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Bryston B135 SST

Test: Bryston B135 SST

Bryston – Unverwüstlich und unbestechlich

Hektischen Modetrends dürfen andere hinterherhecheln. Bryston baut Verstärker für die Ewigkeit. Wie zum Beispiel den B135 SST².

Garantiezeit: 20 Jahre! Als ich das zum ersten Mal las, hielt ich es für einen Druckfehler. Kann ja mal vorkommen, dass jemand versehentlich auf die Taste mit der Null tippt und es nicht bemerkt. Zwar handelte es sich um keinen Irrtum, aber das machte mich nur noch skeptischer. War die Firma Bryston vielleicht ein größenwahnsinniger Newcomer? Keineswegs. Die Jungs waren schon damals lange genug im Geschäft, dass man ihr erstaunliches Versprechen für voll nehmen musste. Heute existiert der kanadische Hersteller seit sage und schreibe 52 Jahren und verkauft seine Produkte in über 60 Ländern der Erde. Ursprünglich produzierte Bryston medizinische Elektronik; Verstärker kamen 1974 hinzu. Ihnen widmete man sich wenige Jahre später ausschließlich. Auf www.bryston.com ist eine interessante Liste von Bryston-Kunden einsehbar. Aus ihr wird schnell klar, dass die Kanadier einen großen Teil ihres Umsatzes mit Equipment für den professionellen Markt generieren. Insbesondere die zahlreichen renommierten Einträge unter dem Punkt „Production, Recording, Mastering and Labels“ sind durchaus beeindruckend. Eine weitere Überschrift heißt „Celebrities and Famous Users“. Weshalb die Tatsache, dass Schauspieler wie Will Smith Bryston-Geräte verwenden, etwas über deren Qualität aussagen soll, erschließt sich mir persönlich allerdings nicht. Bei Robbie Williams geht es mir da übrigens ähnlich – keine Ahnung, woran das liegt. Es sind aber auch viele hervorragende Musiker aufgelistet, wie zum Beispiel Stewart Copeland.
In Aufnahmestudios wird in der Regel weit weniger zimperlich mit Elektronik umgesprungen als in Hörräumen audiophiler Musikliebhaber. Komponenten, die den rauen Studioalltag zwanzig Jahre lang klaglos mitmachen, empfinden diese Zeitspanne in den verhätschelnden Händen eines Highenders wahrscheinlich gar nicht als Beanspruchung, sondern wie einen ausgedehnten Wellness-Urlaub. Was macht Bryston-Geräte derart zuverlässig? Die gesamte Produktion erfolgt im eigenen Haus in der Stadt Peterborough, die sich im Süden der Provinz Ontario in Kanada befindet. Für den Entwurf kommen hochmoderne CAD-Anlagen zum Einsatz. In der Fertigung setzen die Kanadier auf aufwändige Handarbeit. Bevor es die Fabrik verlässt, wird jedes Produkt schließlich 100 Stunden lang diversen Stresstests unterzogen. Tritt ein Fehler auf, kann er dank dieser rigorosen Qualitätskontrolle behoben werden, bevor das Gerät in den Handel kommt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich manche Firmen an der durch und durch professionellen Vorgehensweise von Bryston ein Vorbild nähmen. Einiges, was sich „High End“ schimpft und stolze Preisschilder trägt, fällt nämlich beinahe schon auseinander, wenn man es nur ansieht.

