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Chick Corea, Piano Improvisations Vol. 1

Die heimlichen Meisterwerke des Jazz – Chick Corea

Piano Improvisations Vol. 1 (1971)

Die heimlichen Meisterwerke des Jazz – Chick Corea, Piano Improvisations Vol. 1 (1971)

Jazz ist unübersichtliches Gelände – leicht kann man da Bedeutendes übersehen. Hans-Jürgen Schaal präsentiert unbesungene Höhepunkte der Jazzgeschichte. Dieses Mal: Chick Corea, Piano Improvisations Vol. 1 (1971)

Mit diesem Album begann eine neue Ära. Ein Jahrzehnt lang hatten die Musiker im Jazz gegen die Regeln und Konventionen angespielt. Sie hatten den swingenden Rhythmus, die Chorusformen, die Harmoniefolgen sabotiert zugunsten einer neuen Freiheit. Es gab im Jazz um 1970 keine Verbindlichkeiten mehr. Vielmehr stellte sich die Frage: Ist rhythmischer und harmonischer Jazz überhaupt noch möglich, nachdem die Sprache von Swing, Bop und Cool obsolet wurde? Chick Coreas Album war das erste, das vormachte, wie es gehen könnte. Seine Klavierstücke bieten einen neuartigen, beweglichen Puls, ungewohnte Harmoniefolgen, andere Bauformen, eine ganz eigene Phrasierung. Mit diesem Album startete eine ganze Welle von neuartigen Soloaufnahmen. Auf Corea folgten Soloalben von Gary Burton, Keith Jarrett, Paul Bley, Ralph Towner, John McLaughlin, Albert Mangelsdorff … Im Jahr 1972 gab es sogar Konzertabende und Festivals, bei denen nur noch unbegleitete Solisten auftraten. Es war ein Paradigmenwechsel im Jazz.

Chick Corea, Piano Improvisations Vol. 1
Chick Corea, Piano Improvisations Vol. 1 (1971)

Dem damals 30-jährigen Pianisten Chick Corea wurde das Solospiel wichtig, weil es ein neues Verhältnis zum Publikum schuf. „Bis dahin hatte ich meinen Spaß daran, auf dem Klavier zu klimpern, und dachte nicht viel an den Effekt bei den Zuhörern.“ Nun aber war er direkt mit seinem Publikum konfrontiert – da stand nichts mehr zwischen seinen Tasten und dem Hörer. Der Rhythmus swingt nicht, aber er schwingt. Die Läufe der rechten Hand funkeln und strahlen mit melodischer Üppigkeit und Frische. Das ist weit weg von Blues und Soul und viel näher an Europa.

Charakteristisch für Coreas persönliche „Sprache“ sind die spanischen Wendungen und Rhythmisierungen in seinem Spiel. Sein „Song For Sally“ wanderte bald ins Repertoire von Gary Burton und hieß dort „Sea Journey“. Sein „Sometime Ago“ wurde ein Renner im Programm der Band Return To Forever, die Corea kurz danach gründen sollte. Diese Stücke definierten die Farbe, den Tonfall und die Melodik des Jazz neu. Hoch spannend ist auch die B-Seite – eine Suite von acht „Bildern“, Klavier-Miniaturen zwischen nachdenklich und atonal. Aus der Miniatur Nummer vier sollte ebenfalls ein Song für das Album Return To Forever werden („What Game Shall We Play Today“).

Ein Leben lang hat Chick Corea (1941–2021) das Solospiel gepflegt, in Konzerten und auf Alben. Auch liebte er es, sich mit anderen Solisten zum unbegleiteten Duo zu treffen, etwa mit Gary Burton, Herbie Hancock, Friedrich Gulda, Nicolas Economou, Steve Kujala, Bobby McFerrin, Béla Fleck, Stefano Bollani, Hiromi Uehara. Sein erstes Soloalbum von 1971 birgt viele Anfänge, viel Zukunft. Der Kritiker und Produzent Michael Cuscuna nannte es zu Recht „extrem einflussreich“ und „sehr wichtig“: „Es fiel mir leicht, das meiner Meinung nach beste Album des Jahres 1971 auszuwählen. Chick Coreas Piano Improvisations Vol. 1 ist ein wahres Meisterwerk.“

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