Wilson Audio Sasha V
Der „Cost-no-object“-Ansatz ist bei Wilson Audio seit jeher Standard. Eines der Ergebnisse dieser Designphilosophie ist die Sasha DAW – die nun mit der Sasha V eine Nachfolgerin hat. Doch lässt sich ein Lautsprecher, der ohnehin schon keinerlei Kompromisse eingeht, bereits nach wenigen Jahren wirklich nennenswert verbessern? Wir wagen den Quervergleich.
In aller Kürze:
Mit der Sasha V nimmt Wilson Audio das Beste und macht es noch ein Stückchen besser.
Wie oft hat man Gelegenheit, technologischen Fortschritt direkt zu erfahren? Und wie viel Verbesserungspotenzial besteht überhaupt noch? Gerade bei HiFi im Allgemeinen und Lautsprechern im Besonderen muss man sich diese Frage stellen. Immerhin stehen uns seit geraumer Zeit umfangreiche Messmethoden zur Verfügung, die um Größenordnungen genauer arbeiten als das menschliche Ohr – und seit ebenfalls geraumer Zeit sind wir in der Lage, Lautsprecher zu bauen, die sich ebendiesen Messmethoden nach ziemlich tadellos verhalten. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, Lautsprecher seien im Wesentlichen ausentwickelt.
Gleichzeitig muss aber auch klar sein, dass wirkliche Perfektion nur ein Nordstern sein kann; eine Asymptote, der man sich immer weiter annähern kann, die aber realistisch stets unerreichbar bleibt. Im Umkehrschluss heißt das, dass kein Produkt, und sei es noch so gut, durch Feinschliff am Design oder auch durch vollkommen neue technologische Ansätze nicht noch weiter verbessert werden könnte. Genau darum geht es oftmals im High End: um das Ausloten des technisch Machbaren ohne jede Rücksicht auf Sach- oder Kostenzwänge.
Jüngst hatten wir in unserem Hörraum die Gelegenheit, im Direktvergleich „Alt gegen Neu“ für uns eben die Frage zu beantworten, wie viel mehr ca. fünf Jahre Forschung und Entwicklung aus einem State-of-the-Art-Lautsprecher noch herausholen können: Als die neue Wilson Audio Sasha V zu uns ins Büro rollte, wartete schon ihre Vorgängerin mit dem Versionskürzel DAW auf das Kräftemessen. Seit einigen Jahren tut sie bei uns als Dauerleihgabe und ständige Referenz beste Dienste – umso gespannter waren wir, wie sie sich gegen die neuere Inkarnation ihrer selbst schlagen würde. Geht man nach der optischen Erscheinung, muss die DAW schon verdammt nah an der Perfektion gewesen sein: Selbst wenn beide direkt nebeneinander stehen, muss man zweimal hinsehen, um irgendwelche Unterschiede zu finden. Nachdem wir die V auf ihren Transportrollen neben ihre Vorgängerin gerollt und die Mittelhochtonmodule aufgesetzt hatten, konnten wir nach und nach kleine Feinheiten entdecken, die auf die Modellpflege hindeuten: Die Dimensionen haben sich minimal verändert, ebenso die Form der das Mittelhochtonmodul einfassenden „Leitplanken“, die beim Bugsieren gerne als Handgriffe verwendet werden dürfen – alles Unterschiede, die man direkt wieder vergisst, sobald der Lautsprecher allein in seiner Position steht.
Gestatten: „V“
Der namensgebende Unterschied ist dabei der unauffälligste: „V“ steht nicht etwa für „römisch fünf“ (die V ist die vierte Sasha), sondern für das neue V-Material, das hier beim Woofergehäuse als Deckplatte zum Einsatz kommt, die sich nun über eine Fuge vom Rest des Korpus absetzt. Die Nutzung dieser geheimnisumwitterten „Materialien“ ist seit jeher ein Erkennungsmerkmal der amerikanischen Lautsprecherschmiede. Die Phenolharz-basierten Werkstoffe werden in Provo je nach vorgesehenem Verwendungszweck in verschiedenen Rezepturen entwickelt und zur Identifizierung mit Buchstaben versehen. Der Vorteil: Durch die genaue Zusammensetzung kann Wilson Audio die Materialeigenschaften exakt auf das Einsatzgebiet maßschneidern. Der Nachteil: Herstellung und Verarbeitung sind mit aberwitzigem Aufwand verbunden, wie Sie in unserer Reportage nachlesen können.
