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Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe

Air Tight ATM-1E

Klanglicher Modellathlet

Air Tight ATM-1E

Unter einem Modellathleten versteht man im Allgemeinen jemanden, der aufgrund seines kräftigen und harmonischen Körperbaus bzw. seines ganzen Äußeren als Muster oder Ideal eines Athleten gelten kann. Warum diese Charakterisierung nahtlos auch auf die neue Air Tight ATM-1E übertragbar ist, zeigt der folgende Bericht.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe

In aller Kürze:
Air Tight ATM-1E: Um es so kurz wie möglich zu sagen: Nie klangen EL34 besser als in dieser Reinkarnation aller bisherigen ATM-1-Verstärker. Kompromisslos erstklassig!

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe


Seit gut 40 Jahren fertigen in Takatsuki (in der Nähe von Osaka) eine Handvoll qualitätsversessener Techniker in reinster Manufakturtätigkeit HiFi-Gerätschaften, die inzwischen Legendenstatus haben. Gebaut wird auf Bestellung, und das Hauptaugenmerk bei der Wahl der Bauteile liegt allein auf deren klanglichen Fähigkeiten. Produktzyklen von mehreren Jahrzehnten sind daher typisch für diesen High-End-Hersteller. So erschien der erste Verstärker der ATM-1-Serie vor 38 Jahren im Markt, und sein Kennzeichen ist seit jeher die Push-Pull-Konfiguration, bei der EL34-Röhren die Hauptlast tragen.

EL34 – die gute alte Pentode, deren Entwicklung bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begann. Die Röhre entstand aus der EL60, diese wiederum ging aus der Philips/Valvo-443er-Serie hervor. Die ersten EL34-Typen erschienen ab 1949, und die Verwendung in den Marshall-Gitarrenverstärkern sorgte spätestens seit Ende der 1960er Jahre für die allgemeine Bekanntheit dieser Pentode. Dank ihrer klanglichen Qualitäten – wie auch ihrer Robustheit – fand der Röhrentyp schnell ebenfalls Eingang in die Welt der HiFi-Verstärker. Beim ATM-1E dient neben den EL34 eine ECC81 (12AT7) als Splitter, und pro Kanal sorgt je eine 6CG7 (6FQ7) aufgrund ihres sehr linearen Verhaltens, kombiniert mit ihrem extrem geringen Grundrauschen, für beste Signalverarbeitung. Ursächlich wurde dieser Röhrentyp für die Verwendung in Fernsehgeräten entwickelt; die extrem lange Haltbarkeit ist ein weiterer Pluspunkt dieser Doppeltriode. Die damit perfekt in die Philosophie von Air Tight passt.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe
End- oder Vollverstärker? Das ist beim ATM-1E eine eher philosophische Frage. Der kompakte Amp besitzt kanalgetrennte Pegelsteller, die sich auch wunderbar als Balanceregler einsetzen lassen. Weshalb auch für uns der Zeiger eher Richtung Endverstärker ausschlägt, offenbart ein Blick auf die Gehäuserückseite…
Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe
…der einen phasenmarkierten Stromzugang nebst gut erreichbarer Hauptsicherung, Abgriffen für 4 und 8 Ohm sowie einen einzelnen RCA-Eingang offenbart. Genau hier liegt der Grund, weshalb Air Tight von einem Endverstärker spricht – sollten Sie mehr als einen Zuspieler besitzen, was wahrscheinlich ist, müsste mindestens eine externe Schaltbox, besser aber ein Vorverstärker hinzugezogen werden.

