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Wilson Audio WATT/Puppy

Wilson Audio WATT/Puppy

Sie war nie weg

Wilson Audio WATT/Puppy

Mehr als zwei Jahrzehnte war sie im Programm: Die WATT/Puppy ist der wohl wichtigste Lautsprecher in der Geschichte von Wilson Audio. Auch wenn der Name 2011 aus den Katalogen verschwand, lässt sich ihr Einfluss bis heute klar in der Modellpalette ablesen. Nun ist sie wieder da – und passt perfekt ins Bild.

Wilson Audio WATT/Puppy

In aller Kürze:
Die quintessenzielle Wilson Audio ist wieder da: Die WATT/Puppy ist alles, was die Marke ausmacht, mit der neuesten Technologie und bislang ungekannter Finesse.

Wilson Audio WATT/Puppy


Kann man Wilson Audio als den Ferrari unter den Lautsprecherherstellern bezeichnen? Ich weiß, ich weiß: Jeder Vergleich hinkt zwangsläufig, und ja, mir ist klar, dass Provo nicht in Italien liegt, auch wenn es ein bisschen so klingt. Es gibt da allerdings die ein oder andere durchaus markante Ähnlichkeit, die die beiden verbindet. Ich rede hier nicht von Offensichtlichkeiten wie der Tatsache, dass beide Hersteller fest im High-End-Segment verankert sind, oder von dieser Kombination aus Kraft, Dynamik und Kontrolle, die ihren Charakter ausmacht – solche Banalitäten ließen sich auf nahezu jedes beliebige Vergleichspaar anwenden. Ich rede hier zum einen vom Nimbus, der beide Marken umgibt: Prestigeträchtige Hersteller gibt es einige, doch an die Gravitas von Ferrari oder Wilson Audio reichen – wenn überhaupt – nur wenige Markennamen heran. Für uns relevanter ist jedoch eine Eigentümlichkeit in der Modelldynamik, die die beiden eint: Die Hauptrolle im Markenverständnis spielen bei Ferrari seit jeher die großen Zwölfzylinder-Flaggschiffe – und doch sind es vielfach die vergleichsweise „bodenständigen“ V8-Modelle wie der 308, die den Markennamen in die Köpfe der breiten Massen eingebrannt haben und nicht zuletzt auch durch Stückzahlen bis heute einen gewichtigen Beitrag zur Rentabilität des Unternehmens beitragen.

Wilson Audio WATT/Puppy
Der Laie mag sie für ein weiteres Modell nach dem bewährten zweiteiligen Bauplan mit Mittelhochtonmodul auf Bassfuß halten – tatsächlich ist die WATT/Puppy die jüngste Auflage des Originals, das vor knapp 40 Jahren den Weg für dieses Konzept geebnet hat.

Unverhofft legendär

Bei Wilson Audio verhält es sich nicht unähnlich: Bereits seit der Ur-WAMM (Wilson Audio Modular Monitor) von 1976 definiert sich der amerikanische Hersteller technologisch über die kompromisslosen Riesenlautsprecher mit einstellbarer Abstrahlgeometrie auf allen Wegen – und hat sich damit bereits wenige Jahre nach seiner Gründung einen legendären Ruf erarbeitet. Die wahre Ikone im Programm hat indessen etwas bescheidenere Ursprünge: Firmengründer Dave A. Wilson, der sich seiner Leidenschaft für Musik nicht nur von der Wiedergabe-, sondern auch von der Produktionsseite her näherte und daher auch ein eigenes audiophiles Label betrieb, brauchte einen portablen kleinen Monitor, der allerhöchsten Ansprüchen an Auflösung und Wiedergabetreue genügen sollte. Weil er es konnte, baute er ihn kurzerhand selbst, und weil der so klein und possierlich ausfiel, taufte er ihn liebevoll auf den Kosenamen „Wilson Audio Tiny Tot“ – in etwa „kleiner Knirps“. Eigentlich nur als seine Privatabhöre gedacht, blieb die bemerkenswerte Klangqualität der Minimonitore im Umfeld des Meisters nicht lange unbemerkt, und bald wurden Rufe nach einer Serienfertigung laut – ein Wunsch, dem Wilson nur allzu gerne nachkam. Damit war die erste Hälfte der Legende geboren – 1985 war das –, die zweite folgte drei Jahre später auf den sprichwörtlichen Fuß. Das Einzige, was die kleine WATT volumenbedingt nicht konnte, war Tiefbass, doch viele Kunden wünschten sich einen echten Vollbereichslautsprecher mit den gleichen tonalen Qualitäten. Dave Wilson nahm den kürzesten Weg zur Lösung: Statt eine „Big Tot“ mit mehr Wegen, mehr Volumen, mehr Bass zu kreieren, stellte er einfach den bestehenden Minimonitor auf ein Tieftonfundament in Gestalt eines separaten Bassmoduls mit zwei 20er-Woofern, das gleichzeitig als Lautsprecherständer fungiert und dem er den Namen „Puppy“ verlieh.

