Gryphon Eos 5
Drei Wege, Bassreflex, dynamische Treiber – klar ließen sich mit exotischeren Technologieansätzen leichter neugierige Blicke sammeln. Doch Gryphon muss schon lange nichts mehr beweisen – die Eos 5 verdreht auch so Köpfe und demonstriert mit State-of-the-Art-Materialien und vier Jahrzehnten Entwicklererfahrung, wie man vermeintlich ausentwickelte Ansätze auf ein neues Level hebt.
In aller Kürze:
Die Gryphon Eos 5 hat eine eigene Stimme und nutzt sie, um der Musik Gehör zu verschaffen – der perfekte Support-Charakter.
Manchmal lohnt es sich, zu warten: Bereits vor zwei Jahren war uns auf der HIGH END in München am Stand der Dänen die bildhübsche kleine Eos 2 aufgefallen – Gryphon-typisch mit einer überaus markanten Formgebung und in einem kühnen Hochglanzrot gehalten. So sehr wir uns auf das Standlautsprecherchen gefreut hatten, so realistisch mussten wir bleiben: Zwischenzeitlich haben wir bekanntlich innerhalb Münchens unseren Standort gewechselt, was mit sich brachte, dass unser Hörraum statt der bisherigen gut 40 Quadratmeter nun stattliche 55 Quadratmeter misst – einen Zweiwege-Lautsprecher mit 17er-Tiefmitteltöner in einen solchen Raum zu stellen wäre Mobbing und kein Test. Wir geduldeten uns daher noch ein wenig, bis die Lautsprecherschmiede die wesentlich größere Eos 5 auf die Spikes gestellt hatte, und forderten sogleich ein Paar an. Nachdem Björn Brormann vom deutschen Vertrieb die beiden bundesladengroßen Flightcases in unserem Hörraum abgeladen hatte, wich unsere leichte Panik vor dem Auspacken bald einem wohlwollenden Staunen –einige Hersteller denken beim Verpackungsdesign durchaus an die Handhabbarkeit, doch wenigen gelingt das so elegant wie Gryphon: Die Holzkisten lassen sich durch händisches Lösen einiger Klammern einfach demontieren und geben so den Lautsprecher frei, der sich anschließend über eine Schaumstofframpe in den Hörraum schieben lässt. Die zuvor erwähnten Spikes sind auch nur die halbe Wahrheit: In deren Abwesenheit steht die Eos 5 auf Teflongleitern, die es bemerkenswert einfach machen, die immerhin 64 Kilo schweren Brocken auf unserem Hörraumteppich umherzumanövrieren. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, kann man so doch wesentlich länger mit der genauen Positionierung herumexperimentieren, bevor Nervenkostüm und ATP-Vorrat die Suche unabhängig vom Höreindruck für erfolgreich beendet erklären. Ist die tatsächlich optimale Position erstmal gefunden, lassen sich die Eos 5 dann mittels der Spikes im Teppich festkrallen. Die Spikes sind dabei an sich schon einer kleinen Erwähnung wert: Sie besitzen ein herausnehmbares Dämpfungselement, der Nutzer kann also je nach Bodentyp und Klangphilosophie zwischen einer harten und (relativ gesehen) weichen Ankopplung wählen.

Nach Markenmaßstäben kompakt
Nach anfänglicher Aufstellung und Funktionscheck nehme ich als Erstes das Marketingmaterial zur Eos 5 in die Hand und muss beim Schmökern erstmal schmunzeln: Auch wenn die Aufstellprozedur erfreulich einfach ausfällt, reden wir hier doch von Schallwandlern, die in ihren Cases einen Kleintransporter im Wesentlichen komplett ausfüllen und mit je zwei 24er-Bässen auch eine standesgemäße Membranfläche mitbringen. Gryphon indessen spricht von einem kompakten Lautsprecher, der trotz seiner platzsparenden Abmessungen das gesamte hörbare Frequenzspektrum abbilden kann. Ganz offensichtlich denken die Dänen in anderen Größenordnungen als die meisten von uns – bei einem Blick auf eine Apex-Endstufe passt die hausinterne Einordnung auch ins Bild.
Kompakt oder nicht, die Eos 5 ist auf jeden Fall eine echte Gryphon: Allein die Formgebung mit der von oben gesehen oktogonalen Grundform und zahlreichen hart abgewinkelten Flächen, die entfernt an die Facetten eines Edelsteins erinnern, strahlt genau die Mischung aus Extravaganz und Erhabenheit aus, die wir von der dänischen Edelschmiede kennen. Ganz im Gegensatz dazu – und auch zur Eos 2, die wir von den Messevorführungen kannten – wirkt die Lackierung geradezu schüchtern. Mit das Erste, das uns beim Auspacken auffällt, ist die gummiartig weiche Anfassqualität der mattschwarzen Gehäuseoberflächen. Brormann entgeht unsere Verwunderung nicht, und er erklärt uns direkt, dass Gryphon auch hier an praktische Belange gedacht und deshalb einen selbstheilenden Mattlack entwickelt habe. Kleinere Blessuren sollen sich unter moderater Wärmezufuhr gewissermaßen „ausbügeln“ lassen. Die Neugier war groß, die Ehrfurcht größer – einen Praxistest sparten wir uns.