Die Änderungen in der aktuellen Röhrenendstufe Air Tight ATM-1E (das „E“ steht für „Edition 2024“) sind durchaus tiefgreifend. Der Verstärker erscheint in seinen Abmessungen durchaus recht kompakt, solide 21,5 Kilogramm sprechen allerdings sogleich für den Gehalt von viel „Eisen im Kern“ – eines der Kennzeichen ausgezeichneter Röhrenkraftverstärker. Auf den ersten Blick ist der Unterschied zum Vorgänger frontseitig sofort aufgrund des nun fehlenden (zweiten) RCA/Cinch-Einganges zu erkennen. Eine weitere Differenz zum Vorgänger (ATM-1S) ist zudem die neue, extrem präzise Bias-Einstellung an der Oberseite des Gerätes. Innen finden sich die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale: Die Ausgangstransformatoren stammen von Tamura (der japanische Spezialist überhaupt für derartige elektrische Bauteile), die handgewickelte und mit Ölpapier umwickelte Drosselspule wird im eigenen Hause hergestellt, ebenso wie der gleichermaßen handgewickelte und ebenfalls mit Ölpapier umwickelte Netztransformator. Genauso erstklassig ausgeführt ist die Point-to-Point-Verbindung aller Bauteile, d. h. alle Bauteile werden von Hand verdrahtet, um beste klangliche Eigenschaften zu gewährleisten. Die Bauteile werden ausschließlich nach ihren klanglichen Aspekten ausgewählt und je nach Sektion/Einsatzbereich werden die technisch reinsten Kupferkabel verwendet, damit im Energiefluss keine negativen Effekte auftreten. Über alles gesehen ist es eine komplett neue Schaltung geworden.

Wie auch andere Air-Tight-Verstärker ist der ATM-1E im Grunde eine regelbare Endstufe, bei der alle Baugruppen und Verdrahtungen nach bester Air-Tight-Tradition handverlötet werden und ohne Leiterplatten entstehen. Übrigens: NOS-Bauteile gibt es aus gutem Grunde nicht! Dafür werden alle Einzelteile penibelst gemessen und sortiert. Muss ich erwähnen, dass die Röhren überaus exakt sortiert werden? Im Testfall musste ich nichts an der Bias-Einstellung verändern! Im Fall einer Nachregelung sollte der Amp zuvor wenigstens eine gute Viertelstunde im Betrieb sein. Mir ist eine derartige Kompromisslosigkeit sehr sympathisch. Die Verwendung der beiden frontseitigen Pegelsteller mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, ergibt aber Sinn. Denken wir nur an die manchmal ungünstigen Bedingungen, wenn es ums Aufstellen der Lautsprecher geht (weil z. B. der Hörraum die klassische Positionierung nicht gestattet) – da ist diese Form der „integrierten Balanceeinstellung“ höchst willkommen.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe
Hier sehen Sie das Bias-Poti und die darunterliegenden Stellschrauben. Über einen separaten Regler an der Front (siehe unten) lassen sich Endstufenröhre eins bis vier anwählen.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe

Eine Fernbedienung gibt es nicht, und rückseitig findet sich exakt ein (!) RCA/Cinch-Eingang sowie die entsprechenden Lautsprecherausgänge in acht und vier Ohm und auf Wunsch auch in 16 Ohm. Die vier EL34 entlassen solide zweimal 35 Watt an die Klemmen. Effiziente Lautsprecher (für mich ist das die Sorte ab 90 dB aufwärts, gerne deutlich mehr) sind demnach geeignete Partner. Manch einer wird sich über das Vorhandensein nur eines einzigen RCA/Cinch-Eingangs mokieren. Air Tight ist auch in diesem Punkt sehr konkret und sagt: „Konzentriere dich auf das Wesentliche!“ Diese Philosophie ist mir überaus sympathisch, denn es bringt uns zurück zu den Wurzeln und damit ran an die Musik mit einer Quelle, die in letzter Konsequenz (in meinem Falle) eine analoge ist. Egal, es passt ggf. stattdessen alles andere – ja, auch so ein Wunderding mit „Musik aus der Luft“ – dran. Gleichwohl bietet Air Tight mit hauseigenen Vorverstärkern auch eine Alternative für diejenigen HiFi-Liebhaber, die mehrere Quellen anschließen wollen.