Wilson Audio WATT/Puppy
Cleveres Detail: Oben sehen Sie die integrierte Wasserwaage, die eine enorme Hilfe bei der exakten Einrichtung ist.

Was im Grunde wie ein Zufallsprodukt anmutet, wurde zu einem der durchschlagendsten Erfolge der Geschichte des High-End-HiFi: Wir reden hier nicht nur von einem der meistverkauften High-End-Lautsprecher aller Zeiten, sondern auch von einem Modell, das das Konzept „Mittelhochtonmodul auf Bassfuß“ großflächig popularisiert hat. Großen Einfluss hatte die zuletzt bis 2011 gebaute WATT/Puppy nicht nur auf die HiFi-Welt im Allgemeinen, sondern – natürlich – auch auf die Modellpalette der Marke an sich. Die gesamte Wilson-Mittelliga oberhalb der Sabrina X bis hoch zur Alexia V baut bis heute auf dem Grundprinzip eines auf einem Tieftonquader ruhenden Pyramidenstumpfes auf – wenn auch in wesentlich weiterentwickelter Form. Es ergibt auch Sinn, denn das Konzept lässt sich tatsächlich besser mit der Designphilosophie der großen Wilsons verheiraten, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. Der offensichtliche Vorzug ist, dass die Ankopplung der Mittelhochtoneinheit an das Bassmodul an dessen ruhigsten Punkten geschieht, wodurch Erstere ziemlich unbehelligt von dessen Vibrationen arbeiten kann. Wenn man allerdings schon Spikes als Verbindungselemente nutzt, bietet es sich an, mit der Geometrie der Ankopplung zu spielen und so – ganz im Sinne der großen, vollmodularen Modelle – eine Feinjustage der Laufzeitbezüge zwischen den Treibern zu ermöglichen.

Gönn’ dir was

Wilson Audio WATT/Puppy
Die silbernen Manschetten im unteren Bild sind schraubbar und erlauben eine Längenjustage der Kabelbrücken: Lösen, zur gewünschten Länge herausziehen, festschrauben. Angenehmer Nebeneffekt: Der zweiteilige Aufbau hat nicht nur akustische Vorteile; er macht auch die Aufstellung wesentlich leichter, da sich das „kopflose“ Tieftonmodul verhältnismäßig einfach rangieren lässt. Der Handgriff am Kopfteil vereinfacht dessen ohnehin unproblematisches Handling nochmals.

Was liegt also näher, als sich zum 50sten Firmenjubiläum mit einer Neuauflage des Wilson-Audio-Erfolgsmodells schlechthin zu beschenken, das Wilson Audio endgültig zur Legende aufsteigen ließ, die Unternehmensgeschicke fast ein Vierteljahrhundert lang begleitete und das Gesicht der Marke bis heute entscheidend prägt? Seit letztem Jahr führt Wilson Audio deshalb wieder einen Lautsprecher mit dem geschichtsträchtigen Namen im Programm; angesiedelt zwischen der Sasha V und der kleineren Sabrina X, ist die neue WATT/Puppy der kleinste Lautsprecher aus Provo, der in dieser klassischen zweiteiligen Bauart ausgeführt ist. Wie bei Wilson Audio üblich, ist „klein“ dabei freilich relativ zu verstehen. Man muss sie schon direkt neben die Sasha stellen, um einen Größenunterschied – oder überhaupt irgendeinen Unterschied – festzustellen. Optisch fällt in erster Linie neben einer insgesamt etwas kantigeren Linienführung das Fehlen der „Leitplanken“ auf, die bei der Sasha den Kopfteil einfassen, während dieser bei der WATT/Puppy frei auf dem Basssockel aufliegt.

