1877 Phono Zavfino ZV11x Granite
mit Tonarm TZ-1
Es sind ungefähr fünf Jahre vergangen, seitdem wir den Zavfino Copperhead X samt Tonarm Aeshna vorgestellt haben. Da scheint es doch dringend geboten, sich mit dem Flaggschiff des kanadischen Herstellers zu beschäftigen.
In aller Kürze:
Das kanadische Masselaufwerk 1877 Phono Zavfino ZV11x ist im Zusammenspiel mit dem Tonarm TZ-1 musikalisch schwer zu toppen und ein Geheimtipp für Individualisten, die das Thema Plattenspieler ad acta legen wollen.
Die in Truro (Nova Scotia) ansässige Firma 1877 Phono ist seit über 20 Jahren vor allem im Zubehörbereich aktiv und stellt seit 2015 unter der Marke Zavfino aktuell vier Plattenspieler und zwei Tonarme her. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Masselaufwerke, die sich deutlich in ihrem Design unterscheiden und offensichtlich verschiedene Geschmäcker ansprechen sollen. Zavfino folgt damit einem Trend, den man auch bei Großserienherstellern beobachten kann. Anstatt mit immer besseren technischen Daten zu punkten, die bei Laufwerken dieser Güte sowieso immer jenseits von Gut und Böse ausfallen, wird im zunehmenden Maße auf individuelle Gestaltung Wert gelegt. Dazu gehört natürlich auch die Wahl eines passenden Tonabnehmers. Der deutsche Vertrieb IAD GmbH ließ sich das nicht nehmen und stellte einen Ausnahmetonabnehmer von Wilson Benesch zur Verfügung, auf dem im separaten Kasten genauer eingegangen wird.

Das Design des ZV11x Granite erinnert entfernt an einen Micro Seiki RX-1500. Mit diesem gemein hat es, dass der Plattenspieler aus einem relativ kleinen Grundlaufwerk besteht, bei dem ein Motorgehäuse neben das Laufwerk gestellt wird und an dem Tonarmbasen angebracht werden müssen. Die Basis besteht wie bei dem berühmten Vorbild hauptsächlich aus einer Aluminiumlegierung, die von drei recht „langbeinigen“ Gerätefüßen getragen wird. An deren unterem Ende befinden sich höhenverstellbare „Spikes“, die mit oberflächenschonenden Untersetzern Kontakt zu einer möglichst stabilen Stellfläche aufnehmen. Diese sollte ein bisschen mehr Platz bieten können, denn zusammen mit dem über das eigentliche Laufwerk herausragenden Tonarm und dem externen Motorstand braucht man eine Grundfläche von ungefähr 60 mal 60 Zentimetern. Die eigentliche Laufwerksbasis ist mit 40 mal 33 Zentimetern deutlich kleiner. Das wirkt daher auch nicht ganz so wuchtig wie vergleichbare Produkte anderer Hersteller.

Allem Anschein nach hat man in Truro ein besonderes Augenmerk auf die Reduzierung unerwünschter Vibrationen gelegt. So sollen fünf Silikonzylinder, die kreisförmig um das Lager herum angeordnet sind und in denen wiederum jeweils ein Metallzylinder eingelassen ist, Resonanzen so weit wie möglich unterdrücken. Zusätzlich verhindert eine kreisförmige Scheibe aus Acryl, dass parasitäre Schwingungen den Lagerdorn des invertierten Lagers erreichen. Dieser besteht aus einer fingerdicken Achse aus Edelstahl, die mit einem Gewinde versehen ist. Während des Betriebs wird mit dessen Hilfe ständig Öl wieder nach oben befördert, wo eine Keramikkugel in einer kegelförmigen Vertiefung sitzt. Zwei Silikonringe entkoppeln die massive Lagerbuchse vom Teller, deren innere Lauffläche aus Bronze besteht. Als Lagerspiegel fungiert eine Teflonscheibe. Der Teller wiegt 5,5 Kilogramm und wurde aus dem auch bei anderen Herstellern beliebten Kunststoff POM (Polyoxymethylen) gedreht. Den Kontakt zur Schallplatte übernimmt eine dünne Ledermatte, die mit insgesamt 20 unterschiedlich großen, kreisförmigen Löchern verziert ist.

