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Mørch DP-8

Test Mørch DP-8 – Ein richtungsweisender Balanceakt

Test Mørch DP-8 – Ein richtungsweisender Balanceakt

Spekulationen über die Erkundung der perfekten Mitte

Fotografie: Nikolaus Schäffler

„Steinmännchen“ heißen sie zu Hause im Voralpenland, als „Stone-Balance“ findet man solche Steinskulpturen aber auf der ganzen Welt. Es handelt sich um eine meditative Kunstform – für manche sogar vielmehr eine Art Zen – mit dem Ziel, Natursteine spektakulär, verblüffend oder einfach nur möglichst hoch aufeinanderzustapeln.

Eine weitere Annäherung: Die antiken Griechen waren zwar sehr wohlhabend, so wie heute noch dortige Reeder, aber retrospektiv lausige Architekten. Sie konnten keine ordentlichen Rundbögen bauen und mussten deshalb alles auf Säulen stellen und Segmentbögen konstruieren. Erst die Römer beherrschten Aquädukte mit gewölbten Bogenstellungen. In Athen behalf man sich unter anderem mit der Mathematik der harmonischen Reihe, die ihre praktische Anwendung im Stapeln gleichartiger Objekte wie zum Beispiel Bausteinen findet. Eine harmonische Reihe entsteht durch Summation der harmonischen Folge, d. h. der Kehrwerte der positiven ganzen Zahlen, also eins plus einhalb plus ein Drittel plus ein Viertel usw. Geht man exakt vor, kann man Ziegelsteine fast beliebig hoch stapeln, wobei ein immer größerer, frei tragender Überhang entsteht und der oberste Ziegel den darunterliegenden zur Hälfte überragt.

Mørch DP-8
Ob in neun oder zwölf Zoll Länge, eine umwerfende Schönheit ist der DP-8 in beiden Fällen

Was die scheinbar chaotischen Steinstapel und die streng formalen mathematischen Konstrukte eint, ist der exakte Schwerpunkt, ihr Ruhen in sich selbst. Ähnliche Überlegungen könnte Hans Henrik Mørch auch angestellt haben, denn der DP-8 ruht ebenfalls in seiner gravitätischen Mitte, er muss nicht auf die Platte gezwungen werden, sondern lehnt sich an sie wie ein antiker Halbbogen an die stützende Wand. Die Abtastposition ist seine natürliche Haltung, das Auflagegewicht eine Kraft, die nur in eine Richtung wirkt und nicht als Schwungmasse agiert, sobald der Abtaster Gegendruck in Form von Rillenmodulationen oder Höhenschlag bekommt. Das hat zur Folge, dass sich der DP-8 nicht als Feder-Masse-System aufschaukelt, sondern stabil in seinem Schwerpunkt verharrt wie ein Karate-Meister – versuchen Sie so einen mal auszuhebeln oder umzuschubsen.

Mørch DP-8
Die Antiskating-Kraft wirkt auf den Lagerblock und wird stufenlos mittels einer Uhrfeder justiert

Geben Sie es zu: Sie haben sich klammheimlich darauf gefreut, dass nur kunstfertige Hochstapler und mit Bernoulli-Ketten jonglierende Rechenkünstler den DP-8 korrekt justieren können. Aber darauf will ich nicht hinaus. Es ist sogar Unsinn, wenn man immer wieder liest, der Arm sei eine kapriziöse Diva, in die Welt gesetzt von Tollpatschen, die sich bei der Benutzung eines Schuhlöffels beide linken Daumen brechen. Es stimmt, der DP-8 braucht etwas mehr Zuwendung, aber Hexerei ist nicht nötig, man lernt seinen neuen Arm dabei kennen und schult das Gehör in der Einschätzung klanglicher Feininformationen. Wer das lediglich für einen ärgerlichen Umstand hält, ist mit einem Medienserver besser bedient.

Mørch DP-8
Das Armrohr wird einfach auf den filigranen Lagerblock geschraubt, ein hochwertiges Tonarmkabel liegt bei.

