Gubaidulina, Rihm, Hosokawa: Am Horizont – Kammermusik für Bajan
Erstaunlicherweise gibt es Instrumente, die vom Kanon der klassischen Musik – egal welcher historischen Epoche – mehr oder minder ausgeschlossen sind. Eines dieser Instrumente ist das Akkordeon, dessen Image als Schifferklavier offenbar so zerstörend gewirkt hat, dass es auf ewig Hans Albers zugesprochen wird. Eine andere Wertung hat das Bandoneon als Schwesterinstrument erfahren, das durch Astor Piazolla quasi nobilitiert wurde. Gleiches gilt im russischen Kulturkreis für das hier weitgehend unbekannte Bajan, dem osteuropäischen Bruder des Schifferklaviers.
Germano Scurti, Ex Novo Ensemble
CD/Stradivarius
Es ist vor allem der Komponistin Sofia Gubaidulina zu verdanken, dass dieses Instrument für die zeitgenössische Musik wiederentdeckt wurde. Dabei ist es weniger das folkloristische Element, dass Gubaidulina am Bajan interessiert, als vielmehr die enorme klangliche Bandbreite vom explosiv Geräuschhaften bis hin zum gehauchten leisen Verstummen. In unterschiedlicher Weise orientieren sich die auf dieser CD versammelten Komponisten an den extremen Möglichkeiten des Instruments: Wolfgang Rihm in gewohnt expressiver Weise und Toshio Hosokawa in beinahe meditativer Stille mit einem Duett für Bajan und Klarinette. Die zentralen Kompositionen dieser CD sind natürlich von Gubaidulina, die zeigen, dass diese zu recht nicht genug als Ehrenretterin eines in der ernsten Musik gescholtenen Instruments gewürdigt werden kann. Es bedarf aber natürlich auch eines Virtuosen wie Scurti, der mit traumwandlerischer Sicherheit sämtliche klanglichen Nuancen des Instruments bedienen kann, so dass man sich fragen muss, wieso es nicht mehr Kompositionen für das Bajan gibt.
