BETONart-audio Tonale Pro
Knallharte Tatsachen, verblüffend flexibel vermittelt – zu Gast bei Jörg Wähdel, dem kreativen Kopf hinter BETONart-audio
In aller Kürze:
BETONart-audio Tonale Pro: Kraftvoll, kontrolliert, offen, vielseitig – die Liste der Attribute ließe sich endlos fortsetzen. Das völlige Fehlen von Resonanzen fügt das Wichtigste hinzu: eine schier unglaubliche Ruhe im Klang!
Eine Wohnsiedlung an der Peripherie der malerischen Neckarstadt Heidelberg. Hanglage, formidable Aussicht, alles so ordentlich und sortiert, dass uns trotz verhangener Novemberstimmung imaginäre Rasenmäher und Heckenscheren durch den Kopf surren. Dass in einem der Wohnhäuser Lautsprecher erdacht werden, die vieles grundlegend anders machen, die einen ungemein cleveren Gegenentwurf zum Mainstream verkörpern – die Kulisse würde es kaum vermuten lassen. Die Lautsprechermanufaktur BETONart-audio hat das Potenzial, selbst die Großen der Zunft ins Grübeln zu bringen. Was der Physiker Jörg Wähdel in Sachen Schallwandler erdenkt und produziert, hat mit Massenware, so elaboriert sie auch sein mag, in etwa so viel zu tun wie ein maßgeschneiderter Armani-Anzug mit einem Sakko von der Stange. Die Ausgangsparameter könnten kaum optimaler sein. Wähdel, der das FIDELITY-Team in seinen eigenen vier Wänden begrüßt, um seine so schweren wie grandios klingenden Kunstwerke vorzuführen, hat mit seiner Manufaktur nicht nur ein Herzensprojekt umgesetzt – er brennt auch auf eine Weise für sein Unternehmen, dass er uns schon nach kurzer Zeit angesteckt hat. Doch Begeisterung allein macht keinen Meister. Neben seinem Studium kann Wähdel auf jahrzehntelange Erfahrung bauen. Seit über 35 Jahren ersinnt und konzipiert er Lautsprecher. Und weil er für einen großen Konzern tätig war, weiß er auch, wo seine Grenzen liegen. In Toningenieur Jürgen Lusky und dem Diplom-Ingenieur Hubert Reith – Letzteren kennen einige Leser wahrscheinlich über die Komponenten seiner „HiFi-Akademie“ – fand er zwei Mitstreiter, die ihm Technik, Know-how sowie ihre Ohren und wertvolle Zweitmeinungen beisteuern.

Initialer Gedanke hinter BETONart war die Auseinandersetzung mit einem Kardinalproblem der hochwertigen Musikwiedergabe: klangschädliche Vibrationen, von denen die Reinheit des Signals und damit die Sauberkeit der Wiedergabe beeinträchtigt werden. Um ihrer Herr zu werden, setzen viele Entwickler auf schiere Masse und Dichte, arbeiten mit versteiften und gedämmten Holz- oder Kunststeingehäusen, die im Idealfall „akustisch tot“ sind. Jörg Wähdel treibt diesen Ansatz auf die Spitze, seine Lautsprecher haben auf Einzelbestellung hin gegossene Carbonbeton-Gehäuse, deren Fertigungsprozess so optimiert wurde, dass es keine messbaren Fehler in den maximal massiven Gebilden gibt. Stellen Sie sich das Material wie Stahlbeton vor. Statt der Bewehrung aus Metall kommt bei Carbonbeton jedoch ein Geflecht aus Kohlefaser zum Einsatz, das eine sechsfach höhere Zugfestigkeit und Stabilität mitbringt. Natürlich reden wir hier nicht über handelsüblichen Baubeton: Wähdels ausgetüfteltes Hausgemisch ist so fein und hat derart gute Flusseigenschaften, dass Lufteinschlüsse und Blasen praktisch ausgeschlossen werden.
Die Oberfläche der Lautsprecher weist sich unverkennbar als Beton aus, sie fühlt sich aber so samtig und glatt an, dass wir zunächst an irgendeine Form von Beschichtung dachten. Die Boxen seien aber weder geschliffen noch sonst irgendwie behandelt, erklärt Wähdel, während wir seine Kolosse befühlen.
