Clearaudio Unity
Bevor Sie diesen Text lesen, sehen Sie sich bitte zuerst die Bilder des neuesten Tonarms von Clearaudio an. Und? Was denken Sie?
In aller Kürze:
Der hervorragend einstellbare Clearaudio Unity strotzt nur so vor innovativen Detaillösungen und überzeugt klanglich durch eine schwer zu übertreffende Kombination von Transparenz und Kontrolle.
Ich kann natürlich nicht wissen, was Sie gedacht haben. Aber ich verrate Ihnen, was audiophilen Freunden von mir durch den Kopf gegangen und an mein Ohr gedrungen ist: „Hat Clearaudio nicht schon genug gute Tonarme im Programm?“, „Sieht aus wie der Geschützturm eines Sternzerstörers“ oder „Boah, wie geil!“ und „Puh, wie teuer!“
Clearaudio hat, Stand Dezember 2024, sage und schreibe ein Dutzend Tonarme für nahezu jeden Anwendungsfall von preiswert bis luxuriös, von radial bis tangential im Programm. Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Erlanger mittlerweile zu einem weltweit renommierten Experten in Sachen Tonarmbau gemausert haben. Da verwundert es niemanden, dass auch andere Laufwerkshersteller auf die Expertise von Clearaudio zurückgreifen und sich von ihnen ihre Tonarme mitunter nach sehr speziellen Wünschen anfertigen lassen. Im besten Sinne ist Clearaudio en passant zu einem bedeutenden OEM-Anbieter (Original Equipment Manufacturer) im Analogbereich geworden.
Der neue Clearaudio Unity verdrängt den Universal von seinem Thron, der bis dahin der aufwendigste Radialtonarm aus Erlangen war. Offensichtlich hatte man sich den Universal genau angesehen und gemäß dem alten Clearaudio-Slogan „Nimm das Beste, mach es besser – dann ist es gerade gut genug“ überarbeitet. Die Weiterentwicklung geschah derart grundlegend, dass sich beide Tonarme nur auf den ersten Blick ähnlichsehen. Es fängt schon mit der noch stabiler ausgeführten Headshell an und setzt sich über das Tonarmrohr fort. Das besteht wie gehabt aus Carbon und hat einen Durchmesser von 15 Millimeter – der Universal weist einen über drei Stufen zum Lager hin zunehmenden Durchmesser auf. Der bedeutendste Unterschied dürfte aber das Lager sein. Im Gegensatz zum Universal besitzt der Unity keine kardanische, auf feinsten Kugellagern basierende Konstruktion, sondern ein Einpunktlager. Das besteht aus einer Stahlspitze, die in einer Schale aus Saphir (Korund) sitzt.
Nun sind „Einpunkter“ für Clearaudio gewiss kein Neuland, folgen doch mehrere Tonarme aus ihrem Programm diesem Lagerprinzip. Sie haben den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass die Lagerreibung in aller Regel deutlich geringer ausfällt als die der kugelgelagerten Alternativen. Der Nachteil ist, dass sie mehr oder weniger stark entlang des Tonarmrohrs um die Längsachse „rollen“ können, was nicht jeder Benutzer beim Aufsetzen des Tonabnehmers als angenehm empfindet. Erfahrene Analogkenner werden sich bestimmt noch an den Betrieb solcher Klassiker wie die Tonarme von Mayware, Hadcock oder auch Audiocraft erinnern. Dieses „Rollen“ verhindert beim Clearaudio Unity eine Anordnung von Magneten innerhalb des Lagergehäuses, sodass der Tonarm immer vertikal zur Plattenoberfläche ausgerichtet ist. Tatsächlich ist die Magnetstabilisierung derart effektiv, dass man im laufenden Betrieb überhaupt nicht bemerkt, dass man keinen sehr leichtgängigen kardanisch gelagerten Tonarm bedient. Mit ein wenig Kraftaufwand kann man das Tonarmrohr zwar dennoch verdrehen, aber sobald man loslässt, zwingen es die Magnete wieder sanft in die Normalposition zurück. Ich würde gerne noch mehr über das Lager berichten oder eine Zeichnung der Konstruktion präsentieren; aber dieses neuartige Lager ist zum Patent angemeldet, und aus nachvollziehbaren Gründen üben sich die Erlanger hier in Zurückhaltung bezüglich detaillierterer Informationen.


