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Tonhalle Zürich revisited

Tonhalle Zürich, revisited

Hörsäle der Welt

Tonhalle Zürich, revisited

In der Berliner Philharmonie habe ich es in den frühen 1990er Jahren erlebt, in der David Geffen Hall (ehemals Avery Fisher Hall) in New York habe ich es verpasst, hoffe aber, es irgendwann nachholen zu können.

In Zürich war ich jetzt glücklicherweise dabei: Ich konnte einen Saal vor und nach der Renovierung erleben, die ja oft genug einem veritablen Umbau gleichkommt. Denn selbst wenn die Halle nach den Baumaßnahmen ganz gleich aussieht, ändert sich der Klang doch oft massiv, denn allein schon ein unterschiedliches Trägersystem für die Bühnenaufbauten und der Wechsel von einer Holzsorte zu einer anderen bei den Trägern kann die akustischen Gegebenheiten komplett verändern.

Die Tonhalle in Zürich ist neben anderen Qualitäten für ihren geradezu unfassbar schönen Umgang mit tiefen Frequenzen berühmt. Vier Kontrabässe klingen wie sechs, dennoch geht keine Zeichnung verloren, alle tiefe Töne abstrahlenden Instrumente werden bei Wahrung aller Klarheit auf eine unbeschreiblich organische und wohlwollende Art veredelt. Das liegt, wie ich bei einem Besuch der Baustelle sehen konnte, zu einem großen Teil an der Art der Bühnenkonstruktion. Während in den meisten Sälen die Bühne mittels einer Mauer vom Parkett des Zuschauerraumes abgesetzt ist, geht hier der Boden durch und die Bühne steht auf ihm wie eine mobile Podestkonstruktion. Natürlich ungleich massiver und so optisch verblendet, dass es nicht auffällt, letztlich ist es aber nichts anderes. In diesem Balkenwerk unter den Bühnenstufen umherzuklettern ist schon eine besondere Erfahrung, allerdings ist das nichts, was für uns Musikliebhaber wirklich relevant ist.

Vor einigen Monaten durfte ich nun in der Tonhalle ein Konzert als Tonmeister mitschneiden, und seitdem lässt mich dieser Saal nicht mehr los. Freilich, meine folgenden Worte sind übertrieben, zeigen aber bestimmt deutlich, wohin die Reise geht: In diesem Saal kann man ein Orchester irgendwo auf die Bühne schicken und ein paar Mikrofone hinterherwerfen – die Aufnahme wird gut werden.

Ich nahm ein großes, dort residierendes Sinfonieorchester auf und mikrofonierte die Bühne zuerst wie üblich mit vielen Stützen in allen Stimmgruppen. Nach einem relativ kurzen Mixprozess blieben übrig: die Hauptmikrofone, eine Stereostütze vor den Holzbläsern, etwas Pauke, ein Hauch Kontrabass für mehr Konsonanten. Fertig.

Was mit so einem minimalen Setup aus den Lautsprechern fließt, ist akustisches Manna, klingendes Glück! Fülle, Zeichnung, dynamische Bandbreite, Tiefe in der Abbildung … alles da und zwar im Überfluss. Und wie es dieser Saal schafft, aus 16 Geigen ein klingendes Ganzes zu legieren, aus dem man keine Einzelmeinung mehr extrahieren kann – ein Traum.

Dass die Tonhalle nun minimal lichter als vor dem Umbau klingt, ist nun wirklich kein Schaden, da es vorher des Schönen bisweilen zu viel werden konnte. Dass in diesem Saal außerdem noch eines der besten Bühnenteams dieser Erde arbeitet, macht jeden Auftrag in Zürich zur reinen Freude.

Musiktipps – Aufnahmen mit typischem Raumklang

Aus der neuen Tonhalle gibt es noch keine CDs, allerdings nimmt das Tonhalle-Orchester fleißig auf, und daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir diese Akustik auch zu Hause genießen dürfen.

www.tonhalle-orchester.ch

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