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FIDELITY zu Besuch bei Einstein Audio Components

FIDELITY zu Gast bei … Einstein Audio Components

Einstein Audio Components – Wenn der Jimi zweimal klingelt

Nur wenige Marken haben es geschafft, eine völlig eigene Formsprache zu etablieren. Einstein gehört zu diesem erlauchten Kreis. Seit einem Vierteljahrhundert steckt hinter der Manufaktur aus Bochum ein bestens eingespieltes Team aus Individualisten und Genießern. Ein Albert ist jedoch nicht dabei – der heißt hier Rolf.

Bevor ich den Klingelknopf drücke, lasse ich mir den Firmennamen noch einmal kurz durch den Kopf gehen. Einstein Audio. Bitte entschuldigen Sie den billigen Querverweis, aber dieser Name ist einfach genial. Weniger genial, eher irritierend ist, dass man die dazugehörige Firma eigentlich durchs Hintertürchen betritt. Immerhin ein ziemlich massives Türchen. Einstein residiert in einem ein top gepflegten Backsteingebäude der ehemaligen Zeche Bochum. Hier haben sich die unterschiedlichsten Medien- und Kunstschaffenden unter einem gemeinsamen Dach versammelt, etwa die Bochumer Symphoniker, das Schauspielhaus Bochum, das Prinz Regent Theater, Architekten, Medienbüros, Plattenlabels, die Deutsche Pop Akademie – und eben auch Einstein Audio. Der eigentliche Haupteingang führt in eine ordentliche Eingangshalle, ein Plakat zitiert den Fußballnationalmannschafts-Rekordspieler Lothar Matthäus mit „I’m a German record player“. Diese erfrischende Mischung aus handfester und gehobener Kultur, aus Malocherhistorie und Medienmoderne passt perfekt zu Einstein Audio.

Damit noch mal zurück zum Klingelknopf. Vom Parkplatz aus ist es wortwörtlich naheliegend, logisch gar, Einstein Audio durch den „Hauptnebeneingang“ zu betreten. Guten Tach, kommse rein – und schon steht man unmittelbar im Geschehen. Das aber grundsätzlich ruhig und diszipliniert abläuft. Hektik ist einer Manufaktur nicht zuträglich. Sorgfalt geht vor Schicht- oder Schachtrekord.
Im Eingangsbereich steht der Schreibtisch von Annette Heiss. Sie ist einerseits als „Finanzfee“ für die Buchhaltung zuständig, andererseits ist sie Einstein-Gründungsmitglied, Co-Chefin und Gestalterin, daher auch entscheidend für die Außenwirkung des Unternehmens verantwortlich. In unmittelbarer Nähe ihres Schreibtisches sind Form-, Farb- und Materialstudien drapiert, an den Wänden hängen farbenfrohe Gemälde, Produktplakate, Auszeichnungen – und eine echte Goldene Schallplatte: Talk Is Cheap von Keith Richards. Die Soloscheibe des Stones-Gitarristen erschien 1988, im Jahr der Gründung von Einstein Audio.
Vor dem Schreibtisch stehen reisefertige Holzkisten mit generalüberholten Schmuckstücken, aber auch eine Charge streng selektierter Röhrensätze („gut 85 Prozent sind für unsere Zwecke nicht gut genug“). Ein Durchgang nach „hinten“, also in Richtung „Haupteingang“, führt direkt ins Teile- und Auslieferlager, die markanten Einstein-Holzkisten dominieren die Szene. Linkerhand blickt man ins helle, großzügige Büro des Einstein-Chefs. Volker Bohlmeier telefoniert, mein Blick schweift vom XL-Schreibtisch über die Wände, die mit E-Gitarren der feineren Art gespickt sind. In der Ecke neben dem Faxgerät steht ein Fender-Gitarrenverstärker auf einer Mesa-Boogie-Box.
Nach rechts geht’s zur Produktion. Zweimal ums Eck gebogen, schon stößt man auf den ersten Montagetisch, weitere sind auf drei hintereinanderliegende Räume verteilt. Hier findet die Montage bzw. Prüfung jeder Einstein-Komponente statt, überall stehen Messgeräte und Lötstationen bereit, auf einem Schreibtisch entdecke ich einen historischen Röhrenprüfapparat.
Apropos historisch: 1990 tauchte der Name Einstein erstmals auf einem HiFi-Produkt auf; Premiere feierte „The Amp“ auf der IFA in Berlin – und plötzlich mischte ein Vollverstärker in der obersten HiFi-Liga mit, der sich auch optisch vom üblichen Einheitslook der Szene wohltuend abhob. Der innovative Amp war das erste sichtbare Ausrufezeichen des zwei Jahre zuvor gegründeten Unternehmens. Sein Design sollte sich in den nächsten Jahrzehnten nicht als verspielt-witzig oder zeitgeistig erweisen, wie sonst so einiges in den ausgehenden Achtzigern, sondern als wegweisend elegant, zugleich gewichtig und mit dem höchsten Wiedererkennungswert aller Neuentwicklungen. Schon der Einstein-Erstling trug die markante Frontplatte in Form eines Kreisbogenausschnitts und ist – wie alle Produkte der Firma – auch heute noch aus größter Entfernung als Einstein-Produkt erkennbar, nicht zuletzt dank des Bicolor-Designs der Marke.