Im Gegensatz zum X-Material, aus dem die Gehäuse bestehen, und dem S-Material, das in den Schallwänden zum Einsatz kommt, ist das V-Material verhältnismäßig weich und zäh; seine Aufgabe ist nicht in erster Linie mechanische Festigkeit, sondern vor allem die Absorption von Vibrationen. Am Deckel der Basseinheit soll es dafür sorgen, dass die darauf positionierte Mittelhochtoneinheit noch weniger als bisher zum Schwingen angeregt wird. Ebenso unauffällig sorgt der neue Verbundwerkstoff für Vibrationskontrolle bei der Ankopplung der Lautsprecher an den Boden: Die Sasha V wird ab Werk mit den „Acoustic Diode“ genannten Spikes ausgeliefert – wobei der Begriff „Spike“ den Lautsprecherfüßen unrecht tut. Da starre Ankopplung Vibrationen grundsätzlich in beide Richtungen überträgt, stellen die Acoustic Diodes den Kontakt zwischen Dorn und Gehäuse über einen Block aus V-Material her, um ein minimales Maß an Abkopplung zu erzielen, das Trittschall vom Schallwandler fernhalten soll.
Der Quattro unter den Mitteltönern
Wesentlich augenfälliger ist der neue Mitteltöner, der nicht nur im Durchmesser von 17 auf 18 Zentimeter leicht zugelegt hat, sondern dessen Konus nun mit markanten Schlitzungen versehen ist, die mit einem glänzenden, gelatinösen Material gefüllt sind. Sie sollen Resonanzen innerhalb der Membran bedämpfen und weisen den Treiber als Mitglied der bestens beleumundeten ScanSpeak-Revelator-Familie aus. Diese Feststellung greift allerdings etwas zu kurz, denn Wilson Audio hat dem Chassis eine komplett neue, unter dem Namen „QuadraMag“ firmierende Antriebseinheit verpasst. Statt eines Ferrit- oder Neodym-Magneten kommen hier vier AlNiCo-Magnete zum Einsatz – ein Material, das, simpel gesagt, etwas magnetische Flussdichte auf dem Altar überlegener Magnetfeldlinearität opfert. Während auch der Tweeter mit seiner neu gestalteten Kammer zur Bändigung der rückwärtigen Welle von den größeren Modellen übernommen wurde, feiert ein Satz neuer, im eigenen Haus entwickelter und gefertigter Kupferfolienkondensatoren in der Sasha V Premiere – wie viele Hersteller kennen Sie, die ihre eigenen Kondensatoren herstellen?
Am Ende haben wir also doch mehr Neuerungen, als ein flüchtiger Blick verrät. Doch wenn wir ehrlich sind, erwarten wir von der Neuauflage eines Ultra-High-End-Lautsprechers nichts weniger – das Beste von vor fünf Jahren, und dann noch eine gute Schippe obendrauf. Um damit zur Eingangsfrage zurückzukommen: Wie macht sich das alles klanglich bemerkbar? Ich ging die Sache bewusst ohne jede vorgefasste Erwartung an; auf einen akustischen Quantensprung, der die DAW in die Geschichtsbücher der HiFi-Geschichte verdammt, war ich ebenso gefasst wie auf die ernüchternde Erkenntnis, dass der klangliche Fortschritt die menschliche Wahrnehmungsschwelle glatt unterfliegt.
