Roksan Caspian 4G Streaming Amplifier
Mit der kompletten Überarbeitung des Traditionsverstärkers Caspian ist Roksan endgültig auf der Siegerstraße angekommen.
In aller Kürze:
Roksan präsentiert mit dem Caspian 4G Streaming Amplifier eine audiophile Allzweckwaffe, die 99 Prozent aller audiophilen Gelüste befriedigen dürfte. Und das zu einem mehr als nur verführerischen Preis.
Roksan? Ist das nicht der analoge Nischenplayer, der vor allem in den 1990er und frühen 2000er Jahren den Markt mit innovativen Laufwerken und formidablen Phonostufen revolutionierte? An der Einleitung merkt der geneigte Leser, dass die britische Traditionsmarke aktuell einige Fragezeichen hinterlässt und in der allgemeinen Wahrnehmung ein wenig auf dem Seitenstreifen des deutschen Marktes parkt. Wir erinnern uns: Bereits mit dem ersten Produkt, dem Plattenspieler Xerxes, sorgte Roksan für Aufmerksamkeit, worauf noch weitere Laufwerke folgen sollten und dann im schwergewichtigen TMS3 gipfelten. 1986 erschien der Lautsprecher Darius, gefolgt vom Tonarm Artemiz und dem Tonabnehmer Shiraz im Jahr 1987.
Der analoge Erfolg führte jedoch dazu, dass Roksan den Ruf als ausschließlicher Analogspezialist abbekam, obwohl man die gesamte Gerätepalette abdeckte. Der Markt kann mitunter ungerecht sein. Eine wesentliche Veränderung erlebte Roksan 2016, als das Unternehmen von Monitor Audio übernommen wurde. Die Integration in die bestehenden Unternehmensstrukturen ermöglichte eine Erweiterung der Entwicklungsressourcen, die dazu führte, dass man die Analogsparte aufgab, die bisherigen Verstärkerlinien hingegen komplett überarbeitete und neu aufstellte. Und hier wurde die Neugier des Autors geweckt, der sich gerne an die Phonostufe Caspian DX2 erinnert und nach Ankündigung des Testmusters hoffte, die Marke neu für sich entdecken zu können.
Euphoria

Zwar kann die Verstärkerreihe Caspian mittlerweile auf eine mehr als 20-jährige Produktentwicklung zurückblicken, das neue Modell mit dem lapidaren Namenszusatz „4G“ hat aber bis auf einige Gehäusereminiszenzen nichts mehr mit den Vorgängermodellen gemein, sondern wurde im technischen Design komplett neu aufgesetzt. Mit dem aktuellen Modell wurden vor allem die Ansprüche aus dem Digital- und Streamingbereich berücksichtigt, weshalb es den Vollverstärker Roksan Caspian 4G in einer „Integrated“- und in einer „Streaming“-Variante gibt. Zwar hat der Caspian Integrated ebenfalls einen DAC an Bord, Zugriff auf die einschlägigen Streamingdienste und einen zusätzlichen HDMI-Anschluss bietet aber nur die Variante „Streaming“, die bei mir für drei Wochen einziehen durfte und – so viel sei bereits vorweggenommen – mir eine musikalisch außerordentlich vergnügliche Zeit bereitete.

Ziel der Produktabteilung war es, durch eine neu entwickelte Class-AB-Verstärkerarchitektur namens „Euphoria“ möglichst niedrige Verzerrungen und einen sauberen Signalfluss zu erreichen. Herzstück des Designs sind aber zwei getrennte Netzteile, die unabhängig voneinander arbeiten. Damit wird laut Roksan sichergestellt, dass eine Sektion die Spannung auf das notwendige Niveau hebt, während die zweite für eine stabile Stromversorgung verantwortlich ist, um die Lautsprecher mit ausreichend Leistung zu versorgen. Ein weiteres zentrales Element ist das optimierte Soft-Clipping-Verhalten. Hiermit wird angestrebt, dass die Verstärkerarchitektur das maximale Schalldruckniveau der Lautsprecher ausschöpft, bevor hörbare Verzerrungen auftreten, wodurch mehr nutzbare Leistung bereitgestellt werden soll, was ein kraftvolles und dynamisches Klangbild sowie eine stets präzise Wiedergabe – auch bei hohen Pegeln – ermöglichen soll.
Das lassen wir uns doch nicht zweimal sagen und gehen gleich zu Beginn des Austestens in die Vollen: So viele Ankündigungen hauseigener Innovationen wollen überprüft werden. Unverzüglich wandern einige CDs aus Bernard Foccroulles Gesamteinspielung der Bach’schen Orgelwerke in meinen Naim CD 5, und schon fluten gewaltige Toccaten und Fugen meinen Hörraum und verwandeln ihn in ein gewaltiges Kirchenschiff. Ja, das ist wahrlich unlimitierte Kraft, gekoppelt mit einem mächtigen, trockenen Bass und einer üppigen Klangfarbenpracht, die sich aber immer so neutral geriert, dass die Signaturen der unterschiedlichen Orgeln der Aufnahmen stets erkennbar bleiben. Wow, das muss man von der Verstärkerseite der Wiedergabekette erstmal so hinbekommen. Da hat man aber sehr genau das Pflichtenheft eines optimalen Verstärkers gelesen! Wer noch klanglichen Feinschliff hinzufügen möchte, greift zur MaestroUnite App, mit der sich diverse klangliche Feinheiten und einige Kleinigkeiten in Sachen Bedienkomfort bequem vom Tablet aus steuern lassen. Das funktioniert sowohl im Integrated- als auch im Streaming-Caspian, während Letzterer für den Streamingmodus eine zweite App benötigt, um dann mit BluOS das Zuspiel zu organisieren.
Rapture