Ansonsten ist im Wesentlichen das Gehäuse geschrumpft – und zwar nicht unerheblich: In der Breite und vor allem in der Tiefe ist die Neue schlanker, die getrimmte Linie macht sich nebenher in einem um satte 40 Kilo pro Seite geringeren Gewicht bemerkbar, was dem leidensfähigen und risikobereiten Audiophilen ein Aufstellen und Einrichten im Alleingang ermöglicht. Ein Kumpel mit je einem Paar kräftiger Arme und wachsamer Augen sei dennoch wärmstens empfohlen. Wie bei den größeren Markengeschwistern ist die Vierpunktlagerung von Anno dazumal inzwischen auf drei Punkte reduziert worden, wobei ein Treppchen unter dem hinteren Spike eine Neigungseinstellung des Kopfteils erlaubt – bis auf die fehlende Längsverstellung und ein Downgrade von den „Acoustic Diode“-Füßen auf eine konventionelle Spike-Konstruktion bringt die WATT/Puppy damit dieselbe Ausstattung mit wie ihre größere Schwester. Das gilt vor allem auch für die Treiberbestückung, die mit der Sasha V identisch ist: dieselben zwei 20er-Woofer im Bass, und auch die Mitteltoneinheit trägt mit dem ursprünglich für die Alexx V entwickelten CSC-Tweeter und dem 18er-Mitteltöner mit vierfachem Alnico-Magnetsystem die gleichen Chassis.

Wilson Audio WATT/Puppy
Die WATT/Puppy verfügt über exakt die gleiche Treiberbestückung wie die größere Sasha V. Gut zu erkennen ist der proprietäre Quadramag-Antrieb am „getunten“ ScanSpeak-Revelator-Mitteltöner.

Alte Tugenden, neuer Feinschliff

Dementsprechend habe ich keinerlei Befürchtungen, die „Mittelklasse“-Wilson könnte mit unserem 55 Quadratmeter großen Hörraum überfordert sein. Mit einem kraftvollen Antrieb wie einer Burmester 216 im Rücken füllen die insgesamt vier Achtzöller den Raum spielend mit dem von Wilson Audio gewohnten satten und kernig-straffen Bass, wobei sie Geduld und Mühe bei der Aufstellung durchaus honorieren, aber keineswegs erfordern – bereits bei der ersten Positionierung „Pi mal Daumen“ entwickelt der Bass bereits volle Autorität und gibt sich gleichzeitig auch schon recht ausgewogen. Klar braucht es ein wenig Gerücke, um die ein oder andere Raummode oder Absaugung in den Griff zu bekommen, aber es bleibt bei relativ großen, offensichtlichen Bewegungen, die abseits der Problemfrequenzen keine dramatischen Unterschiede in der Tonalität insgesamt ausmachen – und da man den 70 Kilo schweren Lautsprecher mit aufgesetztem Mittelhochtonmodul noch einigermaßen einfach auf je einem Spike über den Teppich zirkeln lassen kann, geht die Prozedur für einen Schallwandler dieser Größe recht einfach von der Hand.

