon Digital Signal Processing
Das Bild zeigt das neue DSP-Studio oder, wie wir es nennen, den softwaregewordenen Traum aller Klangtüftler: Über das blaue Plus-Symbol am linken Bildrand kann man beliebige Filter hinzufügen. Den Anfang machen gewöhnliche Equalizer, mit denen man Loudness-Kurven hinzufügen, Klangabstimmungen realisieren oder Raummoden eingrenzen kann. Es geht aber noch viel verrückter: Der Faltungs-EQ lässt sich mit Impulsantworten superber Hörräume füttern und formt deren Akustik nach. Sie verstehen nur Bahnhof? Betrachten Sie das als Feature und als Warnung – grundsätzlich sollten nur versierte Anwender an den EQs herumdrehen.

Öffnet man Roons Audio-Einstellungen, erhält man eine Liste aller kompatiblen Wiedergabegeräte. Da sie sich automatisch verständigen, entfällt die teils fricklige manuelle Einrichtung vergleichbarer Netzwerksysteme. Wählt man ein Wiedergabegerät aus, weiß die Software umgehend, ob das Gerät über eine interne Pegelsteuerung verfügt und welche Bitraten unterstützt werden. Sollten die wiederzugebenden Audiosignale nicht zum nativen Arbeitstakt des Wandlers passen, kann Roon für eine mathematische Anpassung der Signale sorgen. Resampling nennt sich dieser Vorgang.

In den Audioeinstellungen des jeweiligen Wiedergabepartners – man erreicht sie über einen Klick auf das kleine Lautsprechersymbol – kann man diese Prozesse natürlich auch unterdrücken. Zudem lässt sich für jedes Gerät haarfein definieren, wie Roon mit „speziellen Formaten“ wie DSD oder MQA umgehen soll. Ein Blick in die Einstellungen des Audio-Ausgangs lohnt sich also.

„Das ist doch nix Besonderes! Foobar2000, Audirvana Plus oder JRiver können das doch auch“, sagen Sie? Stimmt, erfunden haben die Amerikaner die Bit-Perfect-Wiedergabe nicht. Bei den erwähnten Programmen sind Bitgenauigkeit und Konfiguration jedoch abhängig vom jeweiligen Treibermodell. Richtig gut klappt alles nur unter ASIO, WASAPI oder Kernel-Stream, und die sind vor allem im Zusammenspiel mit Netzwerkspielern völlig raus. Roons RAAT hingegen gelingt das Kunststück bei jedem Gerät mit dem „Roon ready“-Zertifikat.

Und sollte die Wiedergabekette an irgendeiner Stelle brüchig sein, ist das Programm äußerst mitteilsam: Kleine farbige Sterne hinter dem aktuell gespielten Song zeigen an, wo der Fehler liegt. Weiße oder lila Sternchen signalisieren: perfekt („Roon ready“), bei grünen Sternen passt alles weitestgehend (Hochbit-Wandler ohne „Roon ready“), und bei allen anderen Farben (Gelb, Orange) sollte man sich in Acht nehmen. Wie Sie sehen, unternimmt das Programm alles in seiner Macht Liegende, um seine Partnerschaften zu optimieren. Das ist am Markt momentan einzigartig und zeigt, warum Roon nicht nur bei Handling und Präsentation an der Spitze liegt, sondern auch klanglich ganz vorn mitmischt.

Roon 1.6 – das DSP-Addon

Keine zwei Tage nach Abgabe der letzten Ausgabe veröffentlichten die Roon-Entwickler ein riesiges Patch auf Version 1.6, die spannende Neuerungen mitbrachte: Neben einem dezenten Facelift, das vor allem die omnipräsente Abspielleiste und die Wellenformdarstellung aufhübschte, wurde eine neue Zufallswiedergabe implementiert. Selektiert man ein Album, einen Interpreten oder ein Genre, kann man in der Menüleiste nun das „Radio“ starten. Diese Funktion aktiviert eine intelligente, am gewählten Aspekt ausgerichtete Zufallswiedergabe. So etwas gab es zwar auch schon früher, doch konnte man das Shuffle-Radio nicht gezielt aktivieren. Ist ein Web-Streamingdienst angemeldet, beschränkt sich die Shuffle-Funktion zudem nicht mehr auf die eigene Bibliothek, sondern kramt immer wieder neue Entdeckungen aus den Weiten des Internets hervor.

Roon Karaoke
Das letzte Update brachte neben Radio und DSP-Studio noch viele weitere Neuerungen. Die Karaokefunktion lässt den Text passend zum Song mitlaufen und ist nicht nur für Japaner interessant.

Vor allem Akustik-Profis und Frequenztüftler dürfte der überarbeitete Filter-Workshop interessieren. Einen Equalizer mit beliebig vielen Bändern gab es schon. Nun kann man verschiedene Filtersätze kombinieren und in Serie schalten, darunter neben den bewährten parametrischen EQs auch Procedurale Filter, Crossfeed (eine Quasi-Frequenzweiche) sowie Faltungsberechnungen, die den Raum anhand seiner Impulsantwort verbiegen. Außerdem kann man die Lautsprecher in Balance und Phase korrigieren und am Ende alles als Preset speichern.

Roon EQ-Workshop

Und ehe wir das kleine Detail vergessen: Neben Tidal wurde nun auch der Hochbit-Streamingdienst Qobuz integriert. Noch Wünsche?

Roon Web-Streaming
Der Beweis: Roon unterstützt jetzt auch Qobuz‘ HiRes-Abostreams.

Roon wird in zwei Abo-Varianten angeboten: Die einjährige Mitgliedschaft kostet rund 105 Euro, die „Lifetime“-Lizenz rund 440 Euro. Die kostenlose Probierversion funktioniert 14 Tage.

 

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www.roonlabs.com

 

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