Die magnetische Stabilisierung hat natürlich den Nachteil, dass eine Verstellung des Azimuts durch Beeinflussung der Lateralbalance – zum Beispiel durch Verdrehen eines azentrisch montierten Gegengewichts – nicht möglich ist. Aber auch dieses Manko wurde von Clearaudio berücksichtigt. Durch Lösen zweier Inbusschrauben in der Lagerabdeckung lässt sich das Tonarmrohr lösen und unter Zuhilfenahme des kleinen Hebels um die Längsachse drehen. Die Nullstellung ist glücklicherweise markiert, sodass man an dieser Stelle nichts falsch machen kann – solange man keine groben Kräfte walten lässt.
Grobe Kräfte sind auch nicht notwendig, um den Tonarm in der Höhe einzustellen. Eine butterweiche und spielfrei laufende Mikrometerschraube mit eindeutigen Markierungen ermöglicht es jederzeit und auch während des Betriebs, den VTA (Vertical Tracking Angle, vertikaler Spurfehlwinkel) zu justieren. Die magnetische Antiskating-Einrichtung hat dagegen keine Skala, die sich an der verwendeten Auflagekraft orientiert. Man ist also auf die Verwendung einer Testschallplatte mit Abtasttest oder zumindest auf eine unbespielte LP-Seite angewiesen, um das Antiskating korrekt einzustellen. Das geschieht beim Unity, indem man einen fest installierten Magneten durch Drehen einer gut zugänglichen Schraube näher an das Lagergehäuse bringt, in dem sich zwei weitere Magneten befinden. Diese Antiskating-Einrichtung ist sehr (!) effektiv. Schon bei minimaler Annäherung des fest installierten Magneten an das Lagergehäuse wird eine nicht unerhebliche Wirkung erzeugt. Man braucht jedenfalls nur ein wenig an der arretierbaren Schraube zu drehen, um maximale Abtastwerte bei den verwendeten Tonabnehmern zu erzielen.

Wo wir gerade von Magneten sprechen: Der Tonarm rastet mit magnetischer Unterstützung in seine Halterung ein. Das ist nicht nur angenehm in der Handhabung – es verhindert auch kleinere Macken und Abrieb, die schnell an Tonarmrohren auftreten, wenn diese mithilfe mechanischer Klemmen in der Ruheposition festgehalten werden. Ebenfalls magnetisch befestigt werden die Gegengewichte am hinteren „Tonarmstummel“. Der Begriff „Stummel“ erscheint angesichts seiner Dimensionen als eine zarte Untertreibung. Tatsächlich hat der Unity mit über elf Zentimetern Länge ein beachtlich raumgreifendes Heck und lässt den gesamten Tonarm größer wirken, als er tatsächlich ist. Trotz der erheblichen Gesamtlänge von 37 Zentimetern handelt es sich nämlich „nur“ um einen waschechten Zehnzöller. Diese effektive Länge halten nicht wenige Experten für den idealen Kompromiss zwischen minimalem Spurfehlwinkel und möglichst geringer Masse und der Neigung zu Resonanzen. Letztere werden bei noch längeren Tonarmen größer und sind daher schwerer durch Dämpfungsmaßnahmen in den Griff zu bekommen. Gleichwohl kann es aufgrund der insgesamt beachtlichen Dimensionen des Unity auf Laufwerken mit fest installierter Haube zu Platzproblemen kommen.
