Rotel Michi Q5
Dieser CD-Spieler macht tatsächlich den Eindruck, als ob er einen Flugzeugabsturz überstehen könnte. Dass der Michi Q5 in der Lage ist, tiefste Basskaskaden knochentrocken und gnadenlos durchs Gebälk zu donnern, glaubte ich sofort. Dass er trotz seines wuchtigen Auftretens auch allerfeinste Klangfäden zu einem luftigen Gespinst verweben kann, erstaunte mich allerdings sehr. Obwohl es natürlich unsinnig ist, von der optischen Erscheinung und dem Gewicht Rückschlüsse auf die akustischen Fähigkeiten zu ziehen.
In aller Kürze:
Schwer, solide, wohlgestaltet und Klangeigenschaften, die nichts zu wünschen übrig lassen. Besonders die räumliche Darstellung des Rotel Michi Q5 ist preisklassenunabhängig sensationell!
Ich finde es bemerkenswert, dass allen Unkenrufen über das vermeintliche Ende der Silberscheibe zum Trotz immer noch neue CD-Player auf den Markt gebracht werden. Vor allem japanische High-End-Schmieden halten der CD die Treue. Was auch daran liegt, dass sich physische Medien im asiatischen Raum immer noch großer Beliebtheit erfreuen. Dem noch nicht beim Streaming angekommenen Autor geht es da ähnlich …

Die Geschichte nahm 1957 ihren Anfang mit der von Tomoki Tachikawa gegründeten HiFi-Elektronik-Manufaktur. Das 1961 in „Rotel“ umbenannte Unternehmen hat bis heute den Ruf, wohlklingende No-Nonsense-Geräte auf den Markt zu bringen. 2019 erschien relativ unerwartet eine neue Serie, die den bereits in den 90ern verwendeten Namen „Michi“ (Pfad, Weg) wieder aufleben ließ. Die neuen Komponenten waren ein ambitionierter wie erfolgreicher Vorstoß in die High-End-Liga, wobei die Preisgestaltung vergleichsweise bescheiden blieb. Die hohe Fertigungstiefe im eigenen Werk ermöglicht es Rotel, exakt auf die speziellen Anforderungen zugeschnittene Bauteile zu produzieren, unter anderem Trafos und Gehäuseteile inklusive deren Oberflächenveredelung.
Bisher umfasste die Michi-Serie Voll-, Vor- und Endverstärker der Kategorie „heftig bis unglaublich heftig“. Präziser ausgedrückt reichen die Eckdaten von 28,9 Kilogramm und 2 x 350 Watt/4 Ohm beim „Benjamin“ X3 bis zu 118,2 Kilogramm mit 2 x 1800 Watt/4 Ohm (!) für die M8-Monoblöcke. Der CD-Spieler Rotel Michi Q5 ist das erste Quellgerät der Serie, und eigentlich wundert es nicht, dass dieser ebenfalls stolze 23,5 Kilo auf die Waage bringt. Hauptsächlich für das enorme Gewicht verantwortlich sind das aus gefrästen Alu-Elementen zusammengesetzte Gehäuse und die beiden üppigen Ringkerntrafos.

Das unaufdringliche Design gefällt mir gut. Durch dezente Details wie die schwarze Echtglas-Front, die einen feinen Kontrast zu den seidenmatt-anthrazit veredelten Aluflächen bildet, wirkt der Q5 trotz seiner mächtigen Physis elegant. Die abgerundeten vertikalen Kanten bieten einen subtilen Hinweis auf die Verwandtschaft zur Rotel-Familie. Die seitliche Kühlrippenstruktur wird wohl nicht zur Wärmeabfuhr benötigt, verhilft den Seitenflächen jedoch zu einer immensen Steifheit. Um die schlichte Optik nicht durch Bedienungselemente zu stören, verbannten die Entwickler die Laufwerkssteuerung auf die Unterseite. Was mir im ersten Moment etwas merkwürdig vorkam, entpuppte sich als vollkommen praxistauglich und vermeidet Fingerabdrücke auf der Glasfront. Das eingebettete Display lässt sich, wie auch die meisten LEDs, dimmen oder ganz abschalten.
Die Gehäuserückseite bietet an Anschlüssen alles, was das Herz begehrt: Symmetrische XLR- und RCA-Analogausgänge, Digitalabgriffe (koaxial und optisch) sowie vielfältige digitale Eingänge, um den DAC für externe Geräte zu nutzen. Ergänzt wird das Ganze um einen Update-Port (USB), diverse Steuerungseingänge (RS-232), die Netzbuchse und den harten Netzschalter. Sämtliche Buchsen sind von guter Qualität. Die einzig sichtbaren Schrauben an der Rückseite sind derartig perfekt eingelassen, dass ich danach suchen musste. So gehört sich das für ein Luxusobjekt dieser Gattung! Das Chassis ruht auf vier massiven Alufüßen, die zur Vermeidung von Kratzern und Vibrationen mit einem speziellen Belag versehen sind.

