Piega Premium 301 Gen2
Die zweite Generation von Piegas Premium-Baureihe ist nicht nur kompakter geworden, sondern kommt auch mit neu entwickelten Treibern daher. Geblieben ist das charmante, zeitlose Design der Schweizer Lautsprecher. Der Zweiwege-Bassreflexlautsprecher für kleinere bis mittlere Räume benötigt tatsächlich gehörig viel Einspielzeit, wandelt sich dann aber von der unscheinbaren Raupe zu einem klanglichen Schmetterling.
In aller Kürze:
Trotz reduziertem Volumen vermag die Piega Premium 301 Gen2 realistische Tieftoninformationen zu vermitteln. Die bruchlose Anbindung an den neuen Bändchenhochtöner RM01-24 ist schlicht herausragend.
Die ersten Klangeindrücke aus den exakt gefertigten und auch haptisch erstklassigen Lautsprechern waren − sagen wir es mal so − überschaubar. Kalt aus der Kiste klangen die Piegas zurückhaltend. Klar, den Hinweis auf die Einspielzeit geben viele Hersteller, so auch die Schweizer. Das, was woanders vielleicht eher ein Marketingspruch ist, hat bei Piega aber tatsächlich Hand und Fuß. Nachdem ich die 301 Gen2 zunächst von der Hörposition wieder ein Stück weit in Richtung Rückwand geschoben hatte, um sie einige Tage (es waren mehr als zwei Wochen!) vor sich hin spielen zu lassen, bemerkte ich am Schreibtisch im Nebenraum auf einmal, dass die Hintergrundmusik viel plastischer geworden war. Hatte ich unbewusst auf meine physisch größere Hauptabhöre umgeschaltet? Nein, hier spielten wirklich dieselben Lautsprecher, die noch vor 14 Tagen so unspektakulär wir nur möglich klangen.
Der anfangs vor allem in den Höhen zurückhaltende Kompaktlautsprecher hatte sich zu einem homogenen Schallwandler gemausert, bei dem Hoch- und Tiefmitteltöner gleichwertig zusammenspielen. Der Bassbereich − auch zu Beginn bezogen auf das Gehäusevolumen schon überzeugend − hatte inzwischen mehr Definition bekommen und schob subjektiv nochmals ein wenig mehr Luftmoleküle an. Die Piega Premium 301 Gen2 wanderten sofort wieder auf meine Partington-Ständer in optimaler Position zum Hörplatz. Viele Stunden angenehmen Musikhörens sollten vor mir liegen.

Die zweite Generation der Piega-Premium-Baureihe − die zweitkleinste der Schweizer − spricht mit dem parabelförmigen Alugehäuse zwar dieselbe Designsprache wie die Vorgängerversion, ist aber ansonsten ein komplett neuer Lautsprecher. Angefangen beim reduzierten Gehäusevolumen über den überarbeiteten Tiefmitteltöner bis hin zum magnetostatischen Hochtonbändchen ist hier alles neu! Das Bändchen RM01-24 trägt die Initialen seiner Entwickler Roger Kessler und Mario Ballabio. Letztgenannter hat das Bändchen-Gen im Blut. Schon sein Vater Aldo fertigte in den 1980er Jahren zusammen mit Piega-Firmenmitgründer Kurt Scheuch die ausgefeilten Schallwandler für die Hochtonwiedergabe. Mario (zwischenzeitlich Surfprofi) hat von seinem Vater gelernt, wie man Bändchen aus dünnen Aluminiumfolien faltet. Und nicht zuletzt ist dieser Vorgang auch heute noch im Firmennamen zu finden. „Piegare“ ist das italienische Wort für „falten“. Die Familiengeschichte geht übrigens weiter, auch Marios Tochter Ailina ist seit einiger Zeit in der Horgener Manufaktur tätig.
