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Faada Freddy - Tables Will Turn

Faada Freddy – Tables Will Turn

Der Gospel von Monsieur Freddy

Faada Freddy – Tables Will Turn

Spätestens wenn die Brothers-In-Arms-CD endgültig verschlissen ist, der Text von „Hotel California“ keine Rätsel mehr aufgibt, die Gänsehaut bei „Stimela“ einer neurotischen Beklemmung weicht und man die Cover der schweren Diana-Krall-Scheiben lieber nur betrachtet, statt die LPs aufzulegen, wird es Zeit für neue Test-Musik. Aber welche? FIDELITY weiß Rat.

Münzen klingen, werden in der Hand gewogen und auf einen Blechteller oder Ähnliches geworfen. Eine der Münzen dreht sich auf ihrem Rand. Bewegt sich dabei zwischen den Lautsprecherboxen – wahlweise auch zwischen den vom Kopfhörer bedeckten Ohren – von links nach rechts und zurück, bis sie mit einem markanten Münze-auf-Blech-Sound liegenbleibt. So beginnt das Album Tables Will Turn des senegalisch-französischen A-cappella-Künstlers Faada Freddy. Zeit fürs Goutieren dieses kleinen Surroundsound-Tricks im Intro des ersten Songs „Golden Cages“ bleibt zunächst nicht. Tenorstimmen starten einen Rhythmusbeat, der an eine Maultrommel erinnert. Und dann kommt schon die satte Bassbreitseite, die dieses Album bis zum letzten Ton charakterisiert.

Faada Freddy - Tables Will Turn

Der Eröffnungssong nimmt jetzt Fahrt auf: Bass- und Baritonstimmen des fünfköpfigen Ensembles setzen ein, flankiert von präzisem Beatboxing, bei dem die Hände der Musiker während des Singens auf die eigene Brust klopfen und so in unmittelbarer Nähe zu den Aufnahmemikrofonen für dominante Perkussionselemente sorgen – eine Art analoges, rein mit Stimme und Händen am Körper erzeugtes Drum-and-Bass-Fundament. Darauf nun tanzt Faada Freddy selbst hinein ins akustische Bild: Sein kraftvolles Blues- und Soulorgan entfaltet sich, öffnet „Golden Cages“ hin zum Refrain. Ein Gospelchor im Offbeat-Rhythmus gesellt sich dazu. Die einzelnen Tonspuren vereinen sich vom anfänglichen Münzwurf bis zum fast poppigen Finale zu einem kompakten, unbedingt groovigen Gesamtkunstwerk. Und das war nur der erste Song.

Tables Will Turn ist das zweite Album von Faada Freddy nach seinem bereits 2016 erschienenen Debüt Gospel Journey. Das war seinerzeit eine Sensation, erreichte in Frankreich sogar hohe Chartpositionen. Ein A-cappella-Album, das Oldschool-Soul und Gospelgesänge mit Afrobeats und feinen Reggae-Anleihen zu einem einzigartigen, postmodernen Chanson fusionierte. Faada Freddy hatte sich da bereits im Senegal der neunziger Jahre einen Namen gemacht als eine Hälfte des Rap-Duos Daara J, das seine kritischen Texte im senegalesischen Zungenschlag Wolof darbot. Die Liebe zum Soul der nördlichen Hemisphäre aber war schon früh entfacht. Als Kind hatte Freddy Motown-Platten nachgesungen, sich aus Ölkanistern und Konservendosen Instrumente gebaut, trommelte aber am liebsten beatboxmäßig auf dem eigenen Körper herum. Mit einem alten Kassettentape von Grandmaster Flashs „The Message“ erlernte er das Rappen – und entdeckte nun in der zweiten Lebenshälfte seine Liebe für den Gospel.

Sein jetzt zweites Album ist zwar nur kurz – hallt aber lange nach. Hier wurde mit sanfter, aber signifikant versierter Hand produziert. Das ausschließlich von Stimmen und händisch erzeugten Bodysounds getragene Werk scheint selbst zu atmen. Bassstimme und Beatbox-Rhythmen wallen etwa im Titelsong oder dem abbindenden „Day To Day Struggle“ durch den Raum wie die Brandung am senegalesischen oder französischen Atlantik. Das Album ist extrem archaisch und zugleich soundgewaltig abgemischt. Die Bassstimme klingt druck- und gehaltvoller als jede E-Bass-Linie von Bootsy Collins. Im Gospel-Backgroundchor, verspielt zuweilen wie eine gut gelaunte Elfenschar, lässt sich jede einzelne Stimme identifizieren. Schnelle Passagen wechseln sich mit ruhigen Phasen ab, berührender Blues, stimmgewaltiger Soul und rapide Rap-Einlagen lassen sich gegenseitig den Raum und die Zeit, die es eben braucht.

Tables Will Turn ist ausschließlich auf Vinyl oder als Download erhältlich. Wer sein High-End-Equipment gerne mit einer CD von Faada Freddy testen möchte, dem sei das erste Werk empfohlen, Gospel Journey. Auch dort mischen sich in teils hymnenhaften A-cappella-Arrangements uralte Mississippi-Churchsounds mit zeitgenössischem Afrobeat und modernen R’n’B-Anleihen.

Faada Freddy – Tables Will Turn (2023)
Label: Think Zik!
Format: Vinyl/DL 16/44

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