Obwohl ich nie Verstärker aus Peterborough besaß, habe ich jahrelange Erfahrung mit einer Vor-/End-Kombi von Bryston. Während meiner Tätigkeit in einem HiFi-Studio gefiel mir insbesondere die Endstufe, weil sie jeden, aber auch wirklich jeden Lautsprecher perfekt im Griff hatte. Dass ich keinerlei Erinnerung mehr an ihren Klang habe, macht mich jedoch etwas stutzig. Seit der Vollverstärker B135 SST² bei mir steht, wird mir allerdings klar, warum der Bryston-Klang so schwer festzunageln ist. Der Integrierte ist einer der tonal neutralsten Verstärker, die ich kenne. Mit seiner beachtlichen Transparenz stellt er ein hervorragendes Werkzeug dar, um dem Klang anderer Komponenten auf die Spur zu kommen. Wer beispielsweise bezweifelt, dass man zwischen Kabeln Unterschiede hören kann, sollte lieber nicht versuchen, die Richtigkeit seiner Theorie mit dem B135 SST² zu demonstrieren. Das würde arg nach hinten losgehen. Als Cinch-Verbinder zwischen dem Bryston und meinem Lector CDP-707 verwende ich abwechselnd das LiveLine von Acoustic System und das etwa gleich teure Espressivo von Ensemble. Die Unterschiede sind mit dem Kanadier ungewöhnlich deutlich zu hören. Das Ensemble-Kabel ist ausgewogener und leuchtet das obere Frequenzende besser aus, während das Acoustic System mit seinem anspringenden Charakter und knackigen Bass begeistert.
Ohne Extras kostet der nicht gerade günstige Bryston bereits knapp 5500 Euro. Wer ihn mit Phono MM ordert, zahlt rund 1000 Euro mehr; weitere 1600 Euro werden für den optionalen D/A-Wandler mit zwei optischen und zwei koaxialen Eingängen fällig. Ein DAC ohne USB-Eingang im Jahre 2014? Das wundert mich. Die ebenfalls aufpreispflichtige Systemfernbedienung aus Metall ist lernfähig und ihre Beschriftung leuchtet auf Knopfdruck. Im Dunkeln ist das durchaus praktisch. Noch schöner wäre es, wenn man bei ausgeschaltetem Licht entweder am Verstärker oder auf dem Impulsgeber den eingestellten Pegel ablesen könnte.
Genau wie bei der Garantiezeit vermutete ich zunächst einen Druckfehler bei der Zahl, die neben der Fernbedienung in der Bryston-Preisliste steht. Allerdings hat auch in diesem Fall niemand versehentlich einmal zu oft auf die Taste mit der Null getippt und es nicht bemerkt. Liebe Kanadier: Für stattliche 500 Euro kann man ziemlich viele Dinge kaufen, die mehr Freude bereiten als ein klobiger Metallklotz – zum Beispiel ein iPad, das rein zufällig auch eine überaus elegante und komfortable Fernbedienung mit Touch-Display abgibt. Es wäre toll, wenn sich Euer Verstärker auch auf diese Art steuern ließe.
Serienmäßig hat der in Silber oder Schwarz erhältliche B135 SST² sechs Hochpegeleingänge, eine Tape-Schleife und einen sehr anständigen Kopfhörerausgang zu bieten. Falls Sie in erster Linie über Kopfhörer Musik genießen und das Nonplusultra aus ihnen herauskitzeln möchten, sollten Sie sich unbedingt einmal Brystons dedizierten Kopfhörerverstärker BHA-1 anhören. Ich hatte dazu in Wien beim Vertrieb Avitech Gelegenheit. Mit dem BHA-1 klang Sennheisers HD 800 extrem sauber und detailverliebt.
Zurück zu unserem Vollverstärker: Er leistet pro Kanal 135 Watt an 8 Ohm und zwei mal 180 Watt an 4 Ohm. Insgesamt verfügt der kräftige Bryston über drei unabhängige Netzteile mit jeweils eigenen Ringkern-Trafos; einer davon versorgt ausschließlich die Digitalabteilung. Dadurch sind nicht nur beide Kanäle so gut wie möglich voneinander getrennt, sondern auch analoge und digitale Schaltkreise. Die Vorstufe und die Endstufe des Doppel-Mono-Amps lassen sich auch separat nutzen. Mit einem kleinen Schalter auf der Rückseite wird die Verbindung bei Bedarf schnell