Wie bereits vom Universal her bekannt, kann man die Auflagekraft sehr feinfühlig mit einer leichtgängigen Gewindestange einstellen. Da es auch hier keine Skala gibt, ist man auf eine Tonarmwaage angewiesen, die aber zur Grundausstattung eines jeden analogen Haushalts gehören sollte. Dass eine – zugegebener sehr praktische – Skala fehlt, hat einen Grund. Die Gegengewichte bestehen aus drei Sätzen von je zwei spiegelverkehrten und annähernd halbkreisförmigen Formteilen, in denen mehr oder weniger Gewichte eingelassen sind. Sie werden – man ahnt es schon – wiederum magnetisch an den entsprechenden Aufnahmen des Gegengewichtschlittens befestigt. Der Clou an dieser Idee: Bemerkt man während der Systemmontage, dass das Gegengewicht nicht ausreicht, um die gewünschte Auflagekraft zu erzielen, kann man blitzschnell auf ein schweres Gegengewicht umrüsten.

Generell sind Aufbau und Betrieb des Clearaudio Unity selbsterklärend. Wie bei Clearaudio üblich, wird nur eine Bohrung nach JIS (Japanese Industry Standard) benötigt, wie sie auch Jelco, Kuzma und Linn verwenden. Mit anderen Worten: Nicht nur Clearaudio, sondern auch jeder andere Laufwerkshersteller hat eine passende Basis für den Unity im Programm. Daher war es auch für Dr. Christian Feickert kein Problem, mir innerhalb von Tagen eine passende Basis für den von mir verwendeten DFA Woodpecker zu liefern. (Nochmal vielen Dank dafür.) Weiterhin hat man verschiedene Optionen zur Auswahl: Man kann ihn mit einer durchgängigen und hervorragenden Verkabelung (Clearaudio Super Sixstream) oder auf Wunsch mit einer fünfpoligen DIN-Buchse ordern; außerdem wird er in Schwarz oder Silber angeboten. Bleibt nur noch anzumerken, dass er mit einer angegebenen effektiven Masse von 16 Gramm schon zu den schweren Tonarmen (15 g bis 20 g) gehört, aber durchaus auch noch mit nicht sehr weich aufgehängten (Nadelnachgiebigkeit größer 25 µm/mN) Tonabnehmern harmoniert. Sowohl das von Clearaudio zur Verfügung gestellte Jubilee MC als auch mein altgedientes Ortofon Jubilee (entspricht weitgehend dem aktuellen Cadenza Black) wurden zu wahren Höchstleistungen durch den Unity befähigt. Das Clearaudio-System schaffte sogar über 100 Mikrometer (Clearaudio selbst gibt „nur“ 80 µm an), während es das Ortofon auf 80 Mikrometer brachte. Das hat bei mir vorher noch kein anderer Tonarm erreicht. Man sollte diese Zahlen zwar nicht überbewerten, aber sie sind gewiss ein Indiz dafür, wie gut der Clearaudio Unity seinen Dienst verrichtet.
Betrachtet man den Clearaudio Unity nur von seiner beeindruckenden konstruktiven Seite, kann man zu dem Schluss gelangen, dass bei ihm allein die Technik im Vordergrund steht und alles, was gut und praktisch ist, in ihm realisiert wurde. Das muss – wie Beispiele aus der Vergangenheit belegen – nicht unbedingt auch bedeuten, dass dieser makellos verarbeitete Tonarm auch genauso makellos klingt. Aber genau das ist bei dem Unity der Fall. Tatsächlich fallen mir nur wenige Tonarme ein, denen eine so wunderbare Balance zwischen Präzision und, nun ja, „Musikalität“ gelingt.