Das neue RM01-24 arbeitet mit je drei symmetrisch angeordneten Neodymmagneten vor und hinter dem nur 82 Milligramm wiegenden Bändchen. Die Flachspulen auf der Membran werden mit einem Sprühnebel-Ätzverfahren herausgearbeitet. Genauso wie beim Koaxialbändchen der höheren Baureihen. Ziel war es, die Verzerrungen weiter zu reduzieren und eine klare und natürliche Stimm- und Instrumentenwiedergabe hinzubekommen. Tatsächlich zeichnet sich das neue Piega-Bändchen durch eine hohe Detailtreue aus. Becken werden gut positioniert und ohne jegliche Härte oder Spitzen wiedergegeben. Artikulationsgeräusche höre ich wie im Studio, sie werden aber nicht überbetont. Der für mich wesentliche Punkt ist allerdings die bruchlose Anbindung an den ebenfalls überarbeiteten Tiefmitteltöner aus beschichtetem Papier, den die Schweizer „Full Symmetric Drive“-Tiefmitteltöner (FSD-M) nennen. Mit seinen 140 Millimetern Membrandurchmesser bekommt er aus dem kompakten Bassreflexgehäuse schon bei Zimmerlautstärke ein überzeugendes Bassfundament hin, das dem eines wesentlich teureren Kompaktlautsprechers aus dem vergangenen Testjahr in nichts nachsteht! Solide Single-Wire-Anschlussterminals runden den guten Gesamteindruck des Lautsprechers aus Schweizer Fertigung ab.

Elektronische Basstrommeln sind seit den 1980er Jahren aus kaum einer Popproduktion wegzudenken, jedoch in der Regel nicht wirklich ein Genuss auf kleinen Zweiwege-Monitoren. Das Kölner Produzentenduo Blank & Jones hat sich in seiner Karriere nicht nur ausführlich mit dem Klangdesign von Trevor Horn befasst, sondern auch aktuell gut klingende Produktionen mit eben solchen rhythmischen Klangerzeugern am Start. Das Stück „Monday“ vom aktuellen Album #WhatWeDoAtNight4 ist ein klanglich hervorragendes Beispiel für geschmackvolle elektronische Musik. Die tiefen Impulse kommen präzise und mit entsprechend definiertem Hochtonanteil aus den Lautsprechern. Dabei liefert die 301 Gen2 ein druckvolles Fundament, das im Gegensatz zu vielen Bassreflexkonstruktionen die Schwärze zwischen den einzelnen Schlägen nicht durch aufgedickte obere Mitten verwischt. Die Piegas bleiben dynamisch, exakt, sauber, und zusammen mit dem ausgewogenen Klang des Bändchens wird daraus ein Klangerlebnis, das in Räumen bis 20 Quadratmeter aus meiner Sicht nichts vermissen lässt. Die Wiedergabe ist über alle Frequenzbereiche ausgewogen, die Musik federt, die Dynamik ist spürbar, nichts wirkt komprimiert. In meinen vielen Jahren als Testautor ist mir diese Souveränität und klangliche Größe bei einer kompakten Zweiwege-Box noch nicht untergekommen – und da gab es einige Mitbewerber (die im fünfstelligen Preisbereich mit eingeschlossen)!
Ich lege japanischen Jazz auf. Hiroshi Suzukis „Romance“ von Mitte der 1970er Jahre lässt ein perlendes Rhodes und eine Trompete über einem treibenden Beat aus kraftvollem Bass und mit erkennbarem Raum aufgenommenem Schlagzeug erklingen. Auch hier ist das nicht nur ein Abbild des Viersaiters, sondern tatsächlich ein realistisch klingender E-Bass. Das Ensemble swingt mit exaktem Timing und absolut auf den Punkt. Die Piegas liefern neben der authentischen Basswiedergabe auch ein herausragendes Beispiel in puncto Räumlichkeit ab. Das Schlagzeug befindet sich in einem hörbaren Raum, und die dynamischen Feinheiten beim Ausklingen des Kessels der Snare sowie beim leichten Shuffle der Hi-Hat werden zusätzlich zu den aufschlussreichen Rauminformationen übermittelt. Details, ohne sich darin zu verlieren. Ohnehin ist es während des Testzeitraums selten dazu gekommen, dass ich ein Stück nicht ausgespielt habe. Immer ein gutes Zeichen.