Der Grundstein für die Gestaltung geht auf einen Entwurf von Industriedesigner Martin Topel zurück. Für die praktische Umsetzung des Designs und die gestalterische Konstanz ist schon immer Annette Heiss verantwortlich. Die diplomierte Innenarchitektin sorgt für eine fein ausbalancierte Mischung aus Selbstbewusstsein und dezentem Luxus. Ihr sind insbesondere Haptik und „Materialität“ der Produkte wichtig: „Es gibt nur wenige Materialien, die mit Anstand altern.“ Im Hinblick auf die stets angestrebte, mittlerweile längst nachgewiesene Langlebigkeit macht diese Aussage natürlich Sinn. Einstein Audio darf man in der HiFi-Welt seit einem Vierteljahrhundert mit „moderner Klassiker“ übersetzen.
Übrigens geht auch der Firmenname auf Annette Heiss zurück. Im Schlaf sei ihr damals die Idee gekommen, eine gewisse Ähnlichkeit des Chefentwicklers mit dem berümtesten Zungenrausstrecker der Zeitgeschichte (und das ist eben nicht Mick Jagger) zur Namensfindung zu benutzen.
Damit schwenken wir vom optischen Auftritt zu den inneren Werten, zu den Schaltungen des Chefentwicklers Rolf Weiler. Der besitzt tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zu Albert E., dilettiert allerdings lieber am Saxofon als an der Violine, wenn man ihn fragt. Das allerdings ist nicht so ganz einfach, denn Rolf Weiler liebt seine Ruhe, meidet die Öffentlichkeit und arbeitet folglich nachts. Immerhin habe ich den Tüftler, der neben seiner Tätigkeit am Max-Planck-Institut seit den Gründungstagen der Firma quasi als Mastermind unter Vertrag steht, in 25 Jahren schon zweimal getroffen. Er genießt auch unter Elektronikexperten einen sagenhaften Ruf, hat er doch die üblichen, seit Jahrzehnten immer nur variierten Verstärkerschaltungen um die eine oder andere völlig neue und damit wirklich innovative Schaltung bereichert.
Ja, Rolf Weiler schere sich einen Teufel um das, was alle anderen machen, sagt nun Volker Bohlmeier, der Dritte im Bunde der Firmengründer. Diese Haltung habe ihm schon immer gut gefallen; man verstehe sich ja ganz grundsätzlich als zeitlose Diener der Musik, als Erneuerer und Bewahrer bestmöglicher Musikwiedergabemaschinen. Einstein-Produkte sollen nichts weglassen von den konservierten Emotionen, als Klangideal strebe man gradlinig das berühmte Live-Erlebnis an. Und dabei erlaube man sich noch eigene Gedanken. Das war auch schon Mitte der achtziger Jahre so, als das Freundestrio Weiler, Bohlmeier und Heiss (angesichts einer nahezu unbedienbaren Kaffeemaschine!) beschloss, HiFi-Komponenten zu entwickeln, die jeder sofort intuitiv bedienen kann. Und deren Klangqualität überragend sein sollte: jede Komponente ein fein abgestimmtes Manufakturprodukt mit Perfektionsanspruch, individuelle Abweichungen zur strengen Referenzvorgabe nicht erlaubt.
Um das zu erreichen, legen sich alle Einsteinler mächtig ins Zeug. Etwa Uwe Gespers, Jahrgang 1957, der direkt nach seinem Elektrotechnik-Diplom nicht „bei Siemens oder so“, sondern bei der gerade gegründeten High-End-Manufaktur anheuerte. Gespers hat seine Entscheidung nie bereut, betreut seither sämtliche Entwicklungsschritte eines Einstein-Produkts, führt über jedes Bauteil penibel Buch – und zwar immer erst handschriftlich. Der Experte für Bergbaugeschichte genießt (trotzdem oder deswegen?) höchstes Ansehen und Arbeitszeiten, die auch mir gefallen könnten: Üblicherweise taucht Uwe Gespers am späteren Vormittag auf und bleibt dafür bis zum Abend.
Rolf Wittling wiederum, ein freundlicher Rundfunk- und Fernsehtechnikermeister mit Zopf und Vollbart in Hellgrau, geht seinem Tageswerk ebenfalls in aller Ruhe, aber zu „normaleren“ Zeiten nach. So hat der Hobbygitarrist abends mehr Zeit für seine Sechssaitige und Bandaktivitäten. An seinem Arbeitsplatz läuft leise Southern Rock, was ihn beflügelt. „Ohne Musik geht’s nicht“, sagt der Allman-Brothers-Fan.
Jeder Techniker sollte alles beherrschen, was zur sorgfältigen Anfertigung eines Produkts nötig ist, und wird entsprechend geschult. Zum Beispiel auch Hendrik Dörr. Der Werkstudent gehört seit rund einem halben Jahr zum Einstein-Team, hat bisher einen exzellenten Eindruck hinterlassen und „soll mal nicht so schnell studieren“ – sagt Volker Bohlmeier und grinst. Nach dem Diplom dürften dem Maschinenbaustudenten die Türen bei Einstein weit offenstehen. Bis dahin wird er sich auch weiterhin mit Electronica und House und Lounge entspannen.
Ganz anders der Chef, der gern selbst zur Gitarre greift und als ausgesprochener Bluesfan gilt. Wie zum Beweis klingelt nun sein Mobilfon mit dem Jimi-Hendrix-Riff von „Hey Joe“, eine Minute später taucht Klaus Wieczorek auf, um Fertigungsdetails einer neuen Komponente persönlich abzuklären. Der begnadete Mechaniker, ebenfalls ein Urgestein der Firma, betreibt seine Werkstatt nicht weit entfernt von hier, wie übrigens die allermeisten Zulieferer von Einstein Audio. Und, nein, er möchte auf keinen Fall fotografiert werden. Er ist mindestens ebenso kamerascheu wie Ivan Tupa. Der eigentlich pensionierte Tscheche überwacht die Montage bei Einstein und ist als extrem pingelig bekannt.
Erstaunlicherweise gelingt es wenig später ohne Probleme, Einsteins entscheidenden „Digitalisten“ vor die Linse zu bekommen. Diplominformatiker Sebastian Schlitte ist vom Vater erst zum Jazz, dann zu HiFi, schließlich zu Einstein Audio gekommen und zeichnet mittlerweile offiziell für die jüngeren Digital-Entwicklungen des Hauses verantwortlich. Rolf Weiler ist vermutlich froh, sich auch weiterhin vorrangig um analoge Verstärkertechnik kümmern zu können.