Mehr Stellschrauben
Sowohl bei Wilson Audio an sich wie auch beim deutschen Vertrieb Audio Reference gehört es bei einem Lautsprecher dieser Klasse zum guten Ton, dass sich der Kunde nicht selbst um die Aufstellung seiner neuen Schätze kümmern muss; die Ersteinrichtung durch einen Experten ist sozusagen im Lieferumfang enthalten. Es macht auch Sinn, denn gerade bei einer Wilson Audio ist hierbei noch mehr Sachverstand erforderlich als sonst – schließlich gilt es nicht nur, die richtigen Wandabstände und die passende Einwinkelung zu finden, sondern auch, das Mittelhochtonmodul für beste Zeitrichtigkeit am Hörplatz entsprechend zu justieren. Bevor es ans Eingemachte geht, schickt uns Audio Reference deshalb ein Team zum Aufstellen und Einrichten der neuen Sasha vorbei. Hier fallen an der Sasha V gleich noch zwei weitere Detailverbesserungen auf: Während wir das „Treppchen“ zur vertikalen Einstellung der Abstrahlachse bereits von unserem Hörraum-Dauergast DAW kennen, lassen sich die vorderen Zapfen des Kopfteils bei der Neuen in zwei verschiedenen Positionen arretieren und somit deren Entfernung zum Hörplatz anpassen. Besonders sympathisch ist uns allerdings die in den Deckel des Bassmoduls eingelassene kleine Wasserwaage, die es so viel einfacher macht, die Lautsprecher ins Lot zu bringen.
Gemessen daran, wie viele Einstellungen man an den Lautsprechern vornehmen kann, und auch daran, dass wir nicht ein, sondern zwei Paare aufstellen, dauert es nicht allzu lang, bis beide in der bewährten Überkreuz-Position – die Sasha V auf beiden Seiten jeweils links, die DAW rechts – bereit zum Showdown sind. Schon beim Überprüfen der Stereomitte anhand von Suzanne Vegas „Tom’s Diner“ (Retrospective) machte sich ein kleiner Unterschied im Grundcharakter der beiden bemerkbar: Dass die Stimme in beiden Durchgängen ohne den leisesten Hauch von Verfärbungen wie festgenagelt in der Bühnenmitte steht, überrascht niemanden – es ist nur einer der Gründe dafür, dass die Sasha seit Jahren in unserem Hörraum als akustische Messlatte dient. Allerdings scheint die Sängerin über die V zum einen merklich mehr Präsenz und auch eine Idee mehr Lungenvolumen zu besitzen. Der Eindruck verfestigt sich bei Sufjan Stevens mit „For The Widows In Paradise, For The Fatherless In Ypsilanti“ von seinem Album Michigan: Stevens’ recht dünne Stimme scheint minimal fokussierter, während der später im Stück einsetzende, richtig schön weit hinten in den Raum projizierte Harmoniegesang und die Trompeten eine Spur mehr Autorität tragen. Nicht, dass die DAW hier irgendwelche Mangelerscheinungen gezeigt hätte. Der ebenso kontrollierte wie druckvolle Grundton- und Bassbereich ist seit jeher eine Paradedisziplin praktisch aller Wilson-Audio-Modelle, und die Sasha DAW macht hier keine Ausnahme.
Die bislang gespielten Stücke sind aber allesamt keine wirklichen Prüfsteine für die unteren Register, also wandert als nächstes die Nacht auf dem kahlen Berge von Mussorgski in die Lade. Auch hier kommen die gleich zu Beginn einsetzenden Kesselpauken und die mächtige Blechbläsersektion über die Neuentwicklung mit etwas mehr Fülle, zugleich aber nochmals einen Tick konturierter. Ist die DAW damit deklassiert? Keineswegs – die geschilderten Eindrücke haben sich bei uns über zahlreiche Hördurchgänge hinweg nach und nach herausgeschält. Als wir uns an einem Punkt gegenseitig Blindtests unterzogen, fielen die Ergebnisse bei manchen Stücken nicht immer eindeutig aus, bei anderen wiederum bestand kaum ein Zweifel. Die Wilson Audio Sasha V ist ein weiterer inkrementeller Schritt in Richtung des unerreichbaren Ideals der Perfektion.