Was heißt das nun genau? Zuerst muss man sich bewusst machen, dass Tonarme eigentlich überhaupt keinen Eigenklang haben sollten, der auf ein ungünstiges Resonanzverhalten des Tonarmrohrs und der Lager zurückzuführen ist. Sie sollen nur die Vorzüge des montierten Tonabnehmers zur Geltung bringen und im besten Fall sogar ihre möglichen negativen Eigenschaften im Zaum halten. Das können durchaus auch hervorragende, aber preiswertere Tonarme als der Clearaudio Unity. Deshalb kommt man der Qualität seiner Güteklasse mit einem nur oberflächlichen Reinhören in typische „Vorführschallplatten“ wie beispielsweise Manger – Musik von einem anderen Stern nicht bei. Selbstverständlich wird das Schlagzeuggewitter in „Jazz Variants“ von The O-zone Percussion Group so druckvoll und impulsiv wiedergegeben, wie man es von den besten kardanisch gelagerten Tonarmen her kennt. Aber nicht jedem von ihnen gelingt es so gut wie dem Clearaudio, die einzelnen Instrumente derart sauber voneinander zu trennen, ohne sich dabei einer künstlich wirkenden Analytik schuldig zu machen. Dieser Raum um Instrumente und Gesangssolisten ist vielleicht das hervorstechendste Merkmal des Unity. Deutlich wird das zum Beispiel bei Dianne Reeves „Like A Lover“ (I Remember). Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so gute Differenzierung zwischen der Sängerin und der sie begleitenden Gitarre gehört zu haben. Die Jazzsängerin scheint förmlich dreidimensional in meinem Hörraum zu stehen. Faszinierend!
Noch mehr hat mich die Wiedergabe der Brucknersinfonien (Bruckner – The 9 Symphonies, Karajan, Berliner Philharmoniker, Deutsche Grammophon) beeindruckt. Es ist sicherlich auch dem Clearaudio zu verdanken, dass ich diese anspruchsvolle Musik, die ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe, in den folgenden Tagen völlig ermüdungsfrei und komplett (!) durchhören konnte. Zwar haben einige dieser Einspielungen einen mitunter zu präsenten Anteil der Blechbläser, die der Clearaudio keineswegs verschweigt, aber die er dennoch so charmant in das Klangbild einbaut, dass man sie nicht als störend, sondern eben als natürlichen Teil der Aufnahmesituation empfindet. Schließlich hat auch jeder Konzertsaal seine besonderen Klangeigenschaften, die man während einer Livedarbietung als gegeben hinnimmt, ohne sich daran zu stören.
Zusammenfassend kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass der Clearaudio Unity eine echte Bereicherung des Tonarmsortiments von Clearaudio darstellt. Er wartet mit einer Fülle innovativer Ideen auf, die zusammen mit seiner exzellenten Verarbeitung für sehr, sehr feinen Klang sorgen. Für den, der ihn sich leisten kann, fängt das Jahr 2025 richtig gut an.
Info
Tonarm Clearaudio Unity
Konzept: einpunktgelagerter Radialtonarm
Besonderheiten: magnetisch stabilisiertes Lager, Lagerschale aus Saphir, magnetisches Antiskating, VTA-Einstellung während des Betriebs
Kabel: Clearaudio Super Sixstream mit Cinch (1,1 m); alternativ mit DIN-Anschluss
Ausführungen: Silber, Schwarz
Gesamtlänge: 370 mm
Effektive Länge: 254 mm (10“)
Einbauabstand: 238 mm
Überhang: 16 mm
Kröpfungswinkel: 21,59°
Geometrie: Löfgren A (Baerwald)
Effektive Masse: 16 g (schwer)
Gewicht: 790 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 15 000 €
Kontakt
Clearaudio
Spardorfer Straße 150
91054 Erlangen
Telefon +49 9131 40300100
info@clearaudio.de
Mitspieler
Plattenspieler: Technics SL-1200MK2
Laufwerke: Dr. Feickert Analogue Woodpecker, Linn Sondek LP12 (Majik)
Tonarme: Dr. Feickert Analogue Straight-10, Linn Ittok LV II/2
Headshells: Audio-Technica AT-LH15/OCC, Audio-Technica MS-8, Ortofon LH-6000, Technics, Yamamoto HS-1A
Tonabnehmer: Clearaudio Jubilee MC, Denon DL-103, Linn Adikt, Ortofon Concorde R, Ortofon Jubilee, Ortofon Vero Special
Phonovorverstärker: Lehmann Audio Decade
Netzwerktuner: Onkyo NS-6170
Vorverstärker: Bryston BPS-25MC
Endverstärker: Linn LK100
Kopfhörer: Sony MDR-1 RNC
Passivlautsprecher: Naim Credo
Aktivlautsprecher: Neumann KH 310 A
Kabel: Sommer Cable