Jeder Lautsprecher entsteht in filigraner Handarbeit. Kommt eine Bestellung rein, fährt der Geschäftsführer in seine wenige Kilometer entfernte Werkstatt und beginnt, passende Gussformen für das gewünschte Modell vorzubereiten – das allein kostet bei einem Koloss wie dem neuen Flaggschiff Tonale Pro mehrere Tage. Den gesamten Fertigungsprozess seiner Flaggschiffe schätzt er auf 180 Stunden, zuzüglich einer wochenlangen Ruhephase zum Aushärten. Die Zahl der Lautsprecher, die in den zehn Jahren seit der Gründung von BETONart-audio entstanden ist, hält sich schon daher in überschaubaren Grenzen. Auf die Idee mit dem Beton sind zugegebenermaßen schon andere gekommen; Jörg Wähdel war allerdings von vornherein klar, dass es nicht damit getan sein würde, Lautsprechergehäuse aus einem Werkstoff herzustellen, der rund zehnmal so dicht ist und dreimal mehr wiegt als mitteldichte Faserplatten (MDF), und anschließend abgestimmte Chassis hineinzubauen. Wer in den klanglichen Olymp will, stellt in der Praxis schnell fest, dass die Abwesenheit von Resonanzen nur einen Teil des Weges darstellt. Bei den BETONart-Kreationen spielen deshalb Signalprozessoren eine zentrale Rolle, deren Fähigkeiten uns der sympathische Entwickler in einer ausgedehnten Hörsession darzustellen wusste. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Konstruktion der Tonale Pro. Die 180 Zentimeter messenden Riesen sind in drei separate Gehäuse gegliedert. Zwischen den beiden Woofern steht ein kombiniertes Mittelhochtonmodul, dessen Flanken mit markant beleuchteten Aluminiumprofilen verziert sind. Auf Anfrage könne man die Profile natürlich auch anders gestalten oder ganz weglassen, erklärt Jörg Wähdel. Um den unschlagbaren Vorteil des Gehäusematerials nicht unnötig zu mindern, sind die drei Segmente durch dichte Dämmmatten voneinander entkoppelt.


Gemeinsam mit Hubert Reith entwickelte Wähdel ein vielseitiges wie leistungsfähiges Aktivmodul, das die Basis sämtlicher BETONart-Aktiven bildet. Bei diesem Modul handelt es sich um eine Kraftzelle in Class-D-Arbeitsweise, der je nach Verwendung unterschiedliche Leistungen abverlangt werden. Im Katalog ist die riesige Tonale Pro als Dreiwege-Lautsprecher ausgewiesen, was sich mit einem Augenzwinkern versteht: Da jedes der Aktivmodule nur einen einzelnen Mono-Antrieb enthält, stecken gleich fünf Stück im Gehäuse der Tonale Pro – eins für jeden Treiber. Exakter wäre also die Beschreibung als Fünfwege-Lautsprecher in Dreiwege-Konfiguration. Die Verbindung der Module ist von außen sichtbar über maßgeschneiderte Brückenkabel realisiert.
Den Löwenteil der Energie drücken natürlich die Kraftwerke der beiden modifizierten 15-Zoll(38 cm)-Basstreiber in den Hörraum. Je 1000 Watt leisten die beiden Verstärker, was unter Berücksichtigung aller Variablen einen Wirkungsgrad von 97 Dezibel ergibt. Jörg Wähdel wäre keine Physiker, wenn er die damit verbundenen Kräfte nicht auch anders ausdrücken könnte: Mit rund 17 Kilo Antriebskraft versetzen Magnete und Spulen die deutlich leichteren Membranen in Bewegung. Die können ihre maximalen 2,2 Zentimeter Arbeitsweg durch den mehr als wohldimensionierten Headroom vollkommen verzerrungsfrei umsetzen. Um den „Natural Sound“ in den Mitten kümmern sich zwei Premium-Keramiktreiber aus Accutons Cell-Familie, die über riesige 4,5-Zoll(11,5 cm)-Spulen verfügen und dem Wirkungsgrad der Basschassis in nichts nachstehen. Die beiden Class-D-Antriebe dahinter wirken mit 200 Watt, als liefen sie im Stromsparmodus. Für einen Mitteltöner ist die verfügbare Leistung allerdings gewaltig. Ebenfalls 200 Watt erhält zuletzt auch das filigran-transparente Nanokristall-Bändchen, das mittig im Lautsprecher in einem eingegossenen Waveguide sitzt. Signale gelangen entweder analog via XLR/Cinch in die Tonale Pro oder digital über das Funkprotokoll WiSa, das mit fixen 24 Bit und 96 Kilohertz arbeitet.

