Norddeutsche HiFi-Tage 2025
Bisweilen muss man einige Schritte zurücktreten, um das ganze Bild zu erkennen: Am späten Samstagvormittag gab es einen Moment, in dem wir am liebsten das Weite gesucht hätten. Die HiFi-Show war derart frequentiert und ausgelastet, dass wir kaum einen Fuß in die etwa 60 Vorführräume bekamen. Außerdem drehten wir uns (wie etliche andere Besucher) immer wieder im Kreis, weil wir „Level“ mit „Etagen“ verwechselten. Und zu allem Übel erwiesen sich die Aufzüge des „Le Méridien“ als … gestresst.
NDHT 2025 im neuen Hotel
Aber genug gejammert. Selbstredend spricht der „Füllstand“ auch für den Erfolg einer Veranstaltung – und so gesehen haben die NDHT 2025 mehr als eingeschlagen!
Ivonne Borchert-Lima war erneut zum Umzug gezwungen: Nachdem das „Steigenberger Hotel Treudelberg“ für den Geschmack vieler Gäste etwas zu weit außerhalb gelegen war, zog die Veranstalterin diesmal einen Innenstadt-Joker, als sie im „Le Méridien“ am Ostufer der Außenalster anfragte. Unsere ersten Bedenken hinsichtlich Erreichbarkeit und Parkplatzsituation erwiesen sich als unbegründet: Das mitten im Zentrum gelegene Hotel ist umsäumt von Parkhäusern. Und kaum zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, liegt es am zentralen Knotenpunkt des Hamburger Nahverkehrs.

Dass man beim ersten Besuch im neuen Gebäude eine Weile braucht, um sich zu orientieren, ist normal. Das Hotel ist – von außen nicht erkennbar – in zwei Komplexe gegliedert. Den Löwenteil nimmt das eigentliche „Le Méridien“ mit seinen Hotelzimmern ein, das im Erdgeschoss und den beiden ersten „Etagen“ geschätzte vier Fünftel der Ausstellungen, Anlagen und Vorführungen beherbergte. Durch seine E-förmige Grundform wirkt der Gebäudeteil im ersten Augenblick etwas verwirrend, doch wirklich verlaufen kann man sich nicht.
Kongress-Ambiente
Im nördlichen Part des Gebäudes liegt eine später hinzugekaufte Erweiterung mit eigenem Treppenhaus und weiteren Aufzügen. Neben einer tollen Sky-Bar findet man hier auf sechs „Levels“ Konferenz- und Kongressräume unterschiedlicher Größen.

Dass die Aufzüge den Ansturm nicht vollends bewältigen konnten, kann man dem Hotel nicht ankreiden – schließlich wurde die Infrastruktur für völlig andere Zwecke ausgelegt. In der Praxis hatte das auch keine größere Auswirkung. Die Mehrheit des Publikum bewegte sich Geschoss für Geschoss durch die Treppenhäuser und hatte in den zahlreichen Vorführungen der erreichten Etage genügend Zeit, Kräfte für die nächste Bergetappe zu sammeln.
Mjam, mjam …
Ein dickes Lob verdient das Catering: In der Lobby des Hotels konnten sich Gäste mit Chips eindecken, die sich an zahlreichen Ständen unkompliziert in Kaffee, Tee, Kuchen oder deftigere Wegzehrung eintauschen ließen. Bei unseren drei bis vier Selbstversuchen mussten wir nie länger als zwei Minuten warten, ehe wir mit frischem Proviant dastanden – das ist ein absolutes Novum für die NDHT, da die Küchen der bisherigen Hotels mit dem Publikumsstrom immer ein bisschen überfordert schienen.
Kommen, hören, mitsummen
Was es zu sehen und zu hören gab? Alles im gewohnten Rahmen. In den knapp 60 Räumen tummelten sich weit über 200 Marken, und zu unserer Erleichterung bewegte sich die Qualität der Präsentationen zwischen sehr anständig und exzellent. Die Hersteller haben über die Jahre gelernt, mit Zimmern dieser Baugröße umzugehen, was man an den mobilen Akustikmodulen von Loftsound ebenso erkennt wie am eigens für Messen angeschafften dicken Teppich von Reichmann Audiosysteme. Das Hotel trug mit der soliden Substanz seiner gemauerten Wände (kein Trockenbau) zum Gelingen bei.
Im Kopf geblieben ist uns da beispielsweise die Vorführung von Final und Bryston. Die Hersteller spielten etwas versteckt im hintersten Raum eines Seitengangs. Wer sich dorthin verirrte, lauschte wie wir gebannt der fantastischen Raumabbildung zweier Final-Elektrostaten, während er allmählich anfing, einen Subwoofer im Raum zu suchen – den es allerdings nicht gab. Die Flachpaneele der Niederländer haben eine schier unglaubliche Power.

