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klangBilder Wien 2019 im Hotel Arcotel

klangBilder Wien 2019 im Hotel Arcotel

Gibt es ein Leben jenseits von High End?

klangBilder Wien 2019

Gibt es ein Leben jenseits von High End?

Fotografie: Ingo Schulz

klangBilder Wien 2019 im Hotel Arcotel
Hotel Arcotel Kaiserwasser

Die klangBilder Wien hatten heuer einen schweren Start. Dafür konnte der Veranstalter Dr. Ludwig Flich aber nichts. Vielmehr war es das Hotel selbst, das enttäuschte. Eine angetrunkene Flasche in der Minibar und eine halbleere Zigarettenschachtel auf dem Fernsehgerät lassen nicht vermuten, das hier ordentlich gereinigt wurde. Weiter möchte man gar nicht denken … Auch der vorbestellte Parkplatz war vergeben, kurz, das Hotel hat auf ganzer Linie versagt.

Aber das soll hier nicht das Thema sein.

klangBilder Wien 2019 im Hotel Arcotel
Nicht nur für Plattenfreunde, nein, auch für Freunde der CD war eine Menge dabei.

Die klangBilder Wien stellen einen interessanten Gegenentwurf zu den vielen bekannten Messen, ob groß, ob klein, dar. Dr. Ludwig Flich, der Veranstalter und sein Team, legen großen Wert auf ein lebendiges und abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Und das funktioniert sehr gut. Tagsüber gibt es neben den üblichen Vorführungen eine Vielzahl von technischen Vorträgen und musikalischen Präsentationen. Das kann von der Konserve, aber auch Live-Musik sein. Interessanterweise findet dieses dedizierte Programm verteilt in den Vorführräumen statt. Dabei hat man wunderbar Gelegenheit mit den Musikern zu plaudern und sich auszutauschen. Gegen Abend gibt es dann weitere Live-Konzerte auf einer zentralen Bühne. Flich versucht und schafft es auch, eine wohldosierte Balance zwischen Technik und Kultur herzustellen. Das macht diese Messe besonders.

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Immer freundlich und hilfsbereit, die Mitglieder des Messeteams in Wien.

Als eine der letzten Messen im Jahreskalender ist in Wien natürlich kein Neuheitenfeuerwerk zu erwarten. Und doch gab es spannendes zu entdecken.

Eine beeindruckende Präsentation gab es in einem Raum im Erdgeschoss, der so weit abseits lag, das sicher nicht jeder Besucher dorthin fand. Daudio Lautsprecher an einer Elektronik von Merging Technologies. Daudio hatte dort mit seinen offenen Dipol-Lautsprechern eine Mehrkanalinstallation aufgebaut die nicht nur Musik auf eine organische Art und Weise transportierte, sondern vor allem die Atmosphäre der Aufnahmesituation wiederzugeben vermochte, das man aus dem Staunen nicht raus kam.

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Einen völlig anderen Ansatz gab es nur wenige Räume weiter bei Kii Audio mit der Kii Three nebst Basserweiterung BXT. Quelle war ein Netzplayer von Auralic. Völlig anders deshalb, weil anders als bei Daudio, die den Raum durch das Dipol-Konzept mit einbeziehen, Kii mit seinem Konzept Raumeffekte weitestgehend ausschließt. Musik über die Kiis klingt präzise auf den Punkt. Da wird nichts geschönt. Man kann sicher sein, das nichts verloren geht. Ein absolutes Präzisionsinstrument eben.

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Kii Three nebst Basserweiterung BXT
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Auralic Frontend für Kii Lautsprecher

Ein Raum im Erdgeschoss darf natürlich nicht unerwähnt bleiben. Eine Firma, die in unserem Umfeld nahezu unbekannt und die ausschließlich in der professionellen Beschallung zu Ruhm und Ehre gekommen ist. Die Rede ist von Meyer Sound aus den USA. Meyer hat in Wien ihr Bluehorn System präsentiert. Ein großes Monitoring-System, das seinen Ursprung in der Kinobeschallung hat.

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Bluehorn System von Meyer Audio

Bluehorn ist ein großer 2-Wege Hornlautsprecher (4 Zoll Kompressionstreiber und 12 Zoll Basslautsprecher), der auf einem noch größeren Subwoofer (18 Zoll Basslautsprecher) ruht. Die notwendigen Verstärker sind bereits in die Lautsprecher integriert. Jedoch braucht es zur Ansteuerung noch den hauseigenen Prozessor namens Bluehorn 816 Processor. Damit ist das System komplett und soll laut Aussage des Herstellers einen absolut ausgeglichenen Frequenzgang, vor allem aber eine völlig lineare akustische Phase haben, was so viel bedeutet, dass alle Frequenzen zur exakt gleichen Zeit beim Hörer ankommen. Darüber hinaus verfügt das System über sehr ausgeglichene Isobaren, was wiederum so viel bedeutet, dass der Raum über den Frequenzbereich sehr gleichmäßig angeregt wird.