Und damit wären wir beim vielleicht wichtigsten Feature der Standbox, dem ganz und gar außergewöhnlichen Zusammenspiel der Signalwege. In jedem Verstärkermodul steckt ein hochkarätiger Sabre-DAC nebst Prozessor. Über eine von Hubert Reith programmierte Webmaske, die auf jedem Gerät mit installiertem Browser läuft, hat Jörg Wähdel Zugriff auf den Frequenzbereich jedes einzelnen Treibers. Wie gesagt: In der vorgesehenen Konfiguration ist die Tonale Pro als Dreiwege-System konfiguriert. Ihre Bässe sind identisch beschaltet, die Mitteltöner bilden gemeinsam mit dem Tweeter ein D’Appolito-System. Als wir unseren Hörparcours starten, musizieren die Lautsprecher extrem dynamisch und mit einer vorzüglichen Natürlichkeit in den Mitten. „Pure Live Modus“ heißt diese äußerst direkte, insgesamt sehr ausgewogene Betriebsart im Jargon des Herstellers, mit der man von Rock über Pop und Klassik bis zu deftiger Elektronik alles auf hohem Niveau genießen kann.
Dann greift Wähdel zum Tablet, verändert einige Parameter und startet die Tonale Pro neu, was alles in allem etwa eine Minute in Anspruch nimmt. Erneut spielt er „Slabo Day“, den groovigen Track von Peter Green in einer Neueinspielung von Gregor Hilden. Die markante E-Gitarre löst sich plötzlich viel plastischer und klarer aus der Abbildung, schiebt sich merklich vor Bass und Schlagzeug. Vor allem die tiefen Frequenzen wirken um ein, zwei Dezibel leiser als noch kurz zuvor. Das sei eine akustische Illusion, erläutert uns der Lautsprecherbauer. Er habe in den „True Studio Modus“ umgeschaltet, der die Mitteltöner voneinander löst. Im Gegensatz zum vorherigen D’Appolito-Gleichtakt umsorgt nur noch einer der beiden Treiber die Mitten, während der andere im Übergangsbereich zwischen Bass und Mitten aushilft. Aus drei Wegen sind dreieinhalb geworden. An der Lautheit der Frequenzen ändere sich nichts, durch die Konzentration gewinnt die Instrumenten- und Stimmabbildung jedoch merklich an Prägnanz. Vor allem Liebhaber von Folk, Jazz oder Aufführungen mit wichtigen Gesangsparts werden die Präsenz und die Farbkraft dieser Einstellung bevorzugen.

Doch die beiden mitgelieferten Presets sind nur zwei von unzähligen Spielweisen, die eine Tonale Pro beherrscht. Die fünf individuellen Filterwerke erlauben nicht nur die nahezu beliebige Umgestaltung der Frequenzgänge und Phasenlagen, über programmierbare EQs lassen sich auch Raumprobleme wie Bassmoden gezielt terminieren. Das ist unglaublich komplexe Materie – und durch die grafisch gestützte Web-Oberfläche und beliebig viele Speicherplätze im Tablet oder Laptop wird ein unstillbares Verlangen geweckt, ein wenig mit den Möglichkeiten zu experimentieren.
Für Jörg Wähdel hat die Programmierbarkeit freilich noch einen ganz praktischen Nutzen. Er bekommt sein Topmodell nicht nur in jeder Umgebung zum Spielen, sondern kann auch Sonderwünsche erfüllen. Sollte ein Kunde beispielsweise den Wunsch haben, die Gangart der geradezu brachial-dynamischen Box zu später Stunde etwas zu zügeln, könnte man ihm ein Programm vorlegen, dass gewissermaßen eine „Tonale Light“ mit nur einem Mittel- und Tieftöner realisiert. Will ein anderer Kunde aus Platzgründen oder wegen Bedenken ob des aberwitzigen Gewichts nur einen Woofer haben, könnte man auch das realisieren. Umgekehrt wäre freilich auch eine „Tonale Pro Plus“ mit vier oder mehr Woofern denkbar. Ein vergleichbares Custom-Setup wartete bei unserem Besuch auf seine Auslieferung: Gleich sechs riesige 21-Zoll-Subwoofer sollen der bestehenden Kette eines Käufers „Beine machen“. Bewaffnet mit Messmikrofon und Tablet wird Jörg Wähdel die ca. drei Quadratmeter Membranfläche in den kommenden Wochen mit punktgenauem Timing in die Anlage einbetten.