getrennt oder hergestellt. Hinter dem großen Drehknopf auf der Front verbirgt sich eine digital gesteuerte, aber auf analoger Ebene stattfindende Lautstärkeregelung. Es ist oft ein leidiges Thema: Die Lautsprecher haben noch nicht einmal einen besonders hohen Wirkungsgrad, aber der Verstärker liefert bereits in der 10-Uhr-Position des Reglers ohrenbetäubende Pegel. Beim B135 SST² ist das viel praxisgerechter gelöst: Selbst mit 89-dB-Boxen wird es erst jenseits der 12-Uhr-Stellung richtig laut. Das ermöglicht erheblich feinere Anpassungen im unteren Regelbereich. Prima. Da kein „harter“ Netzschalter existiert, versetzt sich der Bryston sofort in den Standby-Modus, sobald das Netzkabel eingesteckt wird. Nachdem die Power-Taste gedrückt ist, heißt es einige Sekunden abwarten, bis die Einschaltverzögerung die Ausgänge freigibt. Auf der Front lässt sich jeder Eingang mit einem eigenen Druckknopf anwählen. Eine Taste für die Stummschaltung („Mute“) und deren zwei für die Balance-Regelung komplettieren das Ensemble der Bedienelemente.
Der Bryston ist ein klassischer Class-A/B-Transistorverstärker und er macht im Hörraum keinen Hehl aus dieser Tatsache. Für manche Ohren bedeutet das automatisch ein großes Kompliment, für andere dagegen nicht unbedingt. Geschmäcker sind eben verschieden, und das ist gut so. Legen Sie großen Wert auf einen linearen Frequenzgang? Mögen Sie eher trockene und perfekt kontrollierte Bässe? Schöngefärbte Mitten und angesoftete Höhen verschmähen Sie, weil Sie genau wissen wollen, was objektiv betrachtet auf Ihren Aufnahmen drauf ist? Ordentliche Power für eine weitestgehend uneingeschränkte Wahl des Lautsprechers ist Ihnen höchst willkommen? Trotz alledem suchen Sie natürlich keinen sterilen Langweiler, der Musik wie eine absichtslose Aneinanderreihung von Geräuschen darstellt, sondern wünschen sich einen Verstärker, der Sie verstehen lässt, warum genau die Töne gespielt werden, die gespielt werden? Dann ist der Bryston B135 SST² ein ganz heißer Kandidat für Sie. Seine unverblümte Art der Musikwiedergabe bildet einen schönen Kontrast zu vielen Röhrenverstärkern. Einige Transistor-Amps, wie etwa die französischen Lavardins, mögen noch etwas mehr Farbe, Geschmeidigkeit und Feingespür für Zwischentöne ins Spiel bringen, agieren dafür aber nicht so wunderbar durchzugsstark und schwungvoll wie der stramme Bryston. Sein energisches Klangbild scheint dem Hörer leicht entgegenzukommen; auch die räumliche Abbildung beginnt etwas näher am Hörplatz als gewohnt. Der B135 SST² macht also auch ohne Tricksereien im Frequenzgang richtig Laune. Statt den Zuhörer wie eine gute Triode mit hyperemotionalem Klang zu verführen, versteht sich der Kanadier eher als Vermittler von Tatsachen. Er ist ein tonal unangreifbares und jederzeit souveränes Hör-Werkzeug, dem gleichwohl nichts musikalisch Wesentliches entgeht. Wer den Bryston B135 SST² kauft, kann die Verstärkerfrage für die nächsten 20 Jahre zu den Akten legen. Garantiert.

Bryston B135 SST²
Vollverstärker

Leistung (8/4Ω): 2 x 135W/2 x 180 W
Eingänge: 6 x Hochpegel, je 1 x Record In, 1 x Power Amp In (Cinch)
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecher (Schraubklemmen), Kopfhörer (Klinke), Record Out, Pre Amp Out (Cinch)
Optionen: MM-Phonoboard, D/A-Wandler mit 4 Eingängen (je 2 x S/PDIF koaxial, TosLink optisch), Systemfernbedienung
Ausführungen: Silber oder Schwarz
Maße (B/H/T): 43/12/41 cm
Gewicht: 14 kg
Garantiezeit: 20 Jahre, Digitalsektion 5 Jahre

Avitech
Czerningasse 16
A-1020 Wien
Österreich
Telefon +43/1/21478701
www.avitech.at

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