Die Bedienungsanleitung des DP-8 ist zwar englisch, aber sehr detailliert. Ich versuche in einem Crash-Kurs durchzusausen, ohne auf alle Eventualitäten einzugehen. Wie bei jedem Mørch entscheidet man sich zunächst für ein Armrohr. Es gibt sie in neun und zwölf Zoll Länge und vier Gewichtsklassen, um die Tiefenresonanz im Zusammenspiel mit dem Tonabnehmer unter 13 Hertz zu halten. Das gewählte Armrohr wird dann einfach mit einer Rändelmutter oben auf den Lagerblock geschraubt, dessen Mittelpunkt 212 Millimeter bzw. (bitte ganz genau) 294,1 Millimeter von der Tellerachse entfernt liegen sollte – die krumme Zahl ist der Umrechnung ins metrische System geschuldet. Während man das Armrohr anschraubt, spürt man einen geringen Widerstand, der von Federkontakten herrührt, die die Pins der Innenverkabelung bombensicher aufnehmen. Die je Seite zweiteiligen Lateralgewichte weisen exzentrische Bohrungen auf, was es erlaubt, ihren Schwerpunkt frei und unabhängig um ihre Achse zu bestimmen. Als empfohlener Ausgangspunkt soll eine Neigung um je etwa 30 Grad nach hinten unten für die kleineren innenliegenden und nach hinten oben für die größeren Gewichte dienen, wobei größte Sorgfalt auf exakte Spiegelsymmetrie zu legen ist. Jetzt reiht man ebenfalls außermittig gebohrte Gegengewichte nach geschätzter Anzahl auf die hintere Achse und lässt ein wenig Spielraum für ein Scheibchen mit Mittelloch, das als Zünglein an der Waage letztlich die Auflagekraft definiert. Wenn die Schätzung gepasst hat, lässt sich der Arm nun in die Nulllage balancieren, falls nicht, noch mal Gewichteanzahl raten. Schließlich den vertikalen Abtastwinkel über ein seidig laufendes Gewinde komfortabel justieren, die Feinnivellierung kann später sogar auf dem drehenden Teller erfolgen. Analoge Neurotiker dürfen das für jede Platte erneut haargenau anpassen.

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Jetzt wird es außergewöhnlich und möglicherweise esoterisch, denn der Arm ist zwar grundsätzlich spielfertig – die Systemjustage setze ich als erfolgt voraus –, aber er hat seine Mitte noch nicht gefunden. Es gilt, das „center of gravity“, zu erforschen. Man hebe die Headshell um ein bis zwei Zentimeter an und lasse sie bei deaktiviertem Antiskating wieder fallen. Der Arm wird nun innerhalb zweier Extreme reagieren: Bleibt er oben oder fällt bis unter die Plattenoberfläche wie ein nasser Sack, war schon die Nullstellung eine Illusion. Im Regelfall wird er mehr oder weniger schnell absinken und sich mit einer gewissen Amplitude einpendeln. Das ist gut, aber noch nicht perfekt. Durch Drehen der Gegengewichte – idealiter so, dass ihr Summenschwerpunkt über der Achse liegt – und der Lateralgewichte versucht man nun den Schwerpunkt des Armes exakt so zu legen, dass sich die Headshell langsam, aber stetig wie ein Schlagbaum senkt und genau auf der Plattenoberfläche stehen bleibt, ohne nach unten zu pendeln. Das erfordert ein wenig Kontemplation und man darf dabei gerne fluchen, aber nach spätestens 30 Minuten sollte es dann auch gut sein. Der härteste Teil ist geschafft und die Mär vom unjustierbaren Arm erfolgreich widerlegt. Jetzt muss man nur noch Auflagekraft addieren und das Antiskating über die Spannung einer filigranen Uhrfeder justieren.

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Eine weitere, nach Hans Henrik Mørch die zentrale Besonderheit des DP-8, findet sich in seinem anisotropischen Prinzip, also der Richtungsabhängigkeit seiner Eigenschaften. Die meisten Tonarme sind in einem Punkt oder auf einer Achse gelagert, wodurch ihre effektive Masse horizontale wie vertikale Auslenkungen gleichermaßen beaufschlagt. Aus Sicht Hans Henrik Mørchs stellt das einen Kompromiss dar, der zwingend vor allem die Basswiedergabe beeinträchtigt. Denn für die Abtastung von in Seitenschrift geschnittenen tiefen Tönen müsste der Tonabnehmer stramm geführt werden, sodass die Rilleninformation vollständig von der Abtastnadel aufgenommen werden kann und sich nicht ein Teil davon in der Bewegung des Arms verliert. Die Masseträgheit eines schweren Arms ist dabei hilfreich, andererseits beeinflusst sie ebenfalls die vertikale Bewegung, die möglichst frei sein sollte, um Welligkeiten der Plattenoberfläche nicht als Tonhöhenschwankungen hörbar zu machen. Mørchs Lösungsansatz liegt hier in der Zweiteilung des Lagers in ein horizontales mit Silikonöl bedämpftes hochpräzises Kugellager und ein vertikales Zweipunkt-Saphir-Spitzenlager, das unbedämpft bleiben sollte. Mit diesem Kniff steht Mørch allerdings nicht alleine, Dynavector hat das ebenfalls so praktiziert, und aus jüngerer Zeit fällt mir etwa der 12J2-Arm von AMG ein, aber was den DP-8 dann doch heraushebt, ist die ausgeklügelte Masseverteilung auf die beiden Bewegungsvektoren. Das Saphir-Lager sitzt leicht nach vorne versetzt in der Lagerbasis, aber noch innerhalb dessen Schwerpunkts. So wie bei den Ziegelsteinen in einer harmonischen Reihe ergibt sich ein Überhang, und der Schwerpunkt des Armes, das Gravitätszentrum, verschiebt sich auf einen virtuellen Punkt in Richtung Headshell. Die effektive Masse wirkt exklusiv auf die Drehbewegung, während das Armrohr vertikal sehr leichtgängig um besagtes Gravitätszentrum „schwebt“, stets danach strebend, dort zur Ruhe zu kommen.