Wünsch dir was
Auf eine andere Weise faszinierend war die Präsentation von GGNTKT. Die Aktivspezialisten spielten abwechselnd ihre Kompakte M1 und die Standbox-Variante M3. Am Samstag wurden wir Zeugen, wie die Zuhörer anfingen, sich immer neue Titel zu wünschen, was in einer faszinierenden Eigendynamik gipfelte, die uns nicht nur gute Laune bescherte, sondern auch ein paar hervorragende Musiktipps hervorbrachte. Außerdem spricht die Interaktion des Auditoriums für die Qualität der Kette.

Acapella hatte gleich zwei Vorführungen. Während die große Kette im „Level-Teil“ des „Le Méridien“ dynamische Extreme offenbarte, blieben wir für eine ganze Weile bei der kleinen Anlage in einem der Hotelzimmer hängen. Dort wurde ein Pärchen Harlekin 2 umständehalber von sichtlich überdimensionierten Endstufen angetrieben. Die Kombination saß allerdings: Die Kette hatte den Raum derart gut im Griff, bot eine dermaßen aufgeräumte und übersichtliche Abbildung, dass wir gleich mehrere Stopps einlegten.
Ein Ausnahmeerlebnis der etwas anderen Art versprach die Anlage von Thivan und Mavis Lab. Anlage und Musikauswahl der eigens angereisten Vietnamesen schienen allein darauf ausgelegt zu sein, Impulsstabilität zu beweisen. In dem kleinen Hotelzimmer schnitten uns die Attacken wilder Percussions geradezu auseinander. Das konnte (auch angesichts des hohen Pegels) sicher nicht gesund fürs Gehör sein – anschließend wollte man den Titel am liebsten aber gleich nochmal hören …
Extreme – in beide Richtungen
Freilich wurden auch wieder Anlagen der Superlative gezeigt. Etwa bei Audio Reference: Der Hamburger Vertrieb kombinierte Wilson Audios große Chronosonic XVX mit D’Agostinos Relentless-Kette. Zur Bestromung und Bespielung hatte man Stromtanks Topmodell sowie Thorens’ gewaltigen New Reference hinzugebeten. Die Anlage offerierte erwartungsgemäß eine unglaubliche Abbildungsschärfe und Power. Man konnte sie übrigens in vergleichsweise entspannter Atmosphäre genießen: Da der Vertrieb kostenlose Tickets ausgab, waren immer nur etwa zwei Dutzend Besucher im Saal. Gespielt wurde die XVX im Wechseltakt mit einer „kleinen“ Kombi aus WATT/Puppy und dCS sowie einem umwerfenden Heimkino von Perlisten.

Im Kontrast dazu zeigten viele Aussteller betont günstige Lösungen. Neben bezahlbaren Plattenspielern von Argon Audio oder einer Ausstellung von WiiM sei hier exemplarisch ein Mobildreher von Coturn erwähnt, den man als Sidekick am Stand von Thorens entdecken konnte: Akkubetrieben und in einer Ledertasche verstaubar, sendet er die Musiksignale via Bluetooth an einen Lautsprecher: relaxter Vinylgenuss am Baggersee für einen erschwinglichen Betrag.
Raus aus der Messe
Neben Audio Reference – hier gab schon am Freitag ein entspanntes Meet & Greet für geladene Gäste – lud auch der IAD-Vertrieb am Vorabend der Show zu einer Neuheitenvorstellung in die großartigen Räumlichkeiten des Hamburger Händlers Wisseling High End. Angus Leung von WestminsterLab war aus Hongkong gekommen, um seinen neuen Unum vorzustellen. Aufgrund einer Zollbarrikade (Stichwort: Gewicht) musste er allerdings die Trafos daheim lassen. Es blieb daher bei einer theoretischen Trockenübung.

Die wichtigsten Eckdaten des Verstärkers: Der Omne vereint auf vielfachen Kundenwunsch die Vor-/Endstufen-Kombi aus Quest und Rei nebst möglichen Erweiterungen in einem Gehäuse. Die „Miniaturisierung“ gelang, weil die Klangtüftler über ihren Schatten sprangen und im Vollverstärker PCB-Boards einsetzten – die diskreten Komponenten basieren auf Direktverdrahtung. Mit rund 35 000 Euro ist der in Handarbeit gefertigte Unum immer noch exklusiv, er kostet aber nur knapp die Hälfte der diskreten Kombination.