Vollendet klassisch
Technisch gibt sich die Eos 5 auf den ersten Blick verhältnismäßig konventionell: Dreiwege-Bassreflex, Kalottenhochtöner und Konusse im Mittel- und Tiefton – völlig in Ordnung; wenn im HiFi bekanntlich viele Wege nach Rom führen, wieso sollte man nicht einfach den geraden nehmen? In der technischen Umsetzung offenbart sich dann allerdings doch ein beachtliches Maß an technischer Finesse: Dem Hochtöner etwa hat Gryphon eine Membran aus Beryllium spendiert, während Mittel- und Hochtöner auf dasselbe schachbrettartig gewobene Kohlefasermaterial vertrauen, das auch manche andere Hersteller wie Perlisten, Børresen oder der Zulieferer SB Acoustics mit großem Erfolg einsetzen. Auffällig sind bei der Eos 5 jedoch die auf die parabolische Membran aufgebrachten Kunststoffringe, die die Ankopplung der Membran an die Schwingspule verbessern und so für ein besseres Impulsverhalten sorgen sollen.

Generell hat Gryphon bei der Entwicklung großen Wert auf Zeitrichtigkeit gelegt, auch wenn sich der Hersteller hier hinsichtlich der technischen Details etwas bedeckt hält. Im Datenblatt ist etwa von einem phasenlinearen Dreiwege-Lautsprecher die Rede, wobei ich nicht herausfinden konnte, was genau damit im Bezug auf eine passive Frequenzweiche gemeint ist. Die Weiche an sich ist jedenfalls recht aufwendig konstruiert: Im Übergang vom Mittel- zum Hochtonbereich kommen Filter zweiter, zwischen Mittel- und Tieftönern Filter vierter Ordnung zum Einsatz, wobei die Filterflanken nicht linear verlaufen, sondern in ihrer Steilheit progressiv ansteigen. Diese elliptische Charakteristik verbindet zwei Vorzüge: Zum einen sind die Filterflanken an den Übernahmepunkten flach und begünstigen so einen homogenen Übergang zwischen den Treibern, andererseits werden die Chassis im Trennbereich schärfer aus dem Signalweg genommen und müssen so nicht die große Bandbreite bespielen, die sonst mit flachen Flanken einhergeht. Über technischen Details lässt sich freilich trefflich brüten, letztlich kommt es auf das Ergebnis an …

Boxer mit Samthandschuhen
… weshalb wir uns nun dem Hören zuwenden – und eine erste kleine Überraschung erleben: Das mit der Zeitrichtigkeit haben die Entwickler ganz offensichtlich richtig gut hinbekommen. Angesichts des ziemlich weit vom Mitteltöner platzierten Tweeters war ich zunächst etwas skeptisch, aber die Raumabbildung gerät tatsächlich messerscharf: Auf einer unserer zahlreichen als Musikalben verkappten Test-CDs findet sich ein Stück, bei dem offenbar mit der Phase gespielt wurde, sodass ein Klangeffekt von hinten links nach vorn und dann zur Mitte wandert. Die Gryphon Eos 5 übermittelt mir seine Position mit einem derart nadelspitzen Fokus, dass ich meine, ich könnte das Geräusch anfassen – gar kein übler erster Eindruck!
Was mir jedoch mehr als alles andere ins Ohr fällt, ist das ungemein geschmeidige Klangbild, das die Däninnen in den Raum werfen: Allzu oft geht überragendes Auflösungsvermögen mit einem auf Dauer anstrengenden Charakter einher – vor allem dann, wenn im Hochton eine Metallkalotte werkelt. Der Beryllium-Tweeter lässt mich aber jegliche Vorbehalte gegenüber harten Hochtonmembranen flugs über Bord werfen. Gryphon gibt in der Tat eine obere Eckfrequenz von 40 Kilohertz an – ich kann nur vermuten, dass die Kalotte so weit oberhalb des hörbaren Spektrums aufbricht, dass das Gehör nicht einmal mehr eine Ahnung von etwaigem Klingeln mitbekommt.