Die Preisfrage
An genau dieser Stelle muss eine nicht ganz unerhebliche Kleinigkeit adressiert werden: die Preissteigerung. Lag der Preis für ein Paar Sasha DAW zuletzt bei etwas unter 50 000 Euro, werden für die Neue stolze 64 000 Euro aufgerufen. Bei einem solchen Sprung stellt sich unweigerlich die Frage, ob der Fortschritt das wert ist. Man kann hier freilich auf die weiter oben erwähnten Verfeinerungen eingehen, um die Preisdifferenz zu rationalisieren – immerhin fallen sowohl die Gehäusekonstruktion als auch der neue Mitteltöner nochmals deutlich aufwendiger aus als bisher. Ebenso kann man den generellen Inflationssprung der letzten Jahre zitieren, und eine Kombination dieser beiden Faktoren lässt die Preisentwicklung zumindest nicht vollkommen irrational erscheinen. Wer sich in solchen Rechnereien ergeht, verfehlt allerdings ein Stück weit den Punkt – schließlich bewegen wir uns im Ultra-High-End-Bereich. Jedem, der in dieser Liga einkauft, ist klar, dass man sich hier tief in den Gefilden der abnehmenden Erträge bewegt, und akzeptiert das auch. An den Grenzen des technisch Machbaren ist jede weitere Verbesserung stets mit enormem Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden, und Kunden, die diese Art von Produkt kaufen, zahlen mitunter dafür, dass der Hersteller eben keinen Rotstift-Agenten beschäftigt, der dafür sorgt, dass man für 90 Prozent des Preises 98 Prozent der Performance erhält. Aus dem einfachen Grund, dass in diesen Preislagen niemand an einem 98-Prozent-Lautsprecher interessiert ist. Für 64 000 Euro bekommt man schlichtweg das beste Stück Lautsprecherbau, zu dem Wilson Audio beim gegebenen Formfaktor fähig ist. Der Preis ergibt sich logisch aus dem getriebenen Aufwand, und das Ergebnis kann auch diesmal wieder als Stand des technisch Machbaren gelten.
Info
Lautsprecher Wilson Audio Sasha V
Konzept: 3-Wege-Bassreflex-Standlautsprecher mit separaten Gehäusen für Bass- und Mittelhochton-Einheit
Bestückung: 1 x 25-mm-CSC(Convergent Synergy Carbon)-Kalottenhochtöner, 1 x 18-cm-Mitteltöner mit AlNiCo-Quadramag-Motor, 2 x 20-cm-Tieftöner
Empfindlichkeit (1 W/1 m): 88 dB
Impedanz: 4 Ω (Minimum: 2,36 Ω bei 82 Hz)
Frequenzgang (±3 dB): 20 Hz bis 32 kHz
Empfohlene Leistung: > 25 W
Ausführung: Obsidian Black, Galaxy Gray, GT Silver, Quartz, Carbon, Medio Grigio; zahlreiche weitere Farben gegen Aufpreis
Besonderheiten: Aufbau und Schallwände aus X- und S-Material, V-Material zur Resonanzkontrolle an strategischen Stellen, „Acoustic Diode“-Lautsprecherfüße
Maße (B/H/T): 37/114/61 cm
Gewicht: 111 kg
Garantiezeit: 10 Jahre
Paarpreis: um 64 000 €
Kontakt
Audio Reference
Alsterkrugchaussee 435
22335 Hamburg
Telefon +49 40 53320359
Mitspieler
CD-Player: Ayon CD-3sx, Audio Note CD 3.1x, Accuphase DP-570
Netzwerkplayer/DAC: Lumin X1, Soulnote D-3, Aavik SD-880
Plattenspieler: AVM Rotation R5.3 MK2
Vorverstärker: Accuphase C-2300, Phasemation CM-2200
Vollverstärker: Line Magnetic LM-88IA, Aavik I-580
Endverstärker: Burmester 216, Accuphase P-7500
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW, Nubert nuZeo 15
Rack: Solidsteel, Finite Elemente, Creaktiv
Kabel: AudioQuest, HMS, in-akustik, Vovox