Mit ihren 89 Dezibel Wirkungsgrad kommt die Piega mit jedem guten Transistor zurecht (oder umgekehrt), aber auch meine Luxman-Röhre fremdelte keineswegs mit den Schweizer Lautsprechern. Hier konnte ich die offenere Spielweise meines Röhrenverstärkers sehr gut vom Halbleiterantrieb unterscheiden. Die grundlegenden Eigenschaften des Lautsprechers blieben jedoch bestehen, auch im Tiefton.
Die zu Beginn an Peter Gabriel erinnernde Ballade „Sacred Ground“ vom irischen Songwriter Kieran Goss zeigt, wie gut und exakt eine schön aufgenommene Stimme in der Mitte des Stereodreiecks platziert werden kann. Frei und losgelöst von den eigentlichen Schallwandlern zieht Goss die Zuhörer mit der ohrwurmhaften Melodie dieses Songs in das tiefe Blau des Plattencovers hinein. Die klangliche Manipulation des Schlagzeugs im Studio im Vergleich zur vorher gehörten Jazzaufnahme wird schnell deutlich. Der musikalische Ansatz des Liedes bleibt dabei immer im Vordergrund.
Zugegeben, zu Beginn der Testphase war ich eher skeptisch ob der zurückhaltenden Klänge nach dem Auspacken des nagelneuen Lautsprechers. Nach der Einspielzeit von zwei Wochen wurde die Piega Premium 301 Gen2 aber zu einem der besten Kompaktlautsprecher, die ich je hören durfte. Ich neige nicht zu Superlativen, aber an das ausgewogene, erwachsene Klangbild dieser Bassreflexkonstruktion kam bisher kaum einer heran. Das schönste Kompliment an die Schweizerin ist aber, dass ich selten so oft und so lange mit einem Testlautsprecher gehört habe. Rundum gelungen!
Bis zur Veröffentlichung der Generation 2 der Premium-Baureihe brauchte es mehr als 30 Prototypen, Gehäuse und Technik wurden vom Team um Roger Kessler komplett überarbeitet. Das gilt neben dem Bändchenhochtöner RM01-24 mit exakt orthogonalen Magnetfeldlinien auf dem Aluminiumbändchen auch für den neuen Tiefmitteltöner mit Eisenmagnet und beschichteter Papiermembran. Dieser „supersymmetrische Treiber“ benötigt lediglich die Hälfte des bisherigen Magnetmaterials und ist ein weiterer Schritt der Schweizer Manufaktur in Richtung Nachhaltigkeit.
Info
Lautsprecher Piega Premium 301 Gen2
Konzept: 2-Wege-Bassreflex-Kompaktlautsprecher mit Bändchenhochtöner im Aluminiumgehäuse; Design: Stephan Hürlemann
Eingänge: Single-Wire-Terminal (Piega Multi Connector II)
Impedanz: 4 Ω
Wirkungsgrad: 89 dB
Besonderheiten: 3 symmetrisch angeordnete Neodymmagnete vor und hinter dem Bändchen
Ausführungen: „naturbelassen“ (Aluminium) sowie weiß oder schwarz lackiert
Maße (B/H/T): 17/31/23 cm
Gewicht: 6,1 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Paarpreis: ab 2500 €
Kontakt
Piega
Bahnhofstrasse 29
8810 Horgen
Schweiz
Telefon +41 44 725 90 42
mail@piega.ch
Mitspieler
CD-Player/Wandler: Luxman D-N150
Plattenspieler: Elac Miracord 70 mit Audio-Technica AT33-PTG II
Streamer: Volumio
Phonovorverstärker: Luxman E-250
Vollverstärker: Luxman SQ-N150, Linn Majik
Endverstärker: Graham Slee Proprius
Lautsprecher: Klipsch Heresy IV
Kabel: Ecosse, TaraLabs, Furutech, Supra, Graham Slee, Corfac2, Silent Wire