Digital setzt Roksan auf die hauseigene Rapture-DAC-Technologie. Laut Roksan bietet dieser Ansatz erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Digital-zu-Analog-Wandlungsverfahren mit Operationsverstärker-ICs, da er eine verbesserte Bandbreiten-Charakteristik aufweist – ein entscheidender Faktor für eine hochauflösende und authentische Klangreproduktion. Auch diese Technik ist, wie mir Jens Ragenow vom deutschen Vertrieb ausführlich erzählt, komplett inhouse entstanden. Durch eine präzise abgestimmte Netzstruktur von Übertragungsleitungen wird zudem angestrebt, dass digitale Signale ohne jegliche Störgeräusche transportiert werden. Dies soll nicht nur eine exakte Stereoabbildung ermöglichen, sondern auch eine präzise Detailauflösung sowie absolute Stille zwischen den musikalischen Passagen sicherstellen.
Und ja, selbst bei den leisesten Passagen im finalen Adagio der Neunten Sinfonie Gustav Mahlers trübte kein noch so kleines digitales Artefakt den todessüchtigen Klanggenuss, den die Bamberger Symphoniker unter Herbert Blomstedt in dieser leider viel zu wenig beachteten Accentus-Aufnahme bieten. Eine geradezu gespenstische Ruhe liegt über den ersterbenden letzten Takten der Sinfonie, Gänsehautfaktor garantiert. Die formidable Klangwiedergabe gilt übrigens nicht nur für den Streamingbetrieb, der mit der BluOS-App leicht von der Hand geht, sondern auch für das digitale Zuspiel aus älteren CD-Playern. Falls also Ihr betagtes Gerät noch fehlerfrei die rotierenden Silberscheiben auslesen kann, der Wandler aber den leicht verhangenen Klang vergangener Zeiten mit sich bringt, dann können Sie sich – Digitalausgang vorausgesetzt – am schlackenfreien Sound der Rapture-DAC-Technologie erfreuen und dem ein oder anderen CD-Schätzchen neue Klangaspekte abgewinnen.

Willkommen im Vinyl-Club
Roksan wäre nicht Roksan, würde man nicht doch auch an die Freunde des schwarzen Goldes denken und sich auf die Tradition der legendären Caspian-Phonostufe DX2 berufen. Und tatsächlich kann die Onboard-Lösung für MM-Systeme die genetische Verwandtschaft mit der legendären Vorstufe aus den frühen 2000er Jahren nicht verleugnen. Streng geordnet um die Lautsprecher gruppiert, aber mit einer greifbaren Livehaftigkeit versehen, stehen die vier Musiker des Berliner Saxophon Quartetts im Raum und lassen die Kontrapunkte aus Bachs Kunst der Fuge beseelt umeinanderkreisen. Die immense Schubkraft im Bassbereich lässt das Baritoninstrument sogar ein wenig wie ein tiefes Orgelregister klingen. Es scheint auf dieser jpc-Eigenproduktion beinahe so, als hätte Bach sein sagenumwobenes letztes Werk tatsächlich für diese seltene und exotische Ensembleformation komponiert. Sicher, es gibt Phonostufen, die es schaffen, mit einem MC ein feinsinniger ziseliertes Klangbild in den Raum zu tupfen, sie müssen sich dann aber womöglich den Vorwurf der Spaßbremse gefallen lassen.