Mørch DP-8

Je länger ich darüber nachdenke, umso schwummriger wird mir. Wer hat Lust auf eine feine Platte? Frisch gewaschen und gut abgehangen. Und wenn sich die verchromte Stricknadel DP-8 schon als Meister aller Bässe einführt, warum nicht Stanley Clarke mit seinem elektrischen Instrument zur Membranfolter? „The Dancer“ aus dem kommerziell äußerst erfolgreichen Album School Days von 1976. Musikalisch wie vieles aus der Fusion-Ära stark vom Moog-Synthie geprägt, hat doch Clarkes Slap-Bassriff zu Recht seither Generationen von Bassisten an sich verzweifeln lassen. Auch nach 40 Jahren geht die hervorragende Produktion noch direkt in die Beine; ich bezweifle sogar, dass man damals hören konnte, was ich gerade wahrnehme. Die Stereobühne scheint leicht zu schweben, aber nicht so hoch, dass man aufblicken müsste, und auch nicht abgehoben im Sinne von zu leicht, was auf eine mittenbetonte Wiedergabe hinwiese. Nein, sie ist sicher verankert, nur bemerkt man erst an der wie materiell wirkenden Stabilität, dass auch die Bühne freitragend in sich selbst zu ruhen scheint. Jede Synthesizer-Taste erklingt wie ein fröhlicher Hüpfer und jede Bassnote trifft einen aus dem Nichts wie ein Knock-out. Insbesondere der prominent platzierte E-Bass steht wie betoniert im Raum, er hat Tiefe und ansatzlose Explosivität. Das Lyra Kleos SL läuft im Mørch zu Hochform auf, die Feinauflösung, die der Arm zulässt, statt sie zu behindern, ist eine Klasse für sich. Auch die tendenzielle Blutarmut, die ich bei Lyra-Systemen bisweilen schon gehört habe, scheint dem Kleos SL im DP-8 völlig zu fehlen. Wüsste ich nicht, dass ein Lyra spielt, ließe ich mich glatt zu Aussagen wie „analoge Wärme“ hinreißen. Jedenfalls fühlt sich Crystal Gayles helle Stimme in „Everybody Oughta Cry“, die einem aufgrund schlechter Wiedergabe selbst bisweilen Schmerzenstränen in die Augen treiben kann, an wie eine Nackenmassage. Ohne steril oder übervorsichtig zu agieren offenbart dieses Gespann jedes Detail – sowohl musikalisch und klanglich als auch der Wiedergabekette. Ich fürchte, dabei kann es durchaus auch zum metallenen Finger in der offenen Wunde werden. Vielleicht ist es das sogar im Moment: Denn wie viel von der überragenden Basskompetenz sollen mir meine Breitbänder schon vermitteln können? Wollen Sie auch noch wissen, wie sehr mich das gerade kümmert?

Mørch DP-8

Verzeihung, ich habe etwas Attitüde aufgebaut. Mittlerweile fegt „Just One Drink“ von Jack Whites Lazaretto mit hysterischer, benzingeschwängerter Stimme durch den Hörraum, der sich plötzlich verdammt nach Garage anfühlt. Die nach dem zweiteiligen Parallel-Intro einsetzende Bass-Drum klingt nach Eierkartons an den Wänden und nimmt einem kurzzeitig die Luft, während die beiden aufgedrehten Gesangsstimmen wie die monoton sägende Gitarre bewusst rotzig übersteuert sind. Seine Vollendung erfährt dieses Filetstück moderner Americana, wenn sich im Mittelteil eine liebliche Fiedel geschmeidig wie ein Tropfen Öl durch die staubtrockene Aufnahme schlängelt, mit ungeahnter Dynamik anschwillt, bis sie plötzlich alles andere überstrahlt und sich wieder zurückzieht, ohne ganz zu verstummen. Eine größere Produktion, als ich dachte, und eine großartigere Wiedergabe, als ich erwartet hatte.