Die Zarge hat mehrere Einbuchtungen, die einerseits die ansonsten recht strenge rechteckige Form aufbrechen und andererseits Platz für die bis zu zwei montierbaren Tonarme bieten. Der Zweck der fehlenden hinteren linken Ecke erschließt sich aber nicht auf Anhieb, da dort kein weiterer Tonarm montiert werden kann. Obwohl man den Zavfino ZV11x auf Bildern immer nur mit links neben dem Laufwerk stehendem Motorgehäuse sieht, ist die Ecke geradezu ideal, um als alternativer Stellplatz zu dienen. Die mitgelieferten Rundriemen sind jedenfalls lang genug, um diese Betriebsweise zu ermöglichen. Das recht große Motorpulley sieht man normalerweise kaum, denn zum Lieferumfang gehört eine Abdeckung, die mithilfe von Magneten auf dem Motorgehäuse befestigt wird. Die Steuerung für den Gleichstrommotor ist in einem eigenen Gehäuse untergebracht, das gerade klein genug ist, um es bequem zwischen den beiden Vorderbeinen unter das Laufwerk stellen zu können. Nachteilig an dieser Art der Positionierung ist, dass man dann nicht mehr ohne weiteres an den Hauptschalter herankommt, der auf der Rückseite der Steuerung untergebracht ist. Aber alle wesentlichen Funktionen – Geschwindigkeitswahlschalter und Geschwindigkeitsfeinregler – befinden sich auf der Frontseite, wo auch verschiedenfarbige Dioden unmissverständlich über den jeweiligen Betriebszustand informieren. Gut informiert wird man auch über die Bedienungsanleitung, die jeden entscheidenden Schritt des Aufbaus mit eindeutigen Bildern dokumentiert. Vorbildlich!

Die Form des von Helmut Thiele gezeichneten Tonarms scheint sich ebenfalls an einem klassischen Vorbild zu orientieren. In diesem Fall ist es der Technics EPA-500, mit dem der Zavfino TZ-1 das lange, relativ dünne Tonarmrohr und vor allem die charakteristische Anordnung der Lager gemein hat. Beim TZ-1 handelt es sich um einen zwölf Zoll langen kardanischen Radialtonarm, der mit seinem mattgrauen Finish optimal mit dem Zavfino ZV11x Granite harmoniert. Über die effektive Masse schweigt sich der Hersteller aus. Aber Resonanzmessungen mit einem Ortofon Jubilee und einem Transrotor Uccello (die sich übrigens auch gut mit dem Zavfino vertragen) legen nahe, dass der TZ-1 zur mittelschweren Sorte (zwischen 10 und 15 g effektive Masse) gehört. Nicht nur deswegen ist er recht universell einsetzbar; auch das Gegengewicht ist geschickt ausgelegt, sodass er sowohl das leichte Uccello (6,5 g) als auch das schwere Ti-B (17,1 g) problemlos ausbalancieren kann.
Eine einzigartige Konstruktion ermöglicht es, den Tonarm bequem und spielfrei in der Höhe zu verstellen. Dazu muss am hinteren Ende ein kleines Stellrad bedient werden, der Tonarm bewegt sich dann sanft rauf oder runter. Da dabei die Finger unweigerlich mit dem Gegengewicht kollidieren, geht das leider nur schlecht bei laufendem Betrieb. Das Antiskating wird ebenfalls über eine nicht skalierte Drehscheibe eingestellt. Auch der Anschluss für das externe Phonokabel ist an ungewöhnlicher Stelle untergebracht: Er befindet sich in waagerechter Position links neben dem Tonarmlager. Diese Position ist für Leute, die gerne mit Kabeln experimentieren, ideal. Dank der leichten Erreichbarkeit kann man blitzschnell Kabel austauschen, ohne umständlich unter dem Laufwerk hantieren zu müssen. Bei mir diente das Zavfino Majestic MK II (Aufpreis: 400 €) als Verbinder zum Lehmann Decade.