Wir sind mittlerweile ein paar Minuten hinüber zum Showroom des Unternehmens gefahren, wo sich alle Einstein-Komponenten in der audiophilen Praxis und mit anderen Pretiosen in unterschiedlichen Setups bewähren müssen. Hier sind natürlich auch all die anderen Produkte zu erleben, die von Einstein Audio in Deutschland vertrieben werden, etwa die genialen (sic!) Laufwerke von TechDAS oder die massiven Schallwandler von Audiomachina. Es gibt hier aber noch ganz andere Delikatessen. So steht im Hinterzimmer des Shops eine große High-End-Aufschnittmaschine recht prominent zwischen weiteren Gitarrenkoffern, während im vorderen Showroom das Wandregal hinterm Tresen mit ausgesuchten Weinen gut gefüllt ist. Keine Frage: Einstein Audio gründet seit einem Vierteljahrhundert auf einer perfekt ausbalancierten, fein inszenierten Mixtur aus Genuss, Genauigkeit und einer ordentlichen Portion Genialität. Vielleicht sollte man Alberts berühmte Formel (E = mc2) mal ganz anders formulieren. Wie wär’s mit: Einstein = Master of Ceremony zum Quadrat?

 

Einstein Audio Components GmbH
Prinz-Regent-Straße 50–60
44795 Bochum
Telefon 0234 9731512

www.einstein-audio.de

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