Feinauflösung und Transparenz sind auf einem selbst für High-End-Verhältnisse selten hohen Niveau, und auch wenn die beiden 24er-Tieftöner, wenn gefragt, auch untenrum gehörig schwarz und knorrig zu Werke gehen können, wird der Gesamtcharakter nie auch nur ansatzweise spitz oder gar aufdringlich und erhält sich stets diese samtige Oberflächentextur. Schön illustrieren lässt sich das an „Ups and Downs“ vom Debütalbum Rising Sun des Shuteen Erdenebaatar Quartetts. Die junge Jazzformation rund um die in München lebende mongolische Pianistin wirft in diesem Stück energiegeladenen Jazz in den Aufnahmeraum, der hervorragend produziert auf den Tonträger gebannt wurde. Valentin Renner lässt es hier am Schlagzeug teils ordentlich krachen; die Eos 5 lässt die volle rhythmische Energie in den Raum platzen, ohne dass die Präsentation auch nur für einen Augenblick unangenehm drückend werden würde. Der Hochton offenbart auch in den dichtesten Passagen Details, die über andere Ketten schlicht im Gewusel untergehen würden, und präsentiert sie auch hier wieder mit dieser seidigen Transparenz, die einem auch bei ausgedehnter forscher Gangart nie auf den Senkel geht. Ein Boxer mit Samthandschuhen – jedenfalls im Verbund mit einer Accuphase P-7500.
Ich wechsele zur Probe das Kraftwerk gegen eine Burmester 216 und staune wieder nicht schlecht, mit welcher Deutlichkeit die Eos 5 den Unterschied im Zuspielercharakter durchschleust. „Gloves off“ heißt es nun: Wo die Accuphase bei aller Detailversessenheit das musikalische Gesamtgeschehen glatter zusammenfügte und damit der Aufnahme wohl eher näherkam, drischt mir die Burmester die Snareattacken mit mehr Punch und durchaus auch etwas Biss entgegen und trifft damit wahrscheinlich die Intention hinter der Aufnahme etwas besser.
Das lässt die Accuphase nicht auf sich sitzen und holt sich den Punkt bei Rimski-Korsakows Sheherazade zurück. Auch hier spielen beide zu niemandes Überraschung auf extrem hohem Niveau, doch mit wesentlichen Unterschieden in den musikalischen Prioritäten auf. Die Burmester entfesselt die Explosivität von Pauken und Blechbläsern mit ungebremster Macht und beeindruckender Kontrolle, die Accuphase fächert eine weitere Bühne auf und zeichnet zudem einen stärkeren Kontrast zwischen den melodisch-fließenden und den forsch-zackigen Passagen und wird so dem Charakter des Stückes einen Tick besser gerecht.
Sieger küren kann und will ich ob der grundverschiedenen Charaktere freilich nicht – letztlich werden Raum, Musiksammlung und Hörgeschmack die Verstärkerwahl diktieren. Damit kommen wir aber wieder zur eigentlichen Probandin zurück. Durchlässigkeit für Musik wie Elektronik dürfen wir bei einem Schallwandler dieses Kalibers voraussetzen, doch das Ausmaß, in dem diese Unterschiede über die Gryphon Eos 5 deutlich werden, ist auch in dieser Liga selten. Dabei ist die Eos 5 keineswegs charakterlos. Mit seiner Kombination aus messerscharfer Präzision und samtiger Langzeittauglichkeit ist der Hochtöner klar der Star der Show, drängt sich jedoch nie vor das Musikgeschehen, sondern rückt es mit seinem Glanz stets ins beste Licht.
Info
Lautsprecher Gryphon Eos 5
Konzept: passiver 3-Wege-Standlautsprecher mit rückwärtig abstrahlendem Bassreflexkanal
Bestückung: 1 x 29-mm-Beryllium-Hochtöner, 1 x 165-mm-TPCD-Mitteltöner, 2 x 240-mm-Tieftöner
Übergangsfrequenzen: 500 Hz, 2500 Hz
Empfindlichkeit (2,83 V/1 m): 90 dB
Nennimpedanz: 4 Ω (2,9 Ω Minimum bei 80 Hz)
Frequenzbereich (−2 dB): 20 Hz bis 40 kHz
Besonderheiten: auf Phasenlinearität hin optimierte Frequenzweiche mit elliptischen Filtern, selbstheilende Mattlackierung (Wärmebehandlung erforderlich), Teflongleiter zur Erleichterung der Aufstellung
Ausführungen: Soul Red Crystal, High Gloss Black, S-Mat Black (selbstheilend)
Maße (B/H/T): 49/131/57 cm (inkl. Standfuß)
Gewicht: 64 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: um 58 300 €
Kontakt
Auditorium
Feidikstraße 93
59065 Hamm
Telefon +49 2381 9339-42
info@gryphon-audio.de
Mitspieler
CD-Player: Accuphase DP-570, Audio Note CD 3.1x, Esoteric K-05XD
Netzwerkplayer/Streamer: Lumin P1, Aavik SD-880, T+A PSD 3100 HV
D/A-Wandler: Benchmark DAC3 B
Vorverstärker: Accuphase C-2300, Electrocompaniet EC 4.8 Mk II
Endverstärker: Accuphase P-7500, Burmester 216, Electrocompaniet AW-800
Lautsprecher: Nubert nuZeo 15, Manger c1, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: WestminsterLab, AudioQuest, Atlas Cables
Racks: Finite Elemente, Creaktiv, Bassocontinuo