Der Decade ist auf 330 Ohm eingestellt, was sich im Zusammenspiel mit dem Wilson Benesch als genau passend erweist. Dann zeigt sich die Kombination aus Zavfino ZV11x Granite und Ti-B von ihrer besten Seite. Um die zu erkunden, verwende ich gerne großorchestrale Schlachtrösser wie zum Beispiel die zweite Sinfonie (A London Symphony) von Ralph Vaughan Williams in der Einspielung des London Symphony Orchestra unter André Previn. Wenn ein Plattenspieler diese Musikgattung räumlich stabil, tonal ausgewogen und lebendig darstellen kann, dann gelingt das erst recht auch mit Stücken der leichteren Muse. Diese Übung meistert der Zavfino so bemerkenswert gut, dass man selbst als erfahrener Autor ins Staunen kommt. Die Überraschung erklärt sich daher, dass das Design dieses Plattenspielers doch eher „technoid“ anmutet und man unwillkürlich eine technisch genaue Musikdarbietung erwartet, die erst fasziniert, dann aber auf Dauer langweilt oder – im schlimmsten Fall – sogar ins Nervige umschlägt. Das geschieht mit dem Zavfino deshalb nicht, weil er das Augenmerk des Hörers nicht nur auf klangliche Details um ihrer selbst willen lenkt, sondern sie wie selbstverständlich in einen musikalischen Kontext einbindet.
Diesen Eindruck bestätigt auch die Wiedergabe von Soulville (The Ben Webster Quintet). Der auffallend niedrige Störpegel – landläufig als „Schwärze des Hintergrunds“ bezeichnet – ermöglicht dem Zavfino in Kombination mit dem Wilson Benesch Ti-B, den Musikern den ihnen gebührenden Raum zu bieten. Die umfangreichen Dämpfungsmaßnahmen des Laufwerks dürften an diesem Klangeindruck einen ganz erheblichen Anteil haben. So relaxt und selbstverständlich habe ich Ben Webster jedenfalls nur sehr selten gehört. Der ZV11x macht es einem sehr leicht, das zu prominent aufgenommene Tenorsaxofon von den anderen Instrumentalisten und insbesondere von dem swingend-leichtfüßigen Bassspiel von Herb Ellis zu trennen. Diese Basswiedergabe ist der Schlüssel für den viel besungenen Fußwippeffekt, der den entscheidenden Unterschied zwischen schnödem Abspielen einer Musikkonserve und dem Genießen von Musik ausmacht. Das gelingt freilich nur, wenn auch das Timing passt, was bei der kanadisch-britischen Kombi aber zu den Paradedisziplinen gehört. Deshalb erhebt die Kombination aus Zavfino ZV11x samt TZ-1 und dem Wilson Benesch Ti-B das Abspielen einer LP mit Bravour zu einem herausragenden Musikerlebnis.

Der britische Hersteller Wilson Benesch ist vor allem für seine Lautsprecher und für seine Subchassis-Laufwerke samt dem charakteristischen Tonarm mit dem konisch geformten Tonarmrohr aus einem Carbongeflecht bekannt geworden. Letztere werden leider nicht mehr produziert, aber es gibt immerhin noch den Tonabnehmer Tessellate Ti, der in drei verschiedenen Versionen (B, S, D) verfügbar ist. Als Nadelträger fungiert beim Basismodell Ti-B ein Borröhrchen, das mit einem elliptisch geschliffenen Diamanten ausgestattet ist. Dagegen verfügen die Varianten Ti-S und Ti-D jeweils über einen Micro-Ridge-Schliff und haben entweder einen Nadelträger aus Saphir oder Diamant. In allen Fällen kommt stets ein Ring aus ultraleichter Carbonfaser am Nadelträger zum Einsatz, der unerwünschte Resonanzen dämpfen soll. Wer über den elliptischen Schliff des Ti-B gestolpert ist, dem sei gesagt, dass der Diamant definitiv keine übliche Ellipse ist, wie sie auch in deutlich preiswerten Systemen verbaut wird. Unter dem Mikroskop kann man erkennen, dass der Diamant augenscheinlich sehr hochwertig ist, wie man ihn nun wirklich nicht alle Tage sieht.