Typisch für alle außergewöhnlichen Verstärker ist die Selbstverständlichkeit, mit denen sie Musik präsentieren. Die guten machen das „ganz nett“, die richtig guten nehmen sich dabei komplett zurück und zeigen die Musik in der gegebenen Qualität. Zu Letzteren zählt ohne Zweifel dieser Verstärker. Die typische Air-Tight-Lebendigkeit sowie das musikalische Verständnis zeigt natürlich auch der ATM-1E. Ganz nüchtern muss ich dies vorweg schon mal attestieren – und dabei sind es exakt solche Verstärker wie der hier in Rede stehende Air Tight ATM-1E – in Wirklichkeit alles andere als nüchtern, sondern musikalische Ausnahmeerscheinungen –, die ihren Weg zur Legende automatisch selbst finden.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe
Das Innere des Verstärkers wirkt nur auf den ersten Blick etwas wuselig. Alle Drähte sind ohne unnötige Umwege verlegt. Unten links erkennt man die vier Trimmpotis, das „dicke“ weiße Kabel im linken unteren Gehäuseteil gehört zum Auswahlschalter der Bias-Abstimmung.

Eine gute halbe Stunde lasse ich dem Amp Zeit, um sich entsprechend zu temperieren, dann beginne ich mein Musikprogramm sogleich anspruchsvoll mit Miles Davis, gewiss die erfolgreichste aller Jazzlegenden. Auch wenn seine Aufnahmen gelegentlich für Aufruhr sorgten, bei einem war man sich stets einig: Der Trompeter hat über die Jahrzehnte seiner Karriere mehrmals den Jazz buchstäblich neu erfunden. Von der Virtuosität des Ausnahmemusikers zeugt Kind Of Blue, mit dem Miles Davis im Jahre 1959 seinen schon damals unbestrittenen Anspruch auf den Thron des Jazz-Olymp untermauerte. Stücke wie „So What“, „Flamenco Sketches“ und „Blue In Green“ berühren die Zuhörer bis heute. In 200 Gramm hochwertigem Vinyl gepresst, ist die Produktion von Columbia Records als Reissue-Ausgabe von 2010 (MOVLP 019) diejenige Vinylversion, bei der das Masterband endlich in der korrekten Geschwindigkeit lief (zuvor übersah man lange Zeit den Spurfehler im rechten Kanal). Im Grunde ist das nämlich die definitive Jazzplatte überhaupt! Warum? Weil sie ganz einfach perfekt ist, schon gleich bei den Anfangsakkorden von „So What“. Man kann das nicht beschreiben oder irgendwie rational begründen – es ist einfach so. Die unglaubliche Band aus Davis, John Coltrane, Cannonball Adderley, Bill Evans, Paul Chambers und Jimmy Cobb spielte die fünf Titel ohne vorherige Probe direkt ein. Miles zeigte der Band kurz das Thema, schon lief das Band zur Aufnahme. Irgendetwas muss damals im Studio passiert sein, denn selbst für den schwindelerregend hohen Standard der Beteiligten ist Kind Of Blue etwas Besonderes. Ganz ohne irgendwelche halsbrecherischen Solistenleistungen – es ist die Musik an sich. Die Essenz des Jazz – allermindestens, was diese Epoche betrifft. Das Wesentliche in der Musik zu übertragen, das ist übrigens die Haupteigenschaft eines jeden Air-Tight-Produktes, und der ATM-1E steht dem in nichts nach.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe

John Mayall und seine Bluesbreakers erschufen mit Stories ihr vermutlich bestes Album. Tief in die Seele gehende Lieder dieser 180-Gramm-Doppel-LP (wie z. B. „Dirty Water“) werden vom ATM-1E mit einer derartigen Verve vorgetragen, dass gänsehäutige Erlebnisse beim Hörer nicht ausbleiben. Getragen von dieser Stimmung kommt als Nächstes Joe Bonamassa Live At The Hollywood Bowl auf den analogen Zubringer. Hier trifft Bluesrock auf Klassik, und es muss ein unvergesslicher Abend in Hollywoods legendärem Amphitheater gewesen sein – vierzig Orchestermusiker begleiteten den Maestro des Bluesrock, der sich mit diesem Album selbst ein Denkmal setzt mit dieser überaus virtuosen musikslichen Mischung aus Blues/Rock und Klassik, ohne dabei die typischen Orchesterarrangements außen vor zu lassen. „Fulminant“ dürfte wohl die passende Beurteilung dieser Vinylproduktion lauten – so kommt gleich die Ouvertüre der LP daher, und entsprechend schwermetallisch geht es sofort weiter. Die beiden Pegelsteller des ATM-1E stehen auf „1 Uhr“, stimmungsvoll und kurzweilig ist es in meinem Hörraum. Ein doppelsinniges Detail sind die kleinen schwarzen Befestigungsschrauben der Stellknöpfe, erleichtern sie durch ihre Farbwahl doch die korrekte Stereoeinstellung.