Anfangs durchlief ich eine Phase der großen Experimentierfreude. Ich montierte das leichtere Neun-Zoll-Rohr mit sogenannter Precision-Headshell, das generell dieselbe Spielfreude transportierte, dennoch zog ich später die längere Variante vor. Sehr wahrscheinlich harmoniert das Gewicht einfach besser mit dem Lyra, mag aber auch sein, dass es nur eine optische Präferenz ist. Mir scheint der DP-8 als Zwölfzöller jedenfalls noch ein Quäntchen fließender und unbeschwerter aufzuspielen. Daneben variierte ich die Stellung der seitlichen Gewichte, schon wenige Grad schlagen sich in der Bühnenabbildung nieder, sie scheint entweder nach hinten zu fliehen oder nach vorne zu kippen. Die beste Stellung, wenn die Musik sonor erklingt und die Lautsprecherlinie nicht mehr auszumachen ist, kann man leicht erhören; in ihrer Größenordnung sind diese Unterschiede mit jenen der Tonarmhöhe vergleichbar. Das Kleos SL landete nahe der empfohlenen Standardeinstellung, für das etwas schwerere Audio-Technica 50ANV drehten sich die großen Lateralgewichte ein wenig nach hinten.

Mørch DP-8

Im Geiste betrachte ich den DP-8 längst als Körperteil. Eine geradezu grausame Amputation, müsste ich mich wieder von ihm trennen. Er ist nicht nur klanglich ein Juwel, sondern transportiert auch analoges Feeling, das für mich mit Feinmechanik, Feingliedrigkeit zu tun hat. Gegen ihn wirken andere Arme wie Baseballschläger, was sie a priori nicht schlechter macht, aber es haftet ihnen etwas Grobmotorisches an, das für mich nicht mit Schallplattenwiedergabe korrespondiert. Allein die fein gebogene Feder der Tonarmarretierung entzückt mich jedesmal, wenn sie mich sanft, aber nachdrücklich daran erinnert, sie vergessen zu haben. Ich würde mir diesen Arm sogar in der goldenen Ausführung auf den Firebird schrauben – ein größeres optisches Zugeständnis an den guten Klang entzieht sich meiner Vorstellungskraft.

 

Info Mørch DP-8

Prinzip: Drehtonarm mit wechselbaren Armrohren

Effektive Länge: 9″ (230 mm), 12″ (k. A.)

Effektive Masse: 4–14 g (je nach Armrohr)

Montageabstand: 212 mm (9″), 294,1 mm (12″)

Montagebohrung: 20 mm

Innenverkabelung: hochreines, teflonisoliertes Silber

Tonarmkabel: hochreine, versilberte Kupferleiter mit 5-Pol-Anschluss und Cardas-Cinchsteckern

Besonderheiten: anisotropisch, zweigeteiltes Lager

Ausführungen: Chrom oder Gold

Gewicht Armbase ohne Gegengewichte: 580 g

Garantiezeit: 5 Jahre

Preis: 3700 €

Preis zusätzliche Armrohre: 315/630 € (9 Zoll/12 Zoll)

 

Mitspieler:

Plattenspieler: Feickert-Analogue Firebird

Tonarme: Kuzma Stogi Ref, Thorens TP 92

Tonabnehmer: Lyra Kleos SL, Ortofon MC Quintet Bronze und 2M Black, Audio-Technica 50ANV und 33PTG I

Phono-Vorverstärker: Lehmann Audio Black Cube Decade, MFE Tube One SE (integriert)

CD-Player: Revox C 221

DA-Wandler: PS Audio Digital Link III

Vorverstärker: MFE Tube One SE

Endverstärker: DNM PA3S

Vollverstärker: Genuin Straight

Lautsprecher: Living Voice Avatar R2-OBX und R2-IBX, Steinmusic Masterclass SP 1.1

Kabel: Musical Wire, Audiophil

Zubehör: Steinmusic, Audiophil, Tellermatte und Plattengewicht von H. U. Rahe

 

 

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