Ein besonderes Schmankerl des Top-Loader-Silberscheibenextraktors ist die Ladeluke. Da sie tief ins Gehäusevolumen eingelassen ist, wird das Designkonzept hierdurch nicht konterkariert. Im ersten Moment betrachtete ich diese Konstruktion ob ihrer gewaltigen Dimension und futuristischen Gestaltung (ist es ein Photonenantrieb?) etwas ungläubig. Nach kurzer Eingewöhnung stellte ich fest, dass es sich um die praktisch beste Methode handelt, eine CD in den Player zu versenken. Aufgrund des simplen manuellen Bedienprinzips „Deckel hochheben, CD einlegen, Deckel wieder auflegen“ braucht es keine komplexe feinmechanische Konstruktion, die das Potenzial in sich birgt, zu versagen. Und dank des enormen Durchmessers der Öffnung wird dieser Vorgang auch für große Hände nicht zur lästigen Fummelei. Der massive Deckel mit überaus solidem Griff macht einen unverwüstlichen Eindruck. Sein Gewicht von fast zwei Kilogramm in Verbindung mit der umlaufenden Dichtung verhindert emittierende Geräusche und schützt das CD-Laufwerk perfekt vor Staub. Nachdem ich den Deckel abgehoben hatte, wurde das CD-Fach von einem LED-Ring beleuchtet. Was zuerst den Eindruck eines Design-Gimmicks machte, ist tatsächlich sehr sinnvoll, da es bei schummrigen Lichtverhältnissen (was bei nächtlichem Musikgenuss vorkommen soll) das zielsichere Beladen des Players erleichtert. Eine hübsche Idee sind die Sichtfenster in der CD-Abdeckung, die den Blick auf den rotierenden Silberling erlauben.

Nachdem sich das Äußere makellos präsentiert hat, komme ich nun zu den nicht minder gediegenen Innereien. Da die Produktion von hochwertigen CD-Laufwerken fast zum Erliegen gekommen ist und die verfügbaren den Anforderungen der Entwickler nicht entsprachen, entschloss man sich, das Laufwerk selbst zu entwickeln. Lediglich die Motoreinheit und der Laser wurden zugekauft. Das Resultat: ein CNC-gefräster Alu-Mechanismus, der auf einer schwimmenden Federung montiert ist. Von dort aus gelangen die Signale in den ESS-ES9028PRO-DAC, von dem je vier Kanäle für einen Stereokanal zuständig sind. Jens Duvendack, der Area Sales Manager und Spezialist für Rotel/Michi-Produkte beim deutschen ATR-Vertrieb, erklärte mir, dass keinerlei Upsampling zum Einsatz kommt. In langen Hörsitzungen wären die Entwickler zum Ergebnis gekommen, dass das native 16-Bit/44.1-Kilohertz-Signal hierdurch nicht verbessert werden könnte.
Um eine gegenseitige Störung zu verhindern, werden die analogen und digitalen Zweige über separate Netzteile mit jeweils eigenen Ringkerntrafos versorgt. Da meine Wiedergabekette durchgehend symmetrisch aufgebaut ist, wählte ich die XLR-Ausgänge für die Testkonfiguration. Erfreut war ich über die ausgesprochen hochwertige Fernbedienung. Das Batteriefach lässt sich mit einer sauber in das Metallgehäuse eingelassenen Torxschraube öffnen. Ein konsequentes Detail: die sonst üblichen Kunststoffclips geben nach längerem Gebrauch allzu gern auf. Die Bedienung gibt derweil keine Rätsel auf, das gut ablesbare TFT-Display führt durch das Menü. Falls der Player mit einem Netzwerk verbunden ist, werden die passenden CD-Cover angezeigt – sofern die erforderlichen Daten in den bekannten Web-Datenbanken bereitliegen. Alles in allem also ein gut durchdachtes Konzept.