Seine 35 Watt auf die 15-Zöller meiner großen Lautsprecher loszulassen – das interessiert den Verstärker nicht einmal ansatzweise. Klar, bei den soliden 98 Dezibel Wirkungsgrad dieser Schallwandler benötigt er lediglich einen Bruchteil seiner Leistungsfähigkeit – und genau so muss ein Röhrenkraftverstärker betrieben werden. Er sollte keine „Last“ mit den angeschlossenen Lautsprechern haben. Natürlich kann der Air Tight auch Speaker mit schlechteren Wirkungsgradwerten bedienen, die Potenz dazu holt er sich aus  seinen kräftigen Trafokernen. Auffallend ist nämlich die bruchlose Kraft, die der ATM-1E hier zur Verfügung stellt; sie ist regelrecht spürbar.

Final beschließe ich an dieser Stelle meine umfangreichen, im Verlauf von mehreren Wochen gefestigten Höreindrücke (aus Platzgründen kann hier nur eine kurze Aufzählung stehen) mit September Night vom Tomasz Stanko Quartet – und behalte diese mit Sicherheit lange im Gedächtnis zu diesem Ausnahmeverstärker. Mir wird immer wieder von ihm vorgeführt, dass bei derartig feinsinniger Musik sein Können in der Übertragung des reinen und transparenten Klangs bestens zum Ausdruck kommt. Nicht nur die Zwischentöne der Trompete sind es, die mich beim Hören fesseln, es ist gleichermaßen die Perfektion, mit der die wundervolle Stimmung (die ich damals vor Ort miterleben durfte) dieser überaus emotionalen Liveaufnahme vom 9. September 2004 aus der Münchner Muffathalle vom Air Tight ATM-1E in meinen Hörraum transferiert wird.

Air Tight ATM-1E Röhrenendstufe

Info

Röhren-Endverstärker Air Tight ATM-1E

Konzept: Stereo-Röhrenendverstärker mit kanalgetrennter Pegelsteuerung
Röhrenbestückung: 4 x EL34, 1 x 12AT7 (ECC81), 2 x 6CG7 (6FQ7)
Ruhestrom/Bias: manuelle Bias-Einstellung, Kontrolle via Display
Ausgangsleistung (1 kHz/THD < 5 %): 35 W je Kanal
Eingänge: 1 x RCA
Ausgänge: 1 x Lautsprecherausgang (4 /8 Ω)
Übertragungsbereich (−1 dB/30 W): 20 Hz bis 30 kHz
Eingangsimpedanz: 100 kΩ
Eingangsempfindlichkeit: 700 mV (35 W)
Dämpfungsfaktor (1 kHz/1 W): 6,7
Leistungsaufnahme: 250 VA
Maße (B/H/T): 37/31/25 cm
Gewicht: 22 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 12 000 €

Kontakt

AXISS Europe

Haneckstraße 32
65719 Hofheim
Telefon +49 692 296643
info@axiss-europe.de

www.axiss-europe.de

Mitspieler

CD-Player: C.E.C CD-5 mit Horwege Modifikation
Plattenspieler: Transrotor Dark Star Reference mit Netzteil Konstant Reference M1
Tonarm: Transrotor TR 9S
Tonabnehmer: Audio-Technica VM760SLC, Phasemation PP-200
Phonoverstärker: Phasemation EA-220 mit Übertrager T-320
Röhren-Vollverstärker: Thivan Labs 572/811 Anniversary
Lautsprecher: Klipsch Heresy III mit symmetrischen Frequenzweichen von Elixir-Loudspeakers, Thivan Labs Eros 9 Ultra

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