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Lambert, Hendricks & Ross - Sing a Song of Basie

Sing A Song Of Basie

Die heimlichen Meisterwerke des Jazz, 1957

Sing A Song Of Basie

Jon und Dave hatten eine Pechsträhne. Es gab kaum Jobs für sie, keine Plattenverträge, kein Geld.

Beide waren frisch geschieden – sie teilten sich ein billiges Apartment in der Cornelia Street in Downtown Manhattan, hatten aber kaum etwas zu essen. Selbst bei „Joe’s Dinette“, wo sie eine Weile anschreiben lassen konnten, bekamen sie keinen Kredit mehr – ihre Schulden waren zu hoch. Mit der Jobbeschreibung „Bebop-Sänger“ war 1956 einfach kein Staat mehr zu machen. Dabei hatten sie ja einiges vorzuweisen. Dave hatte ein Vokalduo mit Buddy Stewart (1922–1950) gehabt, hatte die Dave Lambert Singers geleitet – er war ein Experte für Vokalensembles. Jon wiederum hatte Songs für Louis Jordan geschrieben, eine Aufnahme mit King Pleasure gemacht – er besaß ein besonderes Talent für Songtexte.

Eines Tages meinte Dave: „Warum schreibst du nicht Texte zu ein paar Count-Basie-Songs – und wir versuchen, eine Plattenfirma dafür zu begeistern?“ Da Jon nichts anderes zu tun hatte, machte er sich an die Arbeit. Die Idee war, bekannte Aufnahmen des Basie-Orchesters Ton für Ton in Worte zu übersetzen (die Melodien, die Riffs, die Soli, alles) – und Dave würde das Ganze dann für einen 12-köpfigen gemischten Chor arrangieren, quasi eine vokale Bigband. Mit den ersten Songs im Gepäck klapperten die beiden die New Yorker Plattenfirmen ab – ohne Erfolg. Nur ein junger Produzent bei einem ganz neuen Label zeigte Interesse. Er war bereit, einen Chor zu verpflichten und Count Basies eigene Rhythm Section als Begleiter zu holen.

Bei den Proben zeigte sich aber schnell: Die professionelle Gesangsgruppe, geübt in Werbe-Jingles fürs Radio, hatte kein Gefühl für Swing. Jon und Dave versuchten die Männer zu „trainieren“ – und für die Frauen baten sie Annie Ross um Hilfe, die bereits Platten mit nachgesungenen Jazzsoli gemacht hatte. Als aber alles nichts fruchtete, fiel das Wort „Overdubbing“. Keiner wusste 1957 so genau, wie das geht, aber man wollte es mal versuchen. Das heißt: Dave, Jon und Annie übernahmen alle zwölf Gesangsparts selbst, in vier Durchgängen. Es war eine Pioniertat – mit einem einzigen Mikrofon (Mono!) und einem Ampex-Tonband. Bei den ersten Versuchen nahmen sie zunächst die Führungsstimmen auf – doch die verschwammen dann im Bandrauschen. Also noch einmal, nun in umgekehrter Reihenfolge. Um die enorme Studiozeit bezahlbar zu halten, arbeitete man nachts von 20.30 Uhr bis 6.30 Uhr früh. Monatelang, von August bis November.

Das Album Sing A Song Of Basie enthält zehn Basie-Hits wie „One O’Clock Jump“ oder „Little Pony“ – fast alle sind Bluesstücke.

Lambert, Hendricks & Ross - Sing a Song of Basie

Annie Ross singt die hohen Trompetenstellen nach (mit allen Kieksern und Shakes), Jon Hendricks die hyperschnellen Tenorsax-Soli – und alles mit Text. Die Themen und Riffs der Bläsersätze teilen sie sich zu dritt auf – bei zwölf Stimmen sind da viele Klangmischungen möglich. Jeder Song ist wie eine kleine Jazz-Operette mit Arie und Gegenarie, Einwürfen und Chören. Obwohl die Platte keinen einzigen originären Ton enthält, hat sie ein authentisches Jazzfeeling. Als sie im Februar 1958 erschien, war die Szene begeistert. Der Downbeat schrieb: „Die Ergebnisse sind fantastisch. Die Worte allein schon sind erstaunlich. Eine der herausragenden Hörerfahrungen des Jahres. Fünf Sterne.“ Im November 1958 war Jon Hendricks so bekannt, dass er die Verleihung der Downbeat-Poll-Preise in der Carnegie Hall moderierte. Im gleichen Monat hatten Lambert, Hendricks & Ross ihren ersten TV-Auftritt. Vergessen waren das kleine Apartment in der Cornelia Street und die Schulden bei „Joe’s Dinette“. Es war der Beginn einer großen Karriere.

Sing a Song of Basie von Lambert, Hendricks & Ross auf discogs.com

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