Bildergalerie
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Die Tiefton-Generalprobe erfolgt mit „Tick-Tock“ aus Hans Zimmers Interstellar-Soundtrack. Der ab etwa Minute drei einsetzende, sich periodisch wiederholende und ins Abgrundtiefe absteigende Orgelton versetzt Magengrube wie Zimmerwände in wohlige Vibrationen. Während ich mich frage, wieso in aller Welt irgendjemand einen größeren Lautsprecher brauchen sollte, zieht allerdings neben dem Bass vor allem der Präsenzbereich meine Aufmerksamkeit auf sich: Das dichte, in Wellen in den Hörraum brechende Klanggewusel kann gerne mal etwas harsch und anstrengend kommen – doch von diesen beiden Adjektiven kann bei dem, was ich hier gerade höre, absolut keine Rede sein, Präsenz und Hochton zeigen bei aller Klarheit eine Geschmeidigkeit, die ich von Wilson Audio so nicht kenne. Haben die Amerikaner den Hochton etwa sanft an die Leine genommen? An sich ist die kraftvoll-direkte Gangart, die je nach Aufnahme auch mal etwas hart und schonungslos rüberkommen kann, etwas, das ich an Wilson Audio sehr schätze, also mache ich einen Gegencheck mit „Seoul Music“ vom Yellow Magic Orchestra (Technodelic). Ein Sammelsurium an synthetischen und gesampelten Perkussionsinstrumenten macht sich bemerkenswert frei im Raum breit, eine flüsternde Stimme hisst mir etwas Unverständliches ins Ohr, das aber dennoch so klingt, als sollten keine Kinder mit im Zimmer sein. Vor allem aber kommt die Snare jedesmal mit einem richtig schön peitschenden Knall und treibt das nur mäßig schnelle Stück unnachgiebig voran, und die WATT/Puppy bringt explosive Schallereignisse so messerscharf rüber wie eh und je. Selbstverständlich kann sie nicht nur hart und direkt: In Shuteen Erdenebaatars „Olden Days“ (auf dem Debütalbum Rising Sun) kann sich der Korpus ihres Klaviers in seiner ganzen Klangfarbenpracht entfalten, während das Saxofon dazu mit sanftem Anblasspratzeln melancholisch klagt. Das Stück ist mit seinen Film-noir-Akkordfolgen alles andere als subtil, vielmehr auf genau die richtige Art kitschig und trägt genau deshalb eine intensive, durchaus etwas überwürzte Stimmung in sich – die von der WATT/Puppy mit Nachdruck ins Musikzentrum des Hörers massiert wird. Herzlichen Glückwunsch, es ist eine Wilson Audio!

Wilson Audio WATT/Puppy

Info

Lautsprecher Wilson Audio WATT/Puppy

Konzept: 3-Wege-Bassreflex-Standlautsprecher mit separaten Gehäusen für Bass- und Mittelhochtoneinheit
Bestückung: 1 x 25-mm-CSC(Convergent Synergy Carbon)-Kalottenhochtöner, 1 x 18-cm-Mitteltöner mit Alnico-Quadramag-Motor, 2 x 20-cm-Tieftöner
Empfindlichkeit (1 W/1 m): 89 dB
Impedanz: 4 Ω (Minimum 2,87 Ω bei 86 Hz)
Frequenzgang (±3 dB in typischem Hörraum): 26 Hz bis 30 kHz
Empfohlene Leistung: > 25 W
Ausführung: Galaxy Gray, GT Silver, Quartz, Carbon, Medio Grigio; zahlreiche weitere Farben gegen Aufpreis
Besonderheiten: Aufbau und Schallwände aus X-, S- und V-Material, Kondensatoren aus eigener Entwicklung und Fertigung
Maße (B/H/T): 30,5/105/47,5 cm
Gewicht: 72,5 kg
Garantiezeit: 10 Jahre
Paarpreis: um 50 000 €

Kontakt

Audio Reference

Alsterkrugchaussee 435
22335 Hamburg
Telefon +49 40 53320359

www.audio-reference.de

Mitspieler

CD-Player: Ayon CD-3sx, Audio Note CD 3.1x, Accuphase DP-570
Netzwerkplayer/Streamer: Lumin P1, T+A PSD 3100 HV, Aavik SD-880
Vorverstärker: Accuphase C-2300
Vollverstärker: Line Magnetic LM-88IA, Aavik I-580
Endverstärker: Burmester 216
Lautsprecher: Wilson Audio Sasha DAW, Marten Parker Quintet, Avantgarde Acoustic Colibri
Rack: Solidsteel, Finite Elemente, Creaktiv
Kabel: AudioQuest, HMS, in-akustik, Vovox

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