Den Höhepunkt unseres Besuchs bildete natürlich die umfangreiche Klangprobe. Die Wiedergabe beeindruckte selbst bei geringen Lautstärken mit außergewöhnlicher Detailtreue und der plastischen, präzisen Abbildung aller Frequenzen. Stimmen wirkten authentisch und lebendig, die Mitten insgesamt wunderbar ausgewogen. Bei Michael Jacksons „Billie Jean“ spürten wir den trockenen, präzisen Bass, der trotz seiner impulsiven Wucht nie aufdringlich wurde. Die Tieftonwiedergabe war schlichtweg atemberaubend: Die beiden 15-Zoll-Basstreiber sorgten für eine Präsenz, die nicht nur bis in die tiefsten Lagen hörbar, sondern auch spürbar war. Trotz der enormen Kraft ist der Tiefton straff und kontrolliert, wodurch er auch in komplexen Musikpassagen die Übersicht wahrt. Unter Beweis stellte Wähdel das ausgerechnet mit Baba Blues minimalistischem „St. James Infirmary“ (Glimmer Of Gold), das eine herrlich melancholische Note ins Spiel brachte, die hervorragend zum Wetter passte. Den Lautsprechern gelang es, das feinfühlige Gitarrenspiel des Bluessongs in allen Feinheiten und Nuancen in den Raum zu zeichnen.
Die trocken abgemischte Stimme von Baba Blues wirkte so authentisch und körperhaft, als stünde der Sänger vor uns. Vergleichbar musizierte die Tonale Pro „Hey Laura“ von Gregory Porter: Die Mittel- und Hochtöner geben Sibilanten schnell und dynamisch, aber ohne jede Härte wieder.
Anschließend wurden wir bei Faithless’ „Insomnia“ und Yellos „Magma“ (Live In Berlin) Zeugen, dass die dynamischen Fähigkeiten der leistungsstarken Boxen – gemeinsam werfen sie immerhin 5,2 Kilowatt in die Waagschale – bis in die tiefsten Frequenzbereiche keine Limits kennen. Die Bassschübe der Tracks massierten uns herrlich durch und führten dazu, dass Kater Enzo, der unseren mehrstündigen Besuch beinahe verschlafen hätte, erstmals einen müden Blick in unsere Richtung warf. Das fulminante Finale bildete Michel Godards „Roma“ (Monteverdi – A Trace of Grace), eine im ersten Moment wenig komplex erscheinende Aufnahme, die Lautsprechern mit ihrem verborgenen Groove, der unglaublichen Ruhe und einer Fülle natürlicher Rauminformationen absolute Konzentration und Disziplin abverlangt – ein meisterhaft eingespielter Titel, den die Tonale Pro mit unvergleichlicher Grazie reproduzierte.
Info
Aktivlautsprecher BETONart-audio Tonale Pro
Konzept: aktiver Standlautsprecher mit modularem Aufbau und fünf frei programmierbaren Wegen; Standardkonfiguration als 3-Wege-Lautsprecher mit D’Appolito-Mittelhochton
Bestückung: 2 x modifizierte 15“-Basstreiber, 2 x Accuton-Cell-Keramikmitteltöner, 1 x nanokristallines Bändchen mit Waveguide aus Carbonbeton
Verstärkung: 2 x 1000 W (Bässe), 3 x 200 W (Mitten und Höhen); alle Class D
Frequenzgang: 25 Hz bis 24 kHz
Anschlüsse: je 1 x analog (Cinch und XLR), WiSa-Digitalzugang (24 bit/96 kHz Wireless)
Besonderheiten: DSP-Filter und -EQs zur Begrenzung der einzelnen Wege und zur Programmierung von Raumanpassungen; Steuerung via Tablet/Computer/Smartphone über Audio Smart Control (ASC); Mogami-Innenverkabelung; LED-beleuchteter Schriftzug
Maße (B/H/T): 42/180/50 cm
Gewicht: je 280 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preise: ab 33 750 €/Stck.; Anlieferung 250 bis 450 €, Aufbau und Einmessung 650 €
Kontakt
BETONart-audio
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