Die für viele unserer Leser natürlich viel entscheidenderen Klangeigenschaften sind, um es vorwegzunehmen, nichts weniger als eine Offenbarung! Vor allem die Vokabel „offen“ kam mir im Verlauf meines Tests regelmäßig in den Sinn: Das Klangbild gestaltete sich von Beginn an transparent, plastisch und vollkommen losgelöst. Nach etwa einer Woche Spielzeit gesellte sich eine angenehme Geschmeidigkeit dazu, die ich im anfangs noch taufrischen CD-Spieler vermisste. Ein weiteres herausstechendes Merkmal ist die außergewöhnliche Präzision der Detailwiedergabe. In Verbindung mit der holografischen Raumdarstellung entstand beim Hören eine sensationelle Illusion des unmittelbaren Erlebens. Die Fähigkeit des Rotel Michi Q5, feinste wie auch gröbste Dynamikabstufungen genaustens wiederzugeben, tat ein Übriges. Apropos Dynamik: Inspiriert durch den Artikel des Kollegen Schmenner zum 100. Geburtstag von Pierre Boulez in FIDELITY 78 fütterte ich den Player mit Edgar Varèses Ionisation. 13 Perkussionisten der New Yorker Philharmoniker erzeugen hier eine spannende Klangstruktur, die von heftigen Eruptionen erschüttert wird. Die gewaltigen Dynamiksprünge wurden vom Q5 derart realistisch in den Hörraum geschossen, dass ich regelrecht zusammenzuckte. Dass diese dramatischen Impulse quasi aus dem Nichts hervorzubrechen scheinen, erklärte ich mir mit der absoluten Ruhe, aus der dieser Player heraus agiert. Seine körperhafte Abbildung machte die Wiedergabe der außergewöhnlichen Aufnahme perfekt.
Das Konzert C-Dur für Chalumeau, Fagott und Violoncello von Christoph Graupner demonstrierte eindrucksvoll, dass der Q5 auch das Feine und Schöne meisterlich beherrscht: Aufgrund der Akkuratesse in der tonalen Abbildung setzte sich der angenehm weiche Ton des Chalumeaus (eine Vorform der Klarinette) klar vom Fagott ab. Den Verdacht, dass die unbestechliche Detailwiedergabe bei schlechteren Produktionen meine Gehörgänge malträtieren könnte, wollte ich mit ruppigeren Tönen überprüfen. The Gun Club – Miami schien mir dafür bestens geeignet. Der wunderbar rumpelnde Country-Punk von Jeffrey Lee Pierce und seinen Mannen (und Debbie Harry im Hintergrund) schepperte herrlich frisch aus den Lautsprechern. Bisher von mir nicht wahrgenommene Nuancen des Gesangs steigerten die Intensität der charismatischen, manchmal ins Hysterische abdriftenden Stimme des Leadsängers. Meine Befürchtung hatte sich nicht bestätigt, auch mit solchen aufnahmetechnisch nicht optimalen CDs kann der Michi genüsslich umgehen.
Ich war erstaunt, was der Rotel Michi Q5 aus dem 16/44.1-Format herausholt. Versuche, den DAC mit anderen Quellen zu füttern, brachten keine zusätzlichen Erkenntnisse.
Der Betrieb des DACs mit externen Laufwerken zeigte deutlich die Überlegenheit der Michi-Laufwerkseinheit. Selten habe ich so viel Spaß gehabt, meine CD-Sammlung zu durchstöbern. Oft entdeckte ich spannende Details, die mir bisher nicht aufgefallen waren.
Angesicht des stimmigen Konzepts aus ansprechendem Design, erstklassiger Materialauswahl, makelloser Verarbeitung, praxistauglicher Bedienung und natürlich den hervorragenden Klangeigenschaften halte ich den Michi Q5 trotz seines gehobenen Preises für ein überaus günstiges Angebot. Ähnliche Qualitäten werden in dieser Liga oft fünfstellig bepreist.
Info
CD-Player/DAC Rotel Michi Q5
Konzept: CD-Toploader mit hauseigenem Laufwerk und extern zugänglichem Vierfach-Wandler
Klirrfaktor (alle Quellen): 0,0006 %
Frequenzgang (−0,1 dB/3 dB): 20/10 Hz bis 20/70 kHz
Geräuschspannungsabstand: > 115 dB
Intermodulationsverzerrung: < 0,002 %
Dynamikbereich: > 99 dB
D/A-Wandler: ESS ES9028PRO (im Q5 limitiert auf max. 24 Bit/192 kHz für PCM und 32/284 bei USB-Audio nach Treiberinstallation)
Kanalgleichheit: ±0,5 dB
Kanaltrennung: > 104 dB@10 kHz
Leistungsaufnahme (Betrieb/Standby): 25 W/< 0,5 W
Besonderheiten: unterstützt DSD (bis zu 11,2 MHz) und DoP (bis zu 5,6 MHz), MQA und MQA Studio (bis 24 Bit/384 kHz), „Roon Tested“
Ausführung: Aluminium schwarz
Maße (B/H/T): 49/15/45 cm
Gewicht: 23,5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 6000 €
Kontakt
ATR – Audio Trade
Villa Belvedere
Wallufer Straße 2
65343 Eltville am Rhein
Telefon +49 208 882660
info@audiotra.de
Mitspieler
Analoglaufwerk: TW Acustic Raven GT2
Tonarme: TW Raven 12.9“,10.5“ und 9.5“
Tonabnehmer: Skyanalog Reference, Sumiko Starling, Nagaoka MP 500
CD-Player: Electrocompaniet EMC 1 MKV, Harman Kardon HD 980 (Vintage)
Verstärker: Electrocompaniet EC 4.8, Electrocompaniet EC AW250R, Lab 12 Melto2
Lautsprecher: Audio Physic Spark auf Solidsteel SS-5
Stromversorgung, Kabel: IsoTek Aquarius, Syncro und Optimum; AudioQuest PowerQuest 3, AudioQuest Yukon und NRG-Z3; Zavfino Gold Rush, 2 x Kimber 8TC, WBT