Etwas missverständlich ist die im englischen Original zu findende Beschreibung des Generators mit „pure iron square coil“. Auch hier schafft ein Blick durchs Mikroskop Klarheit. Es handelt sich um Kupferspulen, die auf einem quadratischen Spulenträger aus reinem Eisen gewickelt sind. Mit sechs Ohm gehört das Ti-B zu den niederohmigen Systemen; Wilson Benesch empfiehlt hierzu eine Eingangsimpedanz des Phonovorverstärkers von 200 bis 470 Ohm. Die Ausgangsspannung wird mit 0,32 mV bei einer Schnelle von 3,54 cm/s (entspricht in etwa 0,45 mV bei 5 cm/s) angegeben, was keine qualitativ hochwertige Phonostufe in Verlegenheit bringen sollte. Ungewöhnlich ist der von Wilson Benesch angegebene geringe Auflagekraftbereich von 10 bis 14 mN. Moving-Coil(MC)-Tonabnehmer mit Nadelnachgiebigkeiten um 12 µm/mN verlangen typischerweise nach Auflagekräften im Bereich über 20 mN. Tatsächlich zeigte das mir vorliegende Exemplar erst ab 20 mN mit entsprechend groß eingestellter Antiskating ein gutes Abtastverhalten von 70 µm, weswegen ich es am Tonarm Zavfino TZ-1 auch mit diesem Wert betrieben habe.
Die Bezeichnung „Tessellate Ti“ weist übrigens auf den Herstellungsprozess des halboffenen Gehäuses hin. Das wird mit dem SLS-Verfahren (SLS = Selektives Lasersintern) aus dem Leichtmetall Titan hergestellt. Der Hersteller verspricht sich von der Kristallstruktur des Materials in Kombination mit einer organisch anmutenden Form des Gehäuses mit den wabenförmigen Öffnungen an der Seite ein optimiertes Resonanzverhalten sowie eine geringere Masse. Letzteres ist aber relativ zu verstehen, denn tatsächlich sind die Tessellate-Tonabnehmer mit 17,1 Gramm sogar ungewöhnlich schwer und können nicht von jedem Tonarm ohne die Verwendung eines extra schweren Gegengewichts ausbalanciert werden. Man kann zwischen drei Gehäusevarianten wählen. Neben dem nicht polierten, mattgrauen Titan sind gegen Aufpreis auch Gehäuse in poliertem Silber oder Gold verfügbar. Die haben allerdings ihren Preis. Während das Ti-B in Mattgrau schon mit 6490 Euro zu Buche schlägt, werden für das vergoldete Ti-D satte 16 790 Euro fällig.
Info
Plattenspieler 1877 Phono Zavfino ZV11x Granite mit Tonarm TZ-1
Konzept Laufwerk: schweres Masselaufwerk mit Riemenantrieb
Besonderheiten: Montage eines zweiten Tonarms möglich
Umdrehungsgeschwindigkeiten: 33 und 45 U/min
Gewicht Teller: 5,5 kg
Gesamtgewicht (inkl. Motor und Teller): 22,3 kg
Ausführung: Full Charcoal, Satin Silver, Powder Coat/Western Electric
Maße (B/T/H): 48/38/6 cm
Gewicht Netzteil: 2 kg
Maße Netzteil: 18/20/7 cm
Garantiezeit: 3 Jahre
Gesamtpreis (inkl. TZ-1): 14 990 €
Tonarm TZ-1
Konzept: gerader, statisch ausbalancierter Radialtonarm
Besonderheiten: Innenverkabelung wählbar
Ausführung: Grau
Gesamtlänge: 375 mm
Effektive Länge: 304,8 mm (12“)
Einbauabstand: 291,4 mm
Überhang: 13,4 mm
Kröpfungswinkel: 17,8°
Geometrie: Löfgren A (Baerwald)
Garantiezeit: 2 Jahre
Einzelpreis: ab 3990 € (inkl. Majestic-Tonarmkabel)
Kontakt
IAD
Johann-Georg-Halske Straße 11
41352 Korschenbroich
Telefon: +49 2161 617830
info@iad-gmbh.de
Mitspieler
Plattenspieler: Technics SL-1200MK2
Laufwerke: DFA Woodpecker, Linn Sondek LP12 (Majik)
Tonarme: DFA Straight-10, Linn Basik Plus, Linn Ittok LV II/2
Headshells: Audio-Technica MS-8, Ortofon LH-6000, Technics, Yamamoto HS-1A
Tonabnehmer: Denon DL-103, Linn Adikt, Ortofon Concorde R, Ortofon Jubilee, Ortofon Vero Special, Transrotor Uccello
Phonovorverstärker: Lehmannaudio Decade
Netzwerktuner: Onkyo NS-6170
Vorverstärker: Bryston BPS-25MC
Endverstärker: Linn LK100
Kopfhörer: Sony MDR-1 RNC
Lautsprecher (passiv): Naim Credo
Aktivlautsprecher: Neumann KH 310 A
Kabel: Sommer Cable
Rack: Selbstbau