Beim internen Phonozug des Caspian bleibt hingegen kein Auge trocken. Zupackend und kernig wirbeln Sonny Rollins und seine Mitstreiter live über die Bühne des „Village Vanguard“, nie kommt der Gedanke auf, dass diese Aufnahme bereits mehr als 65 Jahre auf dem Buckel hat. Vor allem Jazzaufnahmen der 60er und 70er Jahre profitieren von der Direktheit, mit der hier der Verstärker seine Arbeit verrichtet. Da wird die Aufnahmequalität schnell zur Nebensache, weil sich die Musikalität der Stücke ganz unmittelbar mitteilt. Gepaart mit einem Ortofon 2M Black oder auch der High-Output-Variante des Dynavector 20X2 entwickelt sich hier eine körperliche Kraft, die zeigt, dass die Entwicklungsingenieure offenbar die stabilen, zupackenden Spezifika des legendären Shiraz-Tonabnehmers vor Ohren gehabt haben. Tracey Thorns sonorer Alt auf dem letzten Album von Everything But The Girl, begleitet von plusternden und sich wunderbar räumlich ausbreitenden Electrobässen, tritt auf den Hörer zu, als suche die Grand Lady des Club-Pop das unmittelbare Gespräch mit ihren Fans. Wer exakt diese Spielarten analoger Wiedergabe sucht, kann sich getrost die Zusatzkosten für eine externe Phonostufe sparen.
Allzweckwaffe ohne Mätzchen
Der Roksan Caspian 4G Streaming Amplifier ist einer der wenigen Verstärker, bei denen man sich bereits nach kurzer Zeit des Einhörens als Redakteur fragt: „Was will ich eigentlich mehr?“ Da ist ein sattes Klangbild, das weitgehend neutral und ohne Verfärbungen auskommt, aber alles andere als anämisch und spaßbefreit agiert. Das klassische AB-Prinzip verfügt über genügend Reserven, um über 90 Prozent der auf dem Markt befindlichen Lautsprecher problemlos anzutreiben. Und all dies bekommt man in ein eigenständig formschönes und extrem wertig verarbeitetes Gehäuse verpackt, das zudem mit durchdachter Anschlussvielfalt überzeugen kann.
Hinzu kommen ein MM-Zweig für livehaftigen Analogsound und eine hauseigene Digitalsektion, die zugespielte Einsen und Nullen kongenial zu einem überzeugenden involvierenden Sound wandelt. Ja, ich weiß, hier gibt es sowohl bei der analogen als auch bei der digitalen Ausstattungsvariante Nerds, die noch mehr Spielmöglichkeiten und Tools benötigen; aber bei dem aufgerufenen Preis für einen Caspian 4G bleibt durchaus noch Luft nach oben, sich seine Spezialwünsche additiv zu erfüllen. Und in der Streaming-Variante wird das ohnehin durchdachte Konzept noch von einer intelligenten App und einem problemlosen Zugriff auf die unterschiedlichsten Streamingdienste gekrönt. Eine formschöne und wertige Fernbedienung sorgt für eine feinfühlige Lautstärkeregelung, egal welche Quelle es zu regeln gilt. Oder um es ganz prosaisch auszudrücken: Roksan ist mit dem neuen Caspian ein No-Nonsense-Gerät gelungen, das in Technik, Klang und Preisgestaltung von einem gesunden Menschenverstand zeugt, den ich in der audiophilen Szene zunehmend vermisse. Well done, folks!
Info
Streaming-Vollverstärker Roksan Caspian 4G
Konzept: Vollverstärker mit Streamer, DAC und MM-Phonoverstärker
Eingänge analog: 1 x XLR, 2 x Cinch, 1 x Phono-MM (Verstärkung 47/53/59 dB)
Eingänge digital: 2 x koaxial (bis 24 Bit/192 kHz), 2 x optisch (bis 24 Bit/96 kHz), Bluetooth aptX, LAN
Ausgänge analog: 1 XLR, 2 x Cinch (Einstellungen Fix, Variabel, Low Pass Subwoofer)
Lautsprecheranschlüsse: Single-Wire
D/A-Wandler: hauseigener Rapture-DAC mit Dual-Mono-Aufbau bis 24 Bit/192 kHz
Leistung (8/4 Ω): 2 x 105 W/2 x 200 W
Betriebsart: Euphonia-Class-AB-Endverstärker mit Dual-Mono-Aufbau
Zubehör: Fernbedienung
Ausführung: Silber oder Schwarz
Maße (B/H/T): 43/9/37 cm
Gewicht: 15 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 4500 € (Integrated Amplifier um 3500 €)
Kontakt
Pannes Vertrieb
Berliner Straße 3
23795 Bad Segeberg
Telefon +49 4551 8955394
info@pannes-vertrieb.de
Mitspieler
Laufwerke: Thorens TD 126 MK III, Technics SL-1210 MK2
Tonarm: Koshin GST 801
Tonabnehmer: Sumiko Blackbird, Ortofon Concord Century und 2M Black, Dynavector 20X2
Phonovorverstärker: Innovative Audio Ultimate 2b, Thel Phono M
CD-Player: Naim CD5i
Streamer: Naim CD5XS
Vollverstärker: Naim SuperNait
Lautsprecher: Gamut Phi 7, Lyngdorf Cue-100
Kopfhörer: Beyerdynamic DT 1770 Pro
Zubehör: Wireworld, Sommer, Creaktiv