Wie sehen sie aus? Fürchterlich!

Wie klingen sie? Himmlisch!

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Bluehorn System, angesteuert von einem Laptop.

Das Bluehorn System bringt einen so nah an eine Liveperformance, wie es heute wohl technisch möglich ist. Fein- und Feinst-Dynamik, ebenso wie Grobdynamik – alles stimmt. Die Abbildung traumhaft. Wer im Sweetspot sitzt versteht sofort was mit einer holografischen Abbildung gemeint ist. Weitere Erklärungen werden überflüssig. Selbst ein bestens beleumundeter Lautsprecherentwickler vor Ort meint: „Das haben die wirklich gut hingekriegt“. Einzig der Preis von über 80.000 EUR und das Aussehen dürften einer großflächigen Verbreitung dieser Spezies im Wege stehen. Aber wer weiß, vielleicht geht sowas ja auch eine Nummer kleiner und etwas gefälliger?

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Air Motion Transformer (AMT) auf einem Lautsprecher der Wiener Lautsprecher Manufaktur, WLM

Weiterhin erwähnenswert war die Präsentation der Wiener Lautsprecher Manufaktur WLM. Ihr Konzept des oben aufgesetzten Air Motion Transformers (AMT) geht voll und ganz auf, beschert es doch ein weitläufiges, schön aufgelöstes und dennoch nicht anstrengendes Hochtonerlebnis.

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Süsskind Audio BEO EX Lautsprecher

Neben dem Erdgeschoss ist das komplette 5. Stockwerk der Messe gewidmet. Hier treffen wir direkt auf Joachim Gerhard von Süsskind Audio, der mit seiner neuen BEO EX nach Wien anreiste. Die EX ist eine Weiterentwicklung der bekannten BEO und wartet mit einem echten Bändchen Hochtöner auf. Der Klang? Verblüffend nah am Original. Davon konnten wir uns bei einer der vielen Vorführungen des Rahmenprogramms im Raum von Süsskind überzeugen. Dort war Maddalena Del Gobbo mit ihrem Album „Maddalena and the Prince“ zu Gast und spielte Teile daraus auf einem seltenen Baryton.

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Maddalena Del Gobbo im Gespräch mit Dr. Ludwig Flich

Eine für uns sehr interessante Neuentdeckung war Paltauf aus Österreich. Die Vorführung, bestehend aus eigener Elektronik (Röhre) und Lautsprecher (AMT) gehörte zweifelsohne zu denen, die man nicht verpasst haben sollte. Gleiches gilt übrigens auch für Vienna Audio Engineering mit einem Frontend in Form des großen Seismograph Laufwerks.

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Neuentdeckung Paltauf aus Österreich.
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Das Seismograph Laufwerk als Frontend bei Vienna Audio Engineering.

Auffallend war in Wien, das die sogenannten großen der Szene sich tendenziell eher lustlos gaben und die vermeintlich kleinen mit vollem Engagement dabei waren. Als Denkanstoß möchten wir fragen, ob es sinnvoll ist, wenn sich offensichtlich gut miteinander bekannte Handelsvertreter auf dem Flur zusammen tun, um über Besucher zu „fachsimpeln“?

Große Bildergalerie mit 90 Bildern

Klasse fanden wir hingegen die Präsenz von Technikum One, einem Radiosender aus Österreich, der terrestrisch und über Netz empfangbar ist. Technikum One ist ein Sender, der sich hauptsächlich durch technische redaktionelle Inhalte von anderen unterscheidet. Auf unsere Frage an einen der Verantwortlichen vor Ort, ob man sich das so vorstellen könne, wie wenn Sheldon Cooper aus „The Big Bang Theorie“ einen Radiosender machen würde, war die Antwort: „Im Prinzip ja“. Technikum One war mit einer kompletten Mannschaft vor Ort und hat die ganze Messe begleitet. Die Redakteure habe unablässig O-Töne eingesammelt, daraus redaktionelle Beiträge geschnitten und aus einem auf der Messe eingerichteten Studio direkt gesendet. Eine tolle Idee.

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Das mobile Studio von Technikum One während des Sendebetriebs.

Und sonst? Die klangBilder Wien entschleunigen. Gewaltig. In Wien gibt es nicht die Hetze nach dem höher, schneller, weiter. Wien ist der Gegenentwurf dazu. In Wien kann man sich Zeit lassen und sieht und hört trotzdem alles. Wien ist keine technologische Leistungsschau, sondern ein Mittler zwischen Kultur und Technik.

Kommen wir wieder? Gerne, … wenn bloß nicht dieses Hotel … aber lassen wir das.

 

www.klangbilder.at

 

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… und dann war da noch jemand, der auf der